Welt Lepra-Tag am 29. Januar: Eine Krankheit der Armen

An jedem letzten Sonntag im Januar - dieses Jahr am 29. - wird der Welt-Lepra-Tag begangen. Er soll das Augenmerk auf eine Krankheit lenken , die vor allem im globalen Süden ein großes Problem darstellt. Warum das so ist und was gegen diese Geißel unternommen wird, liest du in diesem Artikel.

Im Filmklassiker „Papillon“, gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Henri Charriere, sitzt Steve McQueen – er spielt den entflohenen Papillion – in einem dunklen und feuchten Dschungelcamp in Französische-Guyana einem Mann gegenüber, der ihm bei seiner weiteren Flucht aus einer Strafkolonie helfen könnte. Aber der will eine Art Treuebeweis und bietet ihm einen tiefen Zug aus der Zigarre an, die er gerade raucht. Das Problem: McQueen sitzt einem Menschen gegenüber, der Boss eines Aussätzigenlagers ist. Fast alle dort haben Lepra. Papillon greift zu, die Freiheit ist ihm wichtiger …

Immer wieder macht man in Filmen und Erzählungen auf ähnlich schaurige Weise Bekanntheit mit dem Leiden. Die Darstellungen sind ein Reflex auf die Zeit, in der die Krankheit große Verbreitung hatte und nicht geheilt werden konnte, so in Altertum und Mittelalter. Doch während Zuschauer sich beim Anblick von Filmen wie „Papillon“ oder „Ben Hur“ – auch darin gibt es eine Lepra-Episode – höchstens über die Prüfungen vergangener Zeiten gruseln, ist Lepra für die Menschen des sogenannten globalen Südens weiterhin bittere Realität. Einige der Länder mit den höchsten Raten von Lepra weltweit sind Indien, Indonesien, Brasilien, Myanmar und Nepal. Zum Glück sinkt die Zahl Jahr für Jahr auch hier. Zählte die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) im Jahr 2019 rund 200.000 neu Erkrankte, waren es 2021 weniger als 130.000 – allerdings: Die Dunkelziffer ist hoch. In diesen Regionen tritt die Krankheit hauptsächlich in ländlichen Gebieten und bei armen Bevölkerungsgruppen auf. Dagegen werden – im Gegensatz zu vergangenen Zeiten – in Europa jährlich nur wenige hundert Fälle von Lepra gemeldet. Die meisten davon betreffen Personen auf, die aus Ländern stammen, in denen die Krankheit häufiger vorkommt und die nach Europa immigriert sind.

Ursachen, Symptome, Behandlung

Ist die Menschheit mit dem Rückgang der Erkrankungsfälle auf der Siegerstraße? Werfen wir zunächst einen Blick auf Ursachen, Symptome und Folgen der Lepra.

Die Ursachen der Lepra sind in ihren physiologischen und mikrobiologischen bzw. genetischen Dispositionen und Prozessen noch nicht vollständig verstanden, fest steht jedoch, dass sie durch das Bakterium Mycobacterium leprae verursacht wird, das hauptsächlich durch direkten Kontakt von Haut oder Schleimhäuten mit infizierten Personen übertragen wird. Dabei ist das Bakterium eher schwach ansteckend, eine einmalige Exposition reicht bei weitem nicht, um sich zu infizieren – was wohl auch das Glück des besagten Papillon war, der sich schließlich nicht ansteckt. Der Erreger wächst langsam - die Inkubationszeit kann deshalb Jahre betragen – und siedelt sich in den Nervenenden und in bestimmten Hautbereichen an. Die Medizin unterscheidet mindestens vier Stadien, nämlich das Frühstadium, das sogar mit einem spontanen Abheilen enden kann, sowie die tuberkuloide, Borderline- oder lepromatöse Lepra, wobei letztere die schwerste Form darstellt. Grundsätzlich sterben bei der Erkrankung die Nervenenden ab, kapillare Blutgefäße verstopfen durch eine Verdickung des Blutes. Damit einher geht der Verlust von Schmerz- und Temperaturempfinden. Kommt es zu kleineren alltäglichen Verletzungen, bleiben diese unbemerkt und können sich infizieren. Mitunter sterben Teile betroffener Gliedmaßen oder Akren, etwa Nase und Ohren, durch die Entzündungen ab. Diese Ursachenkette führte zu der Mutmaßung, Lepra führe zum Abfallen von Gliedmaßen – dabei war dies eine Folge der Entzündungsprozesse.

Lepra ist alt – eine wahre Menschheitsgeißel. Nachweise und Berichte stammen bereits aus der ägyptischen und griechisch-römischen Antike, in der Bibel kümmert sich Jesus um die Aussätzigen, und manche bezeichnen sie gar als „älteste Krankheit der Welt“. So deuten einige Quellen darauf hin, dass die Krankheit schon mehrere tausend Jahren existierte, bevor sie von den Ärzten des Altertums beschrieben wurde. Der Nachweis des Erregers Mycobacterium leprae gelang schließlich dem Norweger Gerhard Armauer Hansen im Jahr 1873.

„Aussatz“ – ein Wort, das Erkrankung und Behandlung gleichermaßen bezeichnete

Mangels ursächlicher Behandlung wurden Lepra-Patienten in der Vergangenheit oft stigmatisiert und isoliert. Die deutsche Bezeichnung „Aussatz“ weist auf die bevorzugte Behandlungsmethode hin: Die Erkrankten wurden abgesondert und an abgelegen Orten bzw. in isolierten Häusern untergebracht, oft heruntergekommenen Verliesen, weit von ihren ehemaligen Wohnorten entfernt. Doch Isolierung von Lepra-Patienten ist kein Phänomen der Vergangenheit. In Spanien existiert ein Sanatorium, in dem wenige, sehr alte Betroffene gepflegt werden, weil man sie nach jahrzehntelanger Isolierung nicht mehr in ein eigenständiges Leben entlassen zu können glaubt. Ähnliches gilt für eine Einrichtung in Rumänien. Und was die Stigmatisierung und Diskriminierung angeht, so schaffte Japan erst 1996 ein Gesetz ab, das die Inhaftierung und Zwangssterilisierung von Leprakranken vorsah. In Indien soll es noch immer 700 Kolonien für Leprakranke geben. In einigen Kulturkreisen wird Lepra weiterhin als Strafe Gottes für Sünden auf Erden gesehen. Erst 2018 änderte das indische Parlament ein Gesetz, das eine Lepra-Erkrankung des Partners als akzeptierten Grund für eine Scheidung ansah.

In den besonders betroffenen Ländern, dort, wo die Lepra endemisch ist, werden Erkrankte nach wie vor aus ihren meist dörflichen Gemeinschaften ausgegrenzt und können kaum ein erträgliches Leben führen. Anil Fastenau, Global Health Berater bei der DAHW Deutschen Lepra und Tuberkulosehilfe e.V.: „Wir wissen aus unserer Arbeit vor Ort, dass die mit der Krankheit verbundene Stigmatisierung eines der größten Hindernisse bei der Bekämpfung der Lepra ist. Das Stigma hält betroffene Menschen davon ab, Hilfe zu suchen, und verzögert so die Lepra-Diagnose und -Behandlung.“ Die Folge: Weil man die Patienten nicht findet, schreitet die Krankheit fort, es kommt zu Neuansteckungen. Ein Teufelskreis.

Lepra ist gut behandelbar. Sofern man die Patienten ausfindig machen kann.

Dabei gibt es seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wirksame Therapien gegen Lepra, einschließlich der Verwendung von Antibiotika, die die Vermehrung des Bakteriums stoppen und die Symptome lindern können. Die am häufigsten verwendeten Medikamente sind Dapsone, Rifampicin und Clofazimin, teilweise wird auf Prednison und Thalidomid zurückgegriffen. Letzteres wird nur unter strikter Kontrolle angewandt, weil der Wirkstoff Anfang der 60er Jahre Auslöser des Contergan-Skandals mit schweren Fehlbildungen bei Neugeborenen war.

Aber wie war das jetzt mit der „Siegerstraße“ von weiter oben? Steht die Lepra vor der Niederlage? Es gibt weltweit zahlreiche Initiativen, die der Lepra den Kampf angesagt haben, hierzulande etwa die bereits oben erwähnte DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V., die mit Forschung und vielfältigen Projekten Betroffenen in den Ländern des globalen Südens hilft. Medikamente allein, so die Erkenntnis der DAHW, helfen nicht, es bedarf integrierter Konzepte und Herangehensweisen, die auch regionale, soziale und psychologische Faktoren berücksichtigen. Beim Nürnberger Verein betrachtet man Lepra darüber hinaus auch nur als eine von mehreren „vernachlässigten Tropenkrankheiten“ (neglected tropical diseases – NTD). DAHW Vorstand Patrick Georg verweist auf Rückschläge durch die Corona-Pandemie und fordert: „Es kann nicht sein, dass uns fehlende Ressourcen daran hindern, NTDs weiter zu bekämpfen und einzudämmen. Wir müssen die Verzögerungen und Störungen durch die Pandemie wieder aufholen und mit konzentrierten Maßnahmen und einer nachhaltigen Finanzierung unseren Weg weitergehen, bis wir die Ziele der Roadmap 2030 erreicht haben.“ In dieser Roadmap hat die WHO für jede der 20 identifizierten NTDs krankheitsspezifische Ziele bis 2030 festgelegt. Darin wurde das Ziel definiert, die Lepra Schritt für Schritt in den endemischen Ländern zu eliminieren – und sie bis 2035 weltweit auszurotten.

Zu hoffen bleibt, dass das gelingt – der Welt-Lepra-Tag am 29. Januar kann dabei helfen.

Extrahiert
  • Lepra ist heute vornehmlich eine Krankheit, an der Menschen des sogenannten Globalen Südens leiden. Sie ist stark mit Armut assoziiert. In Europa spielt sie keine Rolle mehr.
  • Die Krankheit ist mit Antibiotika und anderen Medikamenten gut behandelbar. Vorausgesetzt, man findet die Erkrankten bzw. gelangt zu ihnen.
  • Wegen der Stigmatisierung von Lepra-Kranken, zeigen diese die Tendenz, sich zurückzuziehen und auf Behandlungen zu verzichten. Deshalb ist der Kampf gegen die Stigmatisierung ein Schwerpunkt heutiger Leprahilfe.
  • Die WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die Lepra bis zum Jahr 2035 auszurotten.