Herausforderung Impfen – Mit der Angst der Kunden erfolgreich umgehen
Auch wenn es noch keine gültigen Honorarvereinbarungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Apothekerschaft gibt: Spätestens mit Beschluss des Pflegebonusgesetzes wird das Impfen weiter Einzug in Apotheken halten, denn:
Nun dürfen auch Apotheker Grippeschutzimpfungen verabreichen. Damit kommen neue Herausforderungen auf sie zu.
Regionale Modellprojekte testen die Apotheken-Grippeimpfung bereits seit März 2020. Hinzu kommt die Impfung gegen das SARS-CoV-2 Virus, die seit Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Dezember 2021 ebenfalls möglich ist. Um Impfen zu dürfen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Etwa eine erfolgreich absolvierte ärztliche Schulung oder die Zugehörigkeit zum Personal der impfenden, öffentlichen Apotheke, um hier nur zwei zu nennen. Ziel ist, die Impfquote zu steigern. Das gilt gerade für das kommende Herbst- und Winterhalbjahr, für das Experten eine deutlich höhere Zahl von Grippefällen voraussagen als in den vergangenen beiden Jahren. Apotheken können dieser Herausforderung nahezu ideal begegnen, bieten sie als wohnortnahe Gesundheitseinrichtung zusammen mit ihren Öffnungszeiten doch einen niedrigschwelligen Zugang zur Impfung. Dazu kommen kurze Wartezeiten vor Ort, die deutlich angenehmer sind als langes Verweilen im Wartezimmer der Arztpraxis.
Woher kommt die Impfangst?
Zahlreiche impfende Apotheker machen jedoch die Erfahrung, dass der „Pieks“ bei einigen Menschen nicht gut ankommt, sie haben Angst davor. Das ist eine Herausforderung für Apotheker und Kunden.
An Trypanophobie – Angst vor Spritzen und Injektionen – leidende Personen verweigern oft den Gang zum Impfen. Damit fehlt ihnen ein wichtiger Schutz. Es ist jedoch ein weit verbreitetes Phänomen, etwa drei bis zehn Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Die Symptome reichen von leichtem Unwohlsein bis hin zu Panikattacken.
Ursache und Beginn liegen meist in der Kindheit, können erlernt sein und stellen teilweise ein evolutionäres Erbe dar. Auf der Website des Bundes „Zusammen gegen Corona“ erläutert der Psychologe und Experte für Angststörungen Prof. Borwin Bandelow, dass ein wichtiger Grund für die Impfangst in der Urzeit liege: „Blut- und Verletzungsphobien, zu denen auch die Trypanophobie gehört, gibt es schon sehr lange. Damals galt: Tiere und Menschen, die sich zu oft verletzt haben, sind früher gestorben – bei diesen Ängsten handelt es sich also um ganz natürliche Schutzfunktionen.“
Was tun?
Wer es trotz mulmigen Gefühls freiwillig zum Impfen schafft, ist echten Angstpatienten einen großen Schritt voraus. Der Impfling weiß in der Regel, worauf er sich einlässt und was ihn erwartet, sein Entschluss, sich dem schützenden Piekser zu stellen, steht fest. Anders sieht es bei Personen aus, die zum ersten Mal zur Grippeschutzimpfung kommen oder bei denen deutliche Anzeichen von Nervosität festzustellen sind. Wie kann man diesen Menschen helfen?
Bei derartigen, eher leichten Formen der Impfangst wirken ein emphatisches Gespräch und Verständnis beruhigend. Solche Maßnahmen schaffen eine Vertrauensbasis, denn Befürchtungen ernst zu nehmen und offen über Ängste zu sprechen, signalisiert Offenheit und nimmt einen Teil der Anspannung. Professor Bandelow rät seinen Patienten, vor dem Setzen der Nadel kurz an etwas anderes, Schönes zu denken: „Zum Beispiel an eine Sonneninsel. Die meisten von ihnen merken dann noch nichts einmal etwas vom Stich.“
Ein Glas Wasser oder Traubenzucker und das Angebot sich hinzulegen, helfen zusätzlich und beugen einem drohenden Blutdruckabfall vor. Oft hilft auch das Angebot, in Begleitung zur Impfung zu erscheinen. Andere befreit das Erlernen von Atem- und Entspannungstechniken von ihrer Anspannung. Die Vorbehandlung der Einstichstelle mit speziellen Pflastern oder Cremes, die einen örtlich betäubenden Wirkstoff enthalten, lindert Schmerzen und kann so langfristig die Angst verringern. In sehr ausgeprägten Fällen kann eine Verhaltenstherapie angezeigt sein. Die hilft dann nicht nur, die Grippeimpfung zu überstehen, sondern entspannt das Verhältnis zu medizinischen Eingriffen generell. Problem: Das wird dauern und kommt für die Grippeschutzimpfung in diesem Herbst vielleicht etwas zu spät.
Ein Hinweis zum Schluss: Macht der Impfling einen hypernervösen Eindruck oder bejaht auf Nachfrage, bei einer Impfung schon einmal ohnmächtig geworden zu sein, sollte die Impfung vielleicht besser in einer Arztpraxis erfolgen. Dort kann man Ursache, Verlauf und Folge einer Ohnmacht eventuell besser begegnen.
Wie sieht es in eurer Apotheke aus? Bietet ihr die Grippeschutzimpfung trotz fehlender Kostenregelung auf privater Basis bereits an? Und falls ihr damit schon begonnen habt, konntet ihr schon Erfahrungen mit Impfängsten sammeln? Wie habt ihr die Patienten beruhigt?
Extrahiert:
- Vertrauen durch Empathie schaffen
- Kunden/Kundin ablenken und beruhigen
- Dazu raten, langfristig bestimmte Entspannungstechniken zu erlernen