Wochenrückblick: Kiffen wir uns bald die Krise schön?

Der Bund muss sparen, das hat auch Folgen für das Bundesgesundheitsministerium. Die Lieferengpass-Krise verschärft sich ungebremst, eine Facebook-Userin weiß aber, wie wir am besten mit ihr umgehen - mehr erfährst du in unserem Wochenrückblick.

Haushaltsentwurf 2024: Weniger Geld für das BMG

Bundesfinanzminister Christian Lindner stellte vor wenigen Tagen den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vor. Insgesamt will der Bund 445,7 Milliarden Euro und damit rund 30 Milliarden weniger als im laufenden Jahr ausgeben. Das bedeutet für nahezu alle Ressorts, dass sie sparen müssen. So soll der Gesamtetat des BMG im Jahr 2024 von 24,48 Milliarden auf 16,22 Milliarden Euro zurückgehen. Hauptposten ist der Zuschuss des Bundes an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), der wieder auf 14,5 Milliarden Euro sinken soll. Auf der Strichliste stehen unter anderem der ergänzende Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds in Höhe von zwei Milliarden Euro, die Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro für ein überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds sowie der der Zuschuss an die soziale Pflegeversicherung in Höhe von einer Milliarde Euro. 

Ein Hauptfaktor, warum die Ausgaben zurückgehen, ist das Ende der Corona-Pandemie. So plant Lindner keine Zuschüsse mehr für die zentrale Beschaffung von Impfstoff oder Masken. Für die Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitswesens will der Finanzminister nur noch 126 Millionen Euro statt 157 Millionen ausgeben.

Es handelt sich zunächst noch um einen Entwurf, Karl Lauterbach verteidigte am Donnerstag allerdings die Sparpläne seines Ministerkollegen. Abschließende Beratungen im Bundestag und -rat sollen Ende November und Dezember stattfinden. 

HAV-Chef: "Gesundheit der Bevölkerung steht auf dem Spiel"

Im Zusammenhang mit der seit Monaten immer schlimmer werdenden Lieferengpass-Krise schlägt der nächste Vertreter der Apothekenbranche Alarm. Mehr als 500 Lieferengpässe für Arzneimittel, von denen offiziell die Rede ist, bedeuteten, dass „die Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung auf dem Spiel stehen, da Apotheken nicht mehr garantieren können, dass dringend benötigte Medikamente rechtzeitig verfügbar sind“, erklärte Holger Seyfarth, Apotheker und Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV) in einer Pressemitteilung des Verbands.

Seyfarth spricht von einer „beispiellosen Krise“, vor der man stehe, und rechnet mit „dramatischen Folgen“. Die Apotheken vor Ort täten alles ihnen Mögliche, um die Krise abzufedern, doch die Situation verschlechtere sich rapide. Die Apotheken seien diejenigen, die die verheerenden Auswirkungen der Engpässe unmittelbar zu spüren bekommen. Sie seien „zutiefst besorgt“ über die Tatsache, dass sie ihren ethischen Verpflichtungen und dem staatlichen Auftrag zur sicheren Versorgung der Patienten nicht mehr nachkommen können. Es klingt wie ein letzter, verzweifelter Weckruf, der jedoch in letzter Zeit häufiger zu hören war. Regierung und Gesundheitsbehörden seien dringend aufgefordert, rasche Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere angesichts des nahenden Winters.

Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), Thomas Preis, geht hingegen von mehreren tausend Arzneimitteln aus, bei denen es einen Lieferengpass gebe. Viele würden schon gar nicht mehr erfasst. Das jüngst verabschiedete Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) sei keine schnelle Hilfe – weder für das Hier und Jetzt noch für den Winter. Und da werde es sehr wahrscheinlich wieder die treffen, die mit am wehrlosesten sind: „Die Arzneimittelversorgung von Kindern und Babys im kommenden Winter hängt an einem immer dünner werdenden Faden“, so Preis.

Eine Userin kommentierte die Lage bissig und konnte sich einen Seitenhieb gegen Lauterbachs geplantes Cannabis-Gesetzt nicht verkneifen: „Ist doch egal. Karl Lauterbach hat ein Gesetz erlassen und schenkt uns 60 Cent. Außerdem können wir uns die nicht vorhandene Krise einfach schön kiffen“, schrieb sie unter einen Facebook-Post der Pharmazeutischen Zeitung. 

Lebenserwartung geht weiter zurück 

Die Lebenserwartung in Deutschland ist 2022 im dritten Jahr hintereinander gesunken und hat sich seit Ausbruch der Coronapandemie 2019 um mehr als ein halbes Jahr verringert. Das teilte diese Woche das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mit. Bei Männern fiel sie demnach von 78,7 auf 78,1 Jahre, bei Frauen von 83,5 auf 82,8. 

