Augen auf bei Rezepten mit Antidiabetika

Einer der Spätschaden von Diabetes mellitus ist die Retinopathie (Netzhautschädigung), die sogar zur Erblindung führen kann. Warum das so ist und was du deiner Kundschaft raten kannst, verraten wir dir im Rahmen unserer kleinen Reihe zur Augengesundheit im folgenden Beitrag.

In Deutschland sind circa 7,2 Prozent der Erwachsenen von Diabetes mellitus betroffen. Es gibt verschiedene Formen der Erkrankung, der Typ-2-Diabetes macht dabei etwa 90 bis 95 Prozent aus. Alle Diabetesformen führen zu Spätkomplikationen, die durch zwei Arten von Gefäßschädigungen entstehen: Mikro- und Makroangiopathie. Gefördert werden beide Arten unter anderem durch Hyperglykämie, Dyslipidämie, Insulinresistenz, bestimmte Hormone und Wachstumsfaktoren.

Die Makroangiopathie ist gekennzeichnet durch atherosklerotische Veränderungen an mittleren und großen Arterien, die das hohe Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Gangränrisiko bei Diabetes begründen. Bei der Mikroangiopathie hingegen entstehen diabetesspezifische Veränderungen der Kapillaren, die zu Glomerulosklerose, Neuropathie und Retinopathie führen. Weltweit ist die diabetische Retinopathie hinter den drei häufigsten Augenerkrankungen (Glaukom, Katarakt und altersabhängige Makuladegeneration) immer noch sehr präsent, wie aus dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2022 zu entnehmen ist.

Warum ist die diabetische Retinopathie gefährlich?

Das Tückische an diabetesbedingten Netzhautschäden ist, dass sie keine Schmerzen verursachen. Sie schränken das Sehvermögen zunächst kaum oder gar nicht ein, auch wenn die Gefäße bereits geschädigt sind. Allerdings führen diese Verletzungen der kleinen Blutgefäße dazu, dass die Durchblutung beeinträchtigt wird und ein Sauerstoffmangel in der Netzhaut entsteht. Der oder die Betroffene muss dabei noch nicht mal Veränderungen spüren. Der Organismus kompensiert die Mangeldurchblutung mit der Bildung neuer Blutgefäße im Auge, was mit der Ausschüttung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) einhergeht. Welche VEGF-Hemmer sich zur Hemmung dieses Mechanismus eignen, erfährst du weiter unten.

In diesem Zuge kann Flüssigkeit in die Netzhaut austreten, da die neu gebildeten Blutgefäße durchlässig und porös sind. Wenn sich die Flüssigkeit an der Makula (= Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhaut) ansammelt, ist von einem sogenannten Makulaödem die Rede. Nun treten deutliche Seheinschränkungen auf. Dazu gibt es in den kommenden Tagen einen eigenen Artikel in der AMIRA-Welt.

Augenkomplikationen: Aufklärung ab dem Erstrezept

Die S3-Leitlinie zur diabetischen Retinopathie und Makulopathie empfiehlt regelmäßige Augenuntersuchungen. Eine frühzeitige ophthalmologische Therapie kann häufig zu einer besseren Sicht führen. Deshalb solltest du bereits Kundinnen oder Kunden, die mit einem Erstrezept über Antidiabetika in die Apotheke kommen, auf diese wichtigen Dinge aufmerksam machen. Du kannst sie über mögliche Augenkomplikationen aufklären und bei Typ-2-Diabetes eine sofortige augenärztliche Kontrolle anraten. Weiterhin solltest du Betroffene darauf hinweisen, dass eine regelmäßige Untersuchung der Augen mindestens alle zwei Jahre sinnvoll ist.

Betroffene, die schon länger an Diabetes mellitus leiden, kannst du ebenfalls sensibilisieren und Augenarztbesuche abfragen. Häufig gehören sie ohnehin zum registrierten Kundenstamm der Apotheke. Um sie nicht abzuschrecken, kannst du diese Abfrage bzw. die Kommunikation stichpunktartig in der Apothekensoftware dokumentieren, damit andere aus dem Apothekenteam ebenfalls informiert sind und nach kurzer Zeit nicht erneut nachfragen, falls der Kunde bzw. die Kundin mal von ihnen beraten wird. Außerdem solltest du Risikofaktoren im Blick behalten, denn so wie das Leben im Wandel ist, können neue Faktoren (z. B. neu hinzugekommene Erkrankung, Lebensstiländerung etc.) eine Anpassung der Therapie notwendig machen. Das liegt zwar in der Hand des behandelnden Arztes bzw. der behandelnden Ärztin, dennoch kann das Gespräch mit den Patient:innen auch die Kundenbindung stärken.

So erkennst du, wer ein Risiko trägt

Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass mit zunehmender Dauer des Diabetes das Risiko für diabetische Augenerkrankungen steigt. Wenn einer der folgende Risikofaktoren zutrifft (ggf. nachfragen), solltest du Patientinnen und Patienten mit Nachdruck darauf hinweisen, dass sie eine augenärztliche Untersuchung in Erwägung ziehen sollten.

  • Diabetes besteht seit mehr als zehn Jahren
  • Durchschnittlicher Blutdruck ist höher als 140/85 mmHg
  •  HbA1c-Wert ist höher als 7,5 %
  • Bestehende Gefäßkomplikationen (insbesondere der Niere
  • Rauchen
  • Männliches Geschlecht
  • Hormonelle Veränderungen (z. B. durch Schwangerschaft)
 
Warnzeichen richtig deuten

Wenn dir im Beratungsgespräch von Veränderungen rund um das Augenlicht berichtet wird (z. B. Verschlechterung der Sehschärfe, Farbveränderungen, Leseschwierigkeiten, verzerrtes/verschwommenes Sehen etc.) solltest du hellhörig werden. Es sind in der Regel Anzeichen, dass dringend gehandelt werden und ein augenärztlicher Termin vereinbart werden muss. Damit rechtzeitig eine Therapie eingeleitet werden kann, bevor es zu spät ist.

Übrigens können Sehveränderungen auch die Diabeteskontrolle erschweren und zu Problemen bei der Anwendung des Blutzuckermessgeräts und/oder bei der Applikation von Medikamenten führen.

Retinopathie – wie wird therapiert?

Grundsätzlich kann die diabetische Retinopathie beispielsweise mittels Laser behandelt werden. Dabei werden undichte Gefäße ärztlich verschlossen, um weitere Blutungen und Ablagerungen zu verhindern. In der Folge entstehen Narben, die zu einer Verminderung des Wachstums der Gefäßwucherungen führen. Alternativ oder in Kombination mit dem Laser kann eine intravitreale Injektion (IVOM) von VEGF-Hemmern (Ranibizumab (Ranivisio von ratiopharm, Lucentis von Novartis und Generika, Aflibercept (Eylea von Bayer Vital und Generiak)) in Betracht gezogen werden. Außerdem wird im Off-label-use Bevacizumab eingesetzt, ebenfalls per IVOM. Falls die Therapie mit VEGF-Hemmern nicht oder nicht ausreichend anschlägt, kann eine intravitreale Therapie mit Kortisonpräparaten erfolgen. Allgemein sind diese Art der Injektionen wirksam und helfen das Sehvermögen zu verbessern. Schwere Komplikationen treten nur sehr selten auf.

Extrahiert:
  • Die diabetische Retinopathie ist Spätfolge eines Diabetes Mellitus.
  • Die Erkrankung läuft zunächst unbemerkt und schleichend ab, trotzdem wird die Netzhaut bereits geschädigt.
  • Diabetiker solltest du schon bei der Erstvorlage eines Rezepts darauf hinweisen, dass sie nicht nur auf ihre Grunderkrankung, sondern auch auf ihre Augen achten sollen.
  • Berichten Diabetes-Erkrankte von Sehschwierigkeiten, Unschärfe und Verlust des Farbsehens, solltest du sie schnell in augenärztliche Behandlung schicken.