Klimawandel und die Folgen auf Allergien

Der Einkauf von Antiallergika wird üblicherweise an die Pollensaison angepasst. Doch künftig dürfte zu erwarten sein, dass immer mehr Antiallergika bereits im Januar über den HV-Tisch gehen. Grund: der Klimawandel.

Klimakleber, Greta Thunberg, CO2-Ausstoß – wenn wir diese Namen und Begriffe hören, dann denken wir unweigerlich an den Klimawandel. Der beeinflusst auch unsere Gesundheit, beispielsweise, indem er seinen Beitrag zum immer früheren Beginn der Allergiesaison leistet. Zwar kommt uns immer noch der Frühling in den Sinn, wenn wir an Pollenallergien denken. Aber diese gedanklichen Verknüpfungen dürften sich bald ändern, falls dies noch nicht geschehen ist.

Klimawandel beeinflusst Pollenflugzeit

Denn Fakt ist, dass durch die Klimaerwärmung Pflanzen früher blühen und folglich Pollen sehr viel eher in der Luft und der Umgebung zu finden sind. „Pflanzen reagieren deutlich auf den bereits eingetretenen Wandel, insbesondere auf den Anstieg der Lufttemperatur. Dabei verändert sich über die Zeit nicht nur die Pollenmenge, sondern vor allem auch das Auftreten der Pollen im Jahresverlauf“, schreibt die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) auf ihrer Website. Häufig komme es zu einer schrittweisen Vorverlagerung des Blühzeitraums der betreffenden Pflanzen, wodurch sich über die Jahre auch der Zeitraum der Pollenexposition verschiebe.

Unterschiede in Groß- und Kleinstädten sowie Dörfern

In den Städten beginnt der Pollenflug früher als auf dem Land, was ebenfalls auf die dortige höhere Temperatur sowie Wärmeverdichtung zurückzuführen ist. Zudem sensibilisieren sich Menschen in Großstädten häufiger gegen Baum- und Gräserpollen als in Kleinstädten und Dörfern. Doch woran liegt das? Eine aktuelle Untersuchung aus dem vergangenen Jahr kommt zu dem Ergebnis, dass Luftschadstoffe, insbesondere Feinstaub und Stickoxide, die Allergene in den Birkenpollen chemisch verändern, sodass diese eine höhere Allergenität erreichen. Beispielsweise produziert Ambrosia artemisiifolia (Beifußblättriges Traubenkraut) bei hoher CO2-Konzentration mehr Biomasse und 61 bis 90 Prozent mehr Pollen, was durch das frühe vegetative Wachstum im Frühjahr aufgrund der höