Leitlinien-Update: Therapie von Harnwegsinfektionen
In diesem Jahr wurde die neue S3-Leitlinie zur unkomplizierten Harnwegsinfektion veröffentlicht. Sie wurde im April umfassend aktualisiert und bringt einige spannende Neuerungen mit sich.
Die S3-Leitlinie zur „Unkomplizierten Harnwegsinfektion bei Erwachsenen“ wurde im vergangenen April 2024 aktualisiert. Diese Anpassungen sind nicht nur für Ärztinnen und Ärzte relevant, sondern auch für das Apothekenpersonal, da täglich viele Patientinnen und Patienten zu diesem Thema in der Apotheke beraten werden.
Was bleibt gleich?
Nach wie vor gilt: Unkomplizierte Harnwegsinfektionen sind häufige bakteriell bedingte Erkrankungen, meist durch Escherichia coli verursacht. Die Symptome umfassen Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie (häufiges Wasserlassen kleiner Urinmengen) und ein drängendes Gefühl beim Wasserlassen. Auch die grobe Klassifizierung der Infektionen bleibt wie gewohnt: Die Leitlinie unterscheidet weiterhin zwischen unteren Harnwegsinfektionen (wie Zystitis und Urethritis) und oberen Harnwegsinfektionen, die oft mit Fieber und Flankenschmerzen einhergehen (wie die Pyelonephritis).
Was ist neu?
Die spannendste Neuerung betrifft die Betonung nicht-antibiotischer Behandlungsmöglichkeiten. Hier wurde das Therapieangebot um einige evidenzbasierte „Soll“-Empfehlungen erweitert. Besonders betont wird der sparsame Einsatz von Antibiotika, um Resistenzen vorzubeugen. Dies bedeutet, dass du Patientinnen und Patienten vermehrt nicht-antibiotische Optionen wie Ibuprofen, Diclofenac oder pflanzliche Präparate (z. B. Bärentraubenblätter, oder pflanzliche Kombinationen von Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel) ans Herz legen kannst. Diese haben sich in Studien als wirksam zur symptomatischen Behandlung der Zystitis erwiesen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Geriatrische Patienten wurden erstmals in die Leitlinie aufgenommen. Da die Diagnose bei älteren Menschen oft erschwert ist (klassische Symptome können fehlen), legt die Leitlinie großen Wert auf eine angepasste Diagnostik und Therapie für diese Patientengruppe. Gerade bei älteren Menschen gilt es, besondere Vorsicht walten zu lassen, da sie häufig an weiteren Erkrankungen leiden und viele Medikamente einnehmen. Hier erfordert es viel Fingerspitzengefühl in der Beratung.
Antibiotika – nur wenn nötig
Auch bei der Wahl der Antibiotika gibt es klare Vorgaben: Fosfomycin und Nitrofurantoin bleiben die Mittel der ersten Wahl. Trimethoprim und Cefpodoxim sollten nur noch in Ausnahmefällen verwendet werden, da die Resistenzraten hier stark angestiegen sind. Fluorchinolone wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin werden nur empfohlen, wenn andere Antibiotika nicht geeignet sind.
Prävention von Rezidiven
Für Patientinnen, die häufig an Blasenentzündungen leiden, wird ebenfalls die Rolle der nicht-antimikrobiellen Prävention gestärkt. Als rezidivierend gelten Harnwegsinfektionen ab mindestens zwei Infektionen im Halbjahr oder mindestens drei Infektionen im ganzen Jahr. Die bereits genannten Phytotherapeutika sind hier empfehlenswert und haben sich als wirksame Optionen erwiesen, die ohne den Einsatz von Antibiotika Rezidive verhindern können. Die Wirksamkeit von Cranberry und D-Mannose bei Harnwegsinfektionen wird von den Experten eher kritisch betrachtet. Für Cranberry fehlen solide wissenschaftliche Belege, weshalb es nicht zur Standardprävention empfohlen wird. D-Mannose zeigte in einigen Studien positive Effekte, konnte in einer großen klinischen Studie jedoch nicht überzeugen und wird daher ebenfalls nicht als zuverlässige Präventionsmaßnahme betrachtet.
Was bedeutet das in der Apotheke?
Für das Apothekenpersonal bedeutet diese neue Leitlinie, dass Patientinnen und Patienten noch gezielter beraten werden können, insbesondere bei der Auswahl von nicht-antibiotischen Präparaten. Auch in der Kommunikation über die Vorteile der nicht-antibiotischen Therapie – insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von Resistenzen – kann in der Apotheke aktiv unterstützt werden. Viele Patientinnen haben Bedenken, wenn sie kein Antibiotikum verordnet bekommen. Aber hier kannst du beruhigen: Die aktuellen Studien zeigen, dass auch pflanzliche Präparate eine gute Wirksamkeit haben und Antibiotika oft nicht nötig sind. Mit den geriatrischen Patientinnen und der Prävention von Harnwegsinfektionen sind neue, präzisere Empfehlungen dazugekommen, die im Beratungsgespräch genutzt werden können. So hilfst du, den übermäßigen Einsatz von Antibiotika zu reduzieren und die Patientinnen trotzdem gut zu versorgen.