Wochenrückblick: Serverpannen, Fälschung, Frust
Serverpannen, Fälschung, Frust: Das E-Rezept versagt erneut - Ausfälle, Betrug in Soest und verärgerte Praxen. Wie sicher ist unsere Arzneimittelszene wirklich?
ABDA warnt: Digitaler Beipackzettel darf das Original nicht ersetzen
Die EU-Kommission prüft derzeit, die Packungsbeilage von Arzneimitteln vollständig zu digitalisieren. Die ABDA lehnt das entschieden ab: Der Beipackzettel in Papierform sei ein unverzichtbarer Bestandteil der Arzneimittelsicherheit – für viele Menschen auch die einzige barrierefreie Informationsquelle. Die Sorge: Apotheken könnten verpflichtet werden, digitale Beipackzettel auszudrucken – mit zusätzlichem Aufwand und potenziellen Fehlerquellen. Sie forderte deshalb in der vergangenen Woche, dass Papier- und Digitalversion dauerhaft nebeneinander bestehen müssen.
Lockerung beim Versandverbot für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel in Sicht
Das Bundeskabinett hat kürzlich beschlossen, das bisherige Versandverbot für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel ausnahmsweise zu lockern – allerdings nur für bestimmte Fälle wie nicht-lebensmittelliefernde Tiere und unter engen Voraussetzungen. Die Änderung könnte zeitnah in geltendes Recht umgesetzt werden, nachdem das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wurde. Der Kabinettsentwurf sieht vor, dass Apotheken mit bereits bestehender Versandhandelserlaubnis künftig auch Tierarzneimittel versenden dürfen – nicht nur jene, die ihre Erlaubnis zwischen dem 28. Januar 2022 und dem 31. Dezember 2025 erhalten haben, wie es ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehen war. Damit wurde eine zentrale Forderung der ABDA aufgenommen. Wichtig: Wer den Versand auf Tierarzneimittel ausweitet, muss das Qualitätsmanagementsystem der Apotheke entsprechend anpassen (§ 2a ApoG). Das bedeutet konkret, dass Abläufe, Lagerung und Versand speziell für Tiermedikamente dokumentiert und geprüft werden müssen.
Neue Nebenwirkungen bei Methylphenidat ergänzen Fachinformationen
Die EMA hat neue Hinweise zu potenziellen Nebenwirkungen von Methylphenidat veröffentlicht, die nun offiziell in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen werden sollen. Künftig müssen auch erhöhter Augeninnendruck, Glaukom, trockenes Auge sowie Zwangsstörungen als mögliche unerwünschte Wirkungen aufgeführt werden. Pharmazeutisches Personal sollte bei Rückfragen zur ADHS-Medikation also genau hinschauen – besonders, wenn es um neue Sehbeschwerden oder Veränderungen im psychischen Verhalten der Kinder geht. Diese Nebenwirkungen können sehr individuell auftreten und sollten bei ersten Anzeichen ärztlich abgeklärt werden. Auch für Beratungsgespräche mit Eltern ist dieses Wissen hilfreich, denn viele Nebenwirkungen zeigen sich schleichend. Wichtig: Betroffene sollten keinesfalls eigenständig das Medikament absetzen, sondern Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt halten. Ein Hinweis auf die engmaschige augenärztliche Kontrolle kann sinnvoll sein, insbesondere bei vorbestehenden Augenerkrankungen.
Abrechnungsbetrug: Arzt und Apotheker verurteilt
Das Landgericht Leipzig hat einen Arzt und einen Apotheker wegen Abrechnungsbetrugs mit sogenannten „Luftrezepten“ verurteilt. Zwischen 2014 und 2017 stellte der Arzt 110 Verordnungen aus, die weder echten Patienten galten noch abgegeben wurden. Der Apotheker rechnete diese bei den Krankenkassen ab. Als Gegenleistung erhielt der Arzt Praxisbedarf im Wert von rund 40 % der Rezeptsumme. Der Gesamtschaden lag bei etwa 240.000 Euro. Der Arzt wurde wegen Untreue in 110 Fällen zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Apotheker erhielt wegen Betrugs in 57 Fällen eine weitere Verurteilung – er war bereits vorbestraft, unter anderem wegen des Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel und Computerbetrugs. Die Landesdirektion Sachsen entzog ihm bereits die Betriebserlaubnis, ein Approbationsentzug steht noch im Raum. Wichtig: Auch die direkte Belieferung der Praxis durch die Apotheke wurde als Verstoß gegen § 11 ApoG und damit als Abrechnungsbetrug gewertet.
E‑Rezept‑Chaos: IT-Pannen und Fälschung in Soest erschüttern Vertrauen
Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) hat die wiederholten Ausfälle des E‑Rezeptsystems in scharfer Sprache kritisiert und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zum Handeln aufgefordert. Ärzt:innen und Apotheken seien zunehmend frustriert durch „wiederholte Pannen, Serverausfälle, Rezepte, die wieder auf Papier ausgestellt werden müssen“, so KVH‑Vorstandsvorsitzender Frank Dastych. Er macht die Gematik als federführende Agentur verantwortlich: „Sie liefert nicht“ – das aktuelle System führe zu Chaos in Praxen und gefährdet Patienten. Besonders problematisch sei die fehlende Transparenz über Ausfälle, wodurch sowohl die Versorgung als auch der Praxisablauf zunehmend destabilisiert würden.
Parallel wächst die Besorgnis über kriminelle Aktivitäten im Kontext des E‑Rezeptsystems. In der Rats-Apotheke in Soest fiel ein gefälschtes E‑Rezept auf, als ein Patient einen QR-Code-Ausdruck vorlegte. Bei Rückfrage in der Arztpraxis stellte sich heraus, dass die Verordnung nicht vom Praxisinhaber ausgestellt war – ein klarer Hinweis auf einen Fälschungsversuch. Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der 22-jährige Tatverdächtige offenbar mit System vorging, indem er sich mehrfach umkleidete und an verschiedenen Tagen versuchte, das Rezept einzulösen. Bei Festnahme leistete er noch Widerstand. Dieser Vorfall zeigt eindrücklich: Das E‑Rezept ist zwar digital, aber nicht narrensicher.