„Einmal Schlaftabletten, bitte!“

Erholsamer Schlaf ist besonders wichtig für unsere Regeneration und unser Wohlbefinden. Ist dieser gestört, entsteht schnell ein hoher Leidensdruck. Wie können wir Abhilfe schaffen und was können wir empfehlen?

Wenn der Schlaf gestört ist

Man spricht von einer Schlafstörung, wenn jemand über einen längeren Zeitraum mindestens dreimal pro Woche Probleme beim Ein- und Durchschlafen hat, am Morgen sehr früh erwacht und deshalb Schwierigkeiten hat, seinen Alltag zu bewältigen. Experten gehen davon aus, dass jede zehnte Person eine behandlungsbedürftige Schlafstörung hat. In Deutschland sind laut der Barmer GEK circa sechs Millionen Menschen betroffen.

Ernsthafte Erkrankungen wie Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle oder Adipositas können durch dauerhafte Schlafstörungen entstehen. Häufig suchen Betroffene Hilfe und Rat in der Apotheke. In einem ausführlichen Beratungsgespräch sollte geklärt werden, ob eventuell organische Störungen vorliegen, die eine ärztliche Therapie erfordern. Zudem sollte eine gesunde Schlafhygiene bezüglich Ernährung, Schlafumgebung, etc. erläutert werden. Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, kann kurzfristig ein Schlafmittel eingesetzt werden. Je nach Schwere der Symptomatik und eventuell vorhandener Vorerkrankungen gibt es auf dem Markt viele verschiedene Wirkstoffe und Präparate.

Pflanzliche und homöopathische Schlafmittel

Es gibt einige Arzneipflanzen, die eine beruhigende und schlafanstoßende Wirkung haben, beispielsweise Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Lavendelblüten, Passionsblumenkraut und Melissenblätter. Diese können entweder als Teeaufguss (z. B. Sidroga® Schlaf- und Nerventee, H&S Schlaf- und Nerventee) oder als Extrakt in Form von Tabletten, Kapseln oder auch Tropfen angewendet werden. Im Handel gibt es sowohl Monopräparate (z. B. Baldriparan® von Pharma GSP, Lasea® von Dr. Schwabe, Lioran® classic von Cesra) als auch Kombipräparate (z. B. Alluna® Schlaf von Cesra, Pascoflair® Night von Pascoe).

In der Homöopathie werden Substanzen wie Coffea, Avena sativa, Humulus lupulus, Zincum valerianicum, Passiflora incarnata oder Acidum phosphoricum eingesetzt. Auch hier gibt es Monopräparate und Komplexmittel (z. B. Neurexan® von Heel, Calmvalera® von Hevert, Nervoregin® von Pflüger.

Die rezeptfreien pflanzlichen und homöopathischen Mittel sind eher schwach wirksam. Wenn
massive Durchschlafstörungen bestehen oder auch schon stärkere Hypnotika eingenommen wurden, sind sie nicht sehr wirkungsvoll. Allerdings sind sie gut verträglich und es gibt auch kaum Interaktionen. Lediglich bei Allergien gegen die Inhaltsstoffe sollte man vorsichtig sein.

Aminosäuren und Hormone

Die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan ist eine Vorstufe des Schlafhormons Melatonin und soll die Schlafbereitschaft fördern und somit das Einschlafen erleichtern. Es ist enthalten in Cashewkernen, Erdnüssen, Sojabohnen und verschiedenen Hartkäsen. In dem Arzneimittel Ardeydorm® von Ardeypharm sind 500 mg Wirkstoff enthalten und es gibt zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel. Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Lichtempfindlichkeit können auftreten. Da Langzeituntersuchungen fehlen, sollten die Präparate nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.

Melatonin ist derzeit buchstäblich in aller Munde und das einzige Hormonpräparat, das auch rezeptfrei erhältlich ist. Es reguliert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und gibt unserem Körper das Signal, um einzuschlafen. Es ist ein reines Einschlafmittel (kein Durchschlafmittel) und schwach bis mittelstark wirksam. Meist sind die Präparate mit pflanzlichen Inhaltsstoffen zur Schlafförderung oder auch mit Mineralstoffen, Vitaminen oder Spurenelementen kombiniert. Es gibt viele niedrig dosierte Nahrungsergänzungsmittel in verschiedensten Arzneiformen (Schmelztabletten, Mundspray, Tonikum, Heißgetränk, Weichgummis, Gaumenstrips, etc.) von unterschiedlichen Herstellern. 

Da es sich nicht um Arzneimittel (nur Nahrungsergänzungsmittel im Handel) handelt, ist die Studienlage sehr dünn, gerade was die Langzeitanwendung betrifft. Daher sollte es nur kurzfristig eingenommen werden. In retardierter Form hingegen gibt es Melatonin als rezeptpflichtiges Arzneimittel (z. B. Circadin 2 mg von Infectopharm und Generika, Slenyto® von Infectopharm), das bei ärztlich diagnostizierter Schlafstörung und/oder im Rahmen einer anderen Erkrankung gegeben werden kann. Potenzielle Nebenwirkungen können Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Kopfschmerzen oder Nebenhöhlenentzündungen sein.

Antihistaminika

Antihistaminika hemmen das Gewebshormon Histamin und wirken eigentlich gegen Allergien und Erbrechen. Die Wirkstoffe der älteren Generation wie Doxylamin (z. B. Hoggar® Night von Stada, Schlafsterne® von Retorta, SchlafTabs® ratiopharm) oder Diphenhydramin (z. B. vivinox® SLEEP Schlaftabletten stark von Dr. Mann, Betadorm®-D 50 mg Tabletten von Recordati, Halbmond- Tabletten® von Cheplapharm) wirken aber auch sedierend und schlaffördernd. 

Für begrenzte Zeit können sie als Schlafmittel eingesetzt werden und werden in der Regel auch gut vertragen. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, Schwindel, Mundtrockenheit, Konzentrationsstörungen und Unruhezustände auftreten. Aufgrund einer erhöhten Sturzgefahr sollten diese Wirkstoffe gerade für Ältere nur sehr zurückhaltend empfohlen werden. Bei längerer Einnahme in hoher Dosierung kann sich eine physische und psychische Abhängigkeit entwickeln, weshalb diese Wirkstoffe auch häufig missbräuchlich eingesetzt werden.

Verschreibungspflichtige Schlafmittel

Leiden Menschen mit Schlafstörungen auch unter einer Depression oder an einer Depressions-bedingten Schlafstörungen, können auch bestimmte Antidepressiva verordnet werden. Manchmal werden diese auch niedrig dosiert off-label gegeben. Wirkstoffe wie Doxepin, Amitriptylin, Mirtazapin oder Agomelatin wirken beruhigend und schlaffördernd, machen aber im Gegensatz zu anderen Substanzen nicht körperlich abhängig.

Gerade für ältere Patient:innen mit altersbedingten Erkrankungen, die eventuell mit Halluzinationen oder Wahnvorstellungen einhergehen, können die Neuroleptika Melperon oder Pipamperon verordnet werden. Sie wirken mittel bis stark schlaffördernd und werden eingesetzt, wenn andere Mittel keine Wirkung gezeigt haben. Als Nebenwirkungen können innere Unruhe, Übelkeit und Erbrechen, Herzrhythmusstörungen oder Mundtrockenheit auftreten.

Stark wirksame Schlaf- und Beruhigungsmittel sind Benzodiazepine (z. B. Flunitrazepam, Lormetazepam, Nitrazepam, Lorazepam, Oxazepam). Sie wirken schnell angstlösend, dämpfend und entkrampfend. Sie können kurzzeitig bei einer Schlafstörung helfen, indem sie die Einschlafzeit verkürzen, die Schlafdauer verlängern oder die Schlafqualität verbessern. Allerdings helfen sie nicht, die Ursachen der Schlafstörungen zu beseitigen und sie haben ein sehr hohes Abhängigkeitsrisiko. Sie dürfen maximal über vier Wochen eingenommen werden. Je nach Substanz wirken sie sehr lange, so dass sie auch am nächsten Tag die Aufmerksamkeit, das Reaktionsvermögen sowie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und gerade bei älteren Menschen das Sturzrisiko erhöhen.

Ebenfalls stark wirksam sind die sogenannten Z-Substanzen (z. B. Zolpidem, Zopiclon, Eszopiclon). Diese greifen am GABA-A-Rezeptorkomplex an und haben eine ähnliche Wirkung wie die Benzodiazepine, werden aber schneller wieder vom Körper abgebaut, sodass der sogenannte Hangover geringer ausfällt und die Beeinträchtigung am nächsten Tag weniger stark ist. Dennoch sollte vor dem Bedienen oder dem eigenhändigen Fahren eines Fahrzeuges mehrere Stunden gewartet werden. Ein hohes Abhängigkeitspotential besteht dennoch, sodass die Z-Substanzen ebenfalls nicht länger als vier Wochen eingenommen werden sollten. Nebenwirkungen wie Verwirrtheit, Albträume oder Halluzinationen können auftreten. Außerdem kann ein Schlafwandeln auftreten, was wiederum das Verletzungsrisiko erhöht.

Relativ neu sind die sogenannten Orexin-Rezeptor-Antagonisten. Diese greifen in den Schlaf-Wach-Rhythmus ein, indem sie das wachmachende Hormon Orexin hemmen – ohne das Verhältlnis der Schlafphasen zu verändern. In Deutschland zugelassen ist der Wirkstoff Daridorexant (Fertigarzneimittel: Quviviq® 25 mg / 50mg von Idorsia). Es wird bei schweren Schlafstörungen eingesetzt, wenn andere Medikamente wirkungslos sind. Bis jetzt gibt es wenige Erfahrungen mit den Wirkstoffen. Mögliche Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit sein.

Problematik bei Schlafmitteln

Egal, welches Schlafmittel eingenommen wird, es ist keine Dauerlösung. Die Ursachen der Schlafstörungen müssen erkannt und behoben werden. Gerade bei den chemischen Substanzen kommt es bereits nach zwei Wochen zu einer Gewöhnung, die Wirkung wird schlechter, sodass eine Dosissteigerung nötig wird. Hier ist aber Vorsicht geboten, da eine Überdosierung ernsthafte, manchmal sogar tödliche Folgen haben kann. Schnell kann eine physische und psychische Abhängigkeit entstehen und bei einem Absetzen können teilweise heftige Entzugssymptome auftreten.
So gut wie alle Substanzen haben Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, aber auch besonders mit Alkohol, der die Wirkung gefährlich verstärken kann. Daher ist es wichtig, in der Beratung auf eine kurzfristige und verantwortungsvolle Einnahme hinzuweisen.