Das Chamäleon der Gynäkologie: Endometriose

Immer mal wieder haben wir Kundinnen, die an Endometriose leiden. Die gutartigen Wucherungen verursachen starke Unterleibsschmerzen. Oft wird die richtige Diagnose erst spät gestellt. Wie genau entsteht diese Erkrankung, wie wird sie behandelt?

Schleimhaut außerhalb der Gebärmutter

Unter einer Endometriose versteht man das heterotrope (bedeutet „ortsfremd“, hier: außerhalb der Gebärmutterhöhle) Auftreten von Gewebe, das der normalen Gebärmutterschleimhaut in Aufbau und Funktion ähnlich ist. Eine funktionelle Ähnlichkeit besteht, da auch die Endometriose den hormonellen Änderungen des weiblichen Zyklus unterliegt. Wie auch die normale Gebärmutterschleimhaut verändert sich das Endometriosegewebe während des Menstruationszyklus und kann zu Gewebeblutungen, Narbenbildung und Schmerzen führen. 
Die sogenannten Endometrioseherde können in der Gebärmutterwand, den Eileitern, den Eierstöcken, dem Bauchfell sowie außerhalb des kleinen Beckens und in anderen Organen wie dem Darm, der Blase oder sogar in der Lunge oder dem Gehirn auftreten. 
Nach Myomen (gutartige Gebärmuttertumore) ist die Endometriose die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 40.000 Frauen, das sind circa vier bis zwölf Prozent aller Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahren, am häufigsten im Alter von 25-35 Jahren.

Was sind die Ursachen?

Für die Entstehung einer Endometriose gibt es einige Erklärungsmodelle. Keines davon ist jedoch bislang bewiesen. Vielmehr muss man ein multimodales Konzept aus den bisher bekannten Theorien annehmen, in dem eine Vielzahl von verschiedenen Faktoren zusammenwirkt. Neben genetischen und immunologischen Ursachen, Umweltgifttheorien und Fehlfunktionen des vegetativen Nervensystems, tauchen in der Literatur immer wieder die Transplantationstheorie nach Sampson und die Metaplasietheorie nach Meyer auf. Erstere besagt, dass lose Gebärmutterschleimhautzellen bei der retrograden Menstruation durch die Eileiter, aber auch über das Blut und über die Lymphgefäße sowie bei Operationen versprengt werden und sich an anderer Stelle ansiedeln. Die Metaplasietheorie geht davon aus, dass Endometrioseherde an Ort und Stelle aus embryonalen Bauchhöhlenzellen, dem sogenannten Zölomepithel, entstehen.

Welche Beschwerden treten auf? 

Wie sich eine Endometriose äußert, ist von Frau zu Frau verschieden. Meist beginnen die Beschwerden im Alter von 20-30 Jahren, oft aber auch schon mit der ersten Monatsblutung.
Starke Unterbauchschmerzen während der Regelblutung oder auch unabhängig davon, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder danach, Schmerzen  und/oder Blutungen beim Entleeren von Blase oder Darm, ein unerfüllter Kinderwunsch, aber auch sehr starke oder lange Menstruationsblutungen können auf eine Endometriose hindeuten. Bis letztendlich die Diagnose Endometriose gestellt wird, vergehen im Mittel 10 Jahre. Viele Patientinnen suchen erst ärztliche Hilfe, wenn sie nicht schwanger werden und erhalten dann die Zufallsdiagnose Endometriose.

Wie wird die Endometriose diagnostiziert?

Nach einer ausführlichen Anamnese erfolgen eine gynäkologische Tastuntersuchung, bei der Verhärtungen oder Verwachsungen gesucht werden. Auch eine Ultraschalluntersuchung über Bauchdecke oder Scheide kann hilfreich sein. Bei einer Laparoskopie (Bauchspiegelung) können verdächtige Gewebeproben entnommen und feindiagnostisch untersucht werden. Relativ neu ist die Möglichkeit, Endometriose mittels eines Speicheltests zu diagnostizieren.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? 