Nach aktuellen Berechnungen des BiB bestehen in Deutschland allerdings erhebliche regionale Unterschiede, wie sich die Lebenserwartung bei Geburt seit dem Pandemiebeginn verändert hat. So konnten einige Bundesländer, die in den ersten beiden Pandemiejahren sehr starke Verluste verzeichneten, 2022 wieder etwas Boden gutmachen. Bei den Männern lag die Lebenserwartung im Saarland und in Sachsen-Anhalt 2022 um mehr als ein Jahr unter dem Wert von 2019. Bei den Frauen stach ebenfalls Sachsen-Anhalt hervor – dort ist die Lebenserwartung heute deutlich beziehungsweise knapp ein Jahr unter den Werten von 2019. Noch verhältnismäßig günstig hat sich die Situation bei den Männern in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen entwickelt, wo die Lebenserwartung nur maximal ein halbes Jahr unter dem Vorpandemiewert liegt. Bei den Frauen war das in Baden-Württemberg und in Sachsen der Fall. 

Wie sich die Lebenserwartung in den einzelnen Bundesländern im Detail entwickelt hat und wie die Situation in anderen europäischen Ländern aussieht, kann hier eingesehen werden.

Jeder zweite ältere Mensch erhält potenziell unangemessene Medikamente

8,3 Millionen ältere Menschen in Deutschland haben 2022 mindestens einmal ein potenziell inadäquates Medikament (PIM) verordnet bekommen, das zu unerwünschten Wechsel- oder Nebenwirkungen führen kann. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Damit war mehr als jeder zweite Mensch ab 65 Jahren (50,3 Prozent) davon betroffen.

„Die Arzneimittelversorgung der über 65-Jährigen ist geprägt durch die steigende Zahl der Erkrankungen im Alter und die Behandlung mehrerer, parallel vorliegender Krankheiten“, erklärte WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. Die Anzahl der gleichzeitig verordneten Arzneimittel nehme mit steigendem Alter deutlich zu. Insgesamt entfielen im Jahr 2022 auf die gesetzlich Krankenversicherten (GKV) ab 65 Jahre 56 Prozent des gesamten GKV-Verordnungsvolumens nach Tagesdosen. 43 Prozent der Versicherten über 65 Jahre wurden mit mehr als fünf verschiedenen Wirkstoffen gleichzeitig behandelt. Ältere Patientinnen und Patienten seien damit besonders gefährdet, unerwünschte Arzneimittelereignisse zu erleiden. „Medikamentennebenwirkungen wie Müdigkeit, Blutdruckabfall oder Sehstörungen können zu Stürzen oder kognitiven Einbußen führen und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sein“, so Schröder. Erfreulich sei daher, dass der Verordnungsanteil der potenziell inadäquaten Medikation in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen ist: Hatte der Verordnungsanteil dieser Arzneimittel bei älteren Menschen im Jahr 2013 noch bei 14,6 Prozent gelegen, so lag er 2022 bei 12,3 Prozent. 

Das Projekt PRISCUS 2.0 hat zum Ziel, die Arzneimitteltherapie bei älteren Menschen zu optimieren und unerwünschte Arzneimittelereignisse zu reduzieren. PRISCUS 2.0 baut auf der im Jahr 2010 in Deutschland erstellten ersten Fassung der PRISCUS-Liste auf. Ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaft und Praxis hat 2022 diese Liste auf den aktuellen Erkenntnisstand erweitert. Mehr als die Hälfte der Verordnungen potenziell unangemessener Medikamente bezieht sich auf Magenschutzpräparate, die sogenannten Protonenpumpeninhibitoren. Ebenfalls zu den häufig verordneten potenziell unangemessenen Medikamenten zählen einige Wirkstoffe gegen Schmerzen, Antidepressiva und Medikamente bei Blasen- und Prostatabeschwerden.

Apotheken sind der Hit auf TikTok

Für einen unerwarteten Hype um Apotheken sorgen in diesen Tagen US-amerikanische Influencer – zumindest in Frankreich. Das berichtet „Euronews“. Demnach haben zuletzt immer mehr Reise- und Beauty-Influencer auf TikTok verschiedene Produkte und Dienstleistungen, die es in französischen Apotheken gibt, auf ihren Kanälen beworben sowie Empfehlungen und Ratschläge für den Kauf einiger Artikel gegeben. Der Hashtag #Frenchpharmacy habe auf der Plattform unglaubliche 130 Millionen Aufrufe erreicht, heißt es. Neben Arzneimitteln können in französischen Vor-Ort-Apotheken nämlich häufig auch hochwertige Schönheitsmarken oder Wellnessprodukte erworben werden. Da einige davon in den Staaten deutlich teurer oder überhaupt nicht erhältlich sind, führt das offenbar dazu, dass die US-Touristen erstmal einen Abstecher in die Apotheken machen, bevor es zum Eiffelturm geht. Eine Nutzerin habe die Citypharma in der Rue de Four in Paris sogar „das wichtigste Wahrzeichen der Stadt“ genannt, schreibt Euronews.