Wochenrückblick: Diesmal Bundestagswahl-befreit
Die Krankenkassen machen gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen mobil, die FSME-Gefahr durch Zeckenbisse breitet sich auf ganz Deutschland aus, neue Medikamente versprechen Erfolge bei der Migräne-Prophylaxe. Was die Bundestagswahl für die Apotheken bringt, stellt sich wohl erst in einigen Wochen heraus, deshalb hier kein Wort dazu…
Apotheker wehren sich gegen Einschränkung pharmazeutischer Dienstleistungen
Deutschlands Apothekerschaft lehnt den Vorschlag der Krankenkassen entschieden ab, die seit 2022 eingeführten pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) zu kürzen. Der AOK-Bundesverband und der GKV-Spitzenverband fordern, die jährliche Umlage von 150 Millionen Euro zu streichen und nicht abgerufene Mittel zurückzuüberweisen.
Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Bundesapothekerkammer, betont die Unverzichtbarkeit dieser Dienstleistungen für die Arzneimittelsicherheit. Durch Überwachung der Therapie könnten Neben- und Wechselwirkungen vermieden werden. Angesichts von jährlich rund 250.000 Krankenhauseinweisungen aufgrund vermeidbarer Medikationsfehler sei eine Einschränkung unverantwortlich.
Auch Dr. Hans-Peter Hubmann vom Deutschen Apothekerverband kritisiert den Vorschlag scharf. Die pDL-Leistungen modernisierten das Aufgabenspektrum der Apotheken und seien besonders für eine älter werdende Gesellschaft wichtig. Er fordert stattdessen eine wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken und empfiehlt den Kassen, ihre eigenen Verwaltungsausgaben zu überprüfen.
AMIRA fragt: Wie steht ihr zu dem Thema? Oder ist diese Frage eine, die sich selbst beantwortet?
Arbeiten an Karneval: Was es zu beachten gibt
Karnevals- und Faschingstage sind keine gesetzlichen Feiertage, daher entscheidet die Apothekenleitung über eine Schließung. Rechtsanwältin Minou Hansen hat für die Apothekengewerkschaft ADEXA aufgeschrieben, was es zu beachten gibt rund um die „fünfte Jahreszeit“.
Die Arbeitszeit kann demnach flexibel verteilt oder durch Überstundenabbau ausgeglichen werden. Mitarbeitende müssen, sofern sie dazu in der Lage sind, ihre Arbeitskraft anbieten; wird sie nicht benötigt, bleibt der Vergütungsanspruch bestehen. Eine betriebliche Übung könnte Freistellungen sichern. In Filialverbünden kann es Unterschiede geben, solange diese sachlich gerechtfertigt sind. Mitarbeitende ohne festen Arbeitsort sollten flexible Lösungen im Team finden, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Infektiologe: Corona-Pandemie verstärkte Impfskepsis in Sachsen
Die Corona-Pandemie hat nach Einschätzung des Infektiologen Thomas Grünewald anhaltende negative Auswirkungen auf die Impfbereitschaft. „Die Impfmüdigkeit und die Impfskepsis sind ein riesengroßes Problem“, sagte der Leiter des kürzlich in „Beirat Siko“ umbenannten sächsischen Impfgremiums. Grünewald beobachtet Lücken sowohl bei Auffrischungsimpfungen für Erwachsene als auch bei saisonalen Impfungen gegen Influenza, Corona und RSV. Selbst Standardimpfungen gegen Krankheiten wie Diphtherie und Kinderlähmung würden vermehrt abgelehnt. Der Mediziner erklärt, dass Pandemien generell das Vertrauen in die Wissenschaft schmälern. Die Skepsis gegenüber Impfungen existiere zwar bereits seit 10-15 Jahren, sei aber durch Corona weltweit verstärkt worden - mit Sachsen als besonderem Hotspot. Bei der Aufarbeitung der Pandemie sieht Grünewald Verbesserungsbedarf in der Kommunikation. Auch die Trennung in Geimpfte und Ungeimpfte hält er rückblickend für problematisch, besonders nach Auftreten der Omikron-Variante. Der „Beirat Siko“ will künftig verstärkt auf Aufklärung setzen - sowohl in der Bevölkerung als auch unter Medizinern, da es laut Grünewald „nicht ganz wenige“ impfskeptische Ärzte gebe, besonders in Sachsen.
Experte fordert: Ganz Deutschland sollte als FSME-Risikogebiet gelten
Ein führender FSME-Experte warnt, dass Zecken inzwischen in ganz Deutschland und ganzjährig aktiv sind. „Es ist in ganz Deutschland möglich, sich mit FSME zu infizieren“, erklärte Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.
Bereits in diesem Jahr seien die ersten FSME-Fälle in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen aufgetreten. Da zwischen Infektion und Krankheitsausbruch etwa drei Wochen liegen, müssen diese Infektionen mitten im Winter stattgefunden haben. FSME wird durch Zeckenstiche übertragen und kann Entzündungen der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks verursachen. Nach RKI-Angaben sind nur etwa 19 Prozent der Deutschen gegen FSME geimpft, während bei 99 Prozent der Erkrankten ein Impfschutz fehlte. Dobler empfiehlt, die bisherige Definition von Risikogebieten zu überdenken. Er plädiert dafür, ganz Deutschland als Risikogebiet zu betrachten und die aktuellen Risikogebiete als Hochrisikogebiete einzustufen. Zudem befürwortet er eine allgemeine Impfempfehlung für ganz Deutschland, da der Impfschutz mit über 97 Prozent sehr effektiv sei. Deutschland verzeichnete 2023 insgesamt 686 FSME-Fälle, davon 226 in Baden-Württemberg - die zweithöchste Fallzahl nach dem Rekordjahr 2020 mit 718 Fällen.
Kritische Generika: Studie warnt vor Versorgungsunsicherheit
Laut einer Studie von Teva Pharmaceuticals Europe stammen 46 Prozent und damit fast die Hälfte der kritischen Generika in der EU nur von einem Hersteller, was die Versorgungssicherheit gefährde. Wenn man nur Anbieter mit über 60 Prozent Marktanteil einbeziehe, steige der entsprechende Wert sogar auf 83 Prozent. Die Marktkonsolidierung schreite bei kritischen Generika dreimal schneller voran, wodurch die Patientenversorgung unsicherer werde. Teva fordert daher politische Maßnahmen, darunter einen europäischen Solidaritätsmechanismus, faire Vergabeverfahren und flexible Finanzierungsmodelle, um Hersteller zu entlasten und Produktionskapazitäten zu sichern.
Neues Medikament zur Migräneprophylaxe
Ab heute (1. März) ist Atogepant (Aquipta®) als erster oraler CGRP-Antagonist zur Migräneprophylaxe in Deutschland verfügbar. Das Medikament ist für Erwachsene mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen und wird in 10 mg- und 60 mg-Tabletten angeboten. Studien haben gezeigt, dass Atogepant Migränetage um bis zu 53 % reduzieren kann. Als häufige Nebenwirkungen traten Obstipation, Übelkeit und Infektionen der oberen Atemwege auf. Ein weiteres CGRP-Medikament (Calcitonin Gene-Related Peptide), Rimegepant, steht ebenfalls vor der Markteinführung und kann im Gegensatz zu Atogepant zusätzlich zur Akuttherapie eingesetzt werden.
Methylphenidat nun als Saft erhältlich
Methylphenidat ist nun als Saft erhältlich (Ritalin Saft 2 mg/ml, Infectopharm). Die flüssige Darreichungsform ist besonders für Kinder und Jugendliche mit ADHS oder Narkolepsie geeignet. Der Saft ist ab sechs Jahren zugelassen und wird mit einer Dosierspritze zur exakten Dosierung geliefert. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 2,5 ml (5 mg) ein- bis zweimal täglich. Der Wirkungseintritt erfolgt nach 30–60 Minuten, die Wirkdauer beträgt etwa drei bis vier Stunden.
Weichmacher in Sonnencremes - Behörden erhöhen Druck auf Hersteller
Nach dem Fund gesundheitsgefährdender Weichmacher in Sonnencremes wollen Behörden Hersteller zu freiwilligen Maßnahmen bewegen, um die Konzentration dieser Substanzen zu senken. Das nordrhein-westfälische Umwelt- und Verbraucherschutzministerium berichtet, dass inzwischen auch Behörden auf Bundes- und EU-Ebene aktiv geworden sind.
Experten betonen jedoch, dass niemand aus Sorge vor Weichmachern auf Sonnenschutz verzichten sollte. Die Gefahr ungeschützter UV-Strahlung - Hauptursache für Hautkrebs - sei deutlich größer. Laut „Öko-Test“ müsste ein kleines Kind täglich mit mehr als einem Kilo Sonnencreme eingeschmiert werden, um bedenkliche Mengen aufzunehmen.
Vor etwa einem Jahr stellten Kontrolleure in NRW erstmals ein Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP) im Urin kleiner Kinder fest. Mehr als jedes zweite untersuchte Kind zwischen zwei und sechs Jahren war betroffen. Wissenschaftliche Untersuchungen führten die Quelle auf verunreinigte UV-A-Filter in Sonnencremes zurück. Das Bundesamt für Risikobewertung hält gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Sonnencremes allerdings für „sehr unwahrscheinlich“. Eine Untersuchung von 42 Sonnenschutzmitteln durch das Chemische Untersuchungsamt NRW ergab, dass nur 14 Prozent der Produkte den Weichmacher enthielten. Da eine nahezu weichmacherfreie Produktion technisch möglich ist, stehen die Behörden nun mit der Branche in Kontakt. Erste Ergebnisse sollen im zweiten Halbjahr 2025 veröffentlicht werden, eine weitere Urinuntersuchung bei Kindern ist für 2026/27 geplant.
Dramatischer Anstieg motorischer Entwicklungsstörungen bei Kindern
Laut einer Mitteilung der KKH Kaufmännischen Krankenkasse leiden immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland unter motorischen Entwicklungsstörungen. Im Jahr 2023 waren über 311.000 Schüler zwischen sechs und achtzehn Jahren betroffen – ein Anstieg von rund 64 Prozent im Vergleich zu 2008.
Als Hauptursache wird zunehmender Bewegungsmangel genannt. Kinder verbringen immer mehr Zeit sitzend bei Hausaufgaben, vor dem Fernseher oder an Spielkonsolen. Die Folgen dieser motorischen Störungen sind weitreichend und betreffen tägliche Aktivitäten wie Schreiben, Basteln, Bestecknutzung sowie grundlegende Bewegungsabläufe wie Laufen oder Werfen. „Kinder und Jugendliche spüren das selbst am meisten. Das kann zu Frustration, Versagensängsten, Rückzug und Passivität führen“, warnt KKH-Sportwissenschaftler Justin Onyechi. Er empfiehlt einfache Gegenmaßnahmen wie Ballspiele, Seilspringen, Schwimmen oder Vereinssport. Helfen können laut KKH der Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad, Spielen im Freien und kleine Bewegungseinheiten mit der Familie.
AMIRA fragt: Falls ihr Kinder haben solltet – bewegen die sich genug? Was tut ihr, um das zu fördern?