Die Endometriose-Therapie hängt immer vom Ausmaß der Beschwerden ab. Eine zufällig festgestellte Endometriose, die keine Probleme bereitet, muss auch gar nicht behandelt werden. Bei unerfülltem Kinderwunsch, starken Schmerzen oder einer gestörten Funktion von Blase, Darm oder Eierstöcken sollte allerdings gehandelt werden. Meist wird operativ oder medikamentös behandelt, manchmal auch operativ und medikamentös. Entscheidend für die Behandlung ist natürlich auch, ob ein Kinderwunsch besteht.  
Grundsätzlich gibt es spezielle Zentren für die Behandlung der Endometriose sowie Gynäkologen, die sich auf diese Erkrankung spezialisiert haben (https://www.endometriose-sef.de/patienteninformationen/
endometriosezentren). Unter Umständen können auch psychosomatische Therapieformen sinnvoll sein, da gerade ein unerfüllter Kinderwunsch und ständige Schmerzen emotional sehr belastend sein können.

Operative Behandlung

Operative Verfahren haben das Ziel die versprengten Gebärmutterschleimhautinseln möglichst komplett zu entfernen. Dies geschieht meist während einer Bauchspiegelung mittels Laser, Skalpell oder Strom. Manchmal kann es erforderlich sein, befallene Organe teilweise zu entfernen. Besteht kein Kinderwunsch (mehr), entscheiden sich manche Frauen für eine komplette Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) 
und der Eierstöcke, damit die Hauptproduktionsstätte der Östrogene beseitigt ist.  

Medikamentöse Therapie

Als Erstmaßnahme werden Schmerzmittel, meist NSAR wie ASS, Ibuprofen, Diclofenac oder auch Naproxen gegeben, um die starken Unterleibsschmerzen zu lindern. Im Gegensatz zu den Hormonpräparaten beeinflussen sie aber nicht das Wachstum der Endometrioseherde. Letztere unterdrücken die Hormon-Produktion (vor allem die Produktion von Östrogenen) in den Eierstöcken und damit auch den Eisprung sowie die Regelblutung. So kommt es zu einer Art Ruhigstellung der Endometrioseherde.
Die wichtigsten Medikamente in der hormonellen Therapie sind reine Gestagene (Gelbkörperhormone), die als Tabletten (Wirkstoff Dienogest) oder bei stärkeren, längeren Beschwerden auch nach einer OP als IUPs (Wirkstoff Levonorgestrel) verordnet werden. Diese werden dauerhaft ohne Pause angewendet. Dienogest ist als einziges Gestagen zur Endometriosetherapie zugelassen und senkt den Östrogenspiegel.
Einphasige Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparate (die klassische „Pille") bewirken bei kontinuierlicher, unterbrechungsfreier Einnahme im Langzyklus, dass sich die Gebärmutterschleimhaut nicht aufbaut und damit die Endometriose-bedingten Schmerzen abnehmen. Aber: Sowohl die Pille als auch die Hormonspirale sind nicht zur Behandlung der starken Regelschmerzen zugelassen und werden off-label eingesetzt. 
Als Spritze oder Nasenspray werden die GnRH-Analoga verabreicht. Diese blockieren bei längerer Anwendung die Ausschüttung des Follikel stimmulierenden Hormons (FSH) aus der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse). Dadurch sinkt der Östrogenspiegel in einen Bereich wie nach den Wechseljahren. Aufgrund der Nebenwirkungen (Wechseljahrsbeschwerden und Osteoporose) werden diese nur über einen Zeitraum von 3-6 Monaten am Stück gegeben.

Was sonst noch helfen kann

Jüngste Studien lassen vermuten, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel Endometriose-Beschwerden verstärkt. Daher kann eine Substitution bei nachgewiesenem Mangel sinnvoll sein.
Auch Pycnogenolextrakte (Rindenextrakt der französischen See-Kiefer) sollen die Entzündungsprozesse in Gebärmutterschleimhautzellen reduzieren und somit eine Endometriose lindern. Sport, Yoga, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen (z.B. PME) können ebenfalls Endometrioseschmerzen abmildern. 

AMIRA rät: Vielleicht solltest du jungen Frauen, die mit Regelschmerzen vor dir stehen und nach einem Schmerzmittel verlangen, ruhig den Rat geben, sich beim Gynäkologen auf eine Endometriose untersuchen zu lassen. Das kann einen jahrelangen Leidensweg abkürzen.