Schnelltests und Apotheken: „Wenn wir nichts machen, machen es andere“

Dr. Björn Schittenhelm hat drei Apotheken in Holzgerlingen und Esslingen. Bundesweit bekannt geworden ist er aber als der erste Apotheker, der in Deutschland ein Corona-Schnelltestzentrum eröffnete. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Dr. Schittenhelm, Sie gelten als der erste Apotheker in Deutschland, der ein Corona-Schnelltestzentrum eröffnet hat. Wie kam es dazu?

Das stimmt, das war am 21. Dezember 2020, kurz vor Weihnachten. Ich wollte schon im vergangenen Jahr was bewegen und habe mich von meinem Pioniergeist treiben lassen. Mit Erfolg: Damals hat mich das Gesundheitsamt des Landkreises Böblingen damit beauftragt, ein Corona-Schnelltestzentrum auf die Beine zu stellen. Heute braucht man diese Beauftragung nicht mehr. Ich bin froh, diesen Weg gegangen zu sein.

Was war und ist Ihre Motivation?

Meine Motivation ist, dass ich wieder Urlaub machen will. Je mehr wir testen und auch impfen, desto wahrscheinlicher werden Öffnungen und Reisen. Und ich möchte das nicht nur für mich, sondern auch für die Bevölkerung. Die Menschen haben sich einen Urlaub verdient. Wir alle wollen zurück zur gewohnten Normalität.

Sie haben auch weitere Kolleg*innen dazu ermuntert, aktiv zu werden und Testzentren zu eröffnen.

Ich habe mit ihnen gesprochen und auf diese Möglichkeit hingewiesen. Natürlich standen wir danach im Austausch, ich habe versucht, meine Erfahrungen weiterzugeben. Dadurch sind in der Folge im Umkreis von Böblingen noch mal fünf Testzentren entstanden im Januar und Februar. Ich wünschte, dass mehr Kolleg*innen initiativ werden und handeln.

Was empfehlen Sie ihnen?

Machen, machen, machen! Daran führt kein Weg vorbei. Im ersten Lockdown habe ich zusammen mit meinen Mitarbeiter*innen fast industrieartig Desinfektionsmittel hergestellt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, davon bin ich überzeugt. Wir Apotheker*innen sind kaum sichtbar, nur wer macht, kann das auch ändern. In der Pandemie können wir uns zeigen. Wenn wir nichts machen, machen es andere und wir dürfen uns dann später auch nicht wundern, dass die Politik nicht auf unsere Wünsche eingeht.

Wie kann man sich den Ablauf in Ihrem Testzentrum vorstellen, können Sie das kurz erläutern?

Unser Testzentrum ist von 17 bis 19.30 Uhr geöffnet. Vieles ist digitalisiert, etwa die Terminvergabe. Das erleichtert vieles, eine Zettelwirtschaft ist nicht notwendig und auch überhaupt nicht zu empfehlen. Die Verweilzeit beträgt drei bis vier Minuten pro Person. Sieben bis acht Personen arbeiten im Zentrum als Tester, dadurch schaffen wir bis zu 100 Tests pro Stunde. Auch das Ergebnis bekommt man online übermittelt. Da wir eine Schnittstelle zum Gesundheitsamt haben, wird es zeitgleich ebenfalls informiert, sobald ein Test positiv ausfällt.

Testet auch Ihr Apothekenpersonal? Sie haben ja rund 80 Mitarbeiter*innen insgesamt.

Ja, einige Mitarbeiter*innen helfen im Testzentrum gerne mit. Allerdings besteht der Großteil aus ehrenamtlichen Helfer*innen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Kürzlich ist die Coronavirus-Testverordnung (TestV), die das Honorar regelt, in Kraft getreten. Wie funktioniert die Kostenabrechnung für Sie, aber auch die Ehrenamtler*innen?

Genau, nun können wir die Tests ganz normal über die Krankenversicherung (KV) abrechnen. Für das Testen an sich erhalten wir aktuell zwölf, für die Sach- und Beschaffungskosten, sprich das Testkit, neun Euro. Ab April wird sich letzteres allerdings ändern. Dann erhalten wir nur noch sechs Euro. Die Ehrenamtler*innen erhalten eine Pauschale über das DRK. Sie sind bei uns auch in der Mehrzahl im Einsatz.

Die Pandemie dauert nun schon seit fast einem Jahr an. Wie erleben Sie sie, worin bestehen die Herausforderungen?

Ich fühle mich fast schon nicht mehr als Apotheker, sondern als eine Art Pandemie-Beauftragter. Die Herausforderung besteht darin, den Apothekenbetrieb nicht zu stören. Das geht in meinen Augen nur durch mehr Testzentren. Viele Kolleg*innen wollen in der Apotheke testen. Das Testen sollte aber meiner Meinung nach vom Tagesgeschäft abgekoppelt werden, denn das ist unwirtschaftlich und nicht zielführend. Sobald sie die ersten Schwierigkeiten sehen, lassen sie es lieber ganz sein. Als Apotheker*innen denken wir oftmals zu klein. Dadurch bleibt viel Potenzial ungenutzt, auch finanziell betrachtet. In der Pandemie können wir für solch eine Dienstleistung wie das Testen flächendeckend honoriert werden, da habe ich wenig Verständnis dafür, wenn man nicht alles probiert.

Verweilen zu viele in ihrer Komfortzone?

Ja, so kann man das durchaus sagen. Klar haben wir keinen einfachen Job. Aber ich kann mich nur wiederholen. Machen, machen, machen, einfach anfangen, sich nicht zu sehr von möglichen bürokratischen Hürden abhalten lassen.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Dr. Schittenhelm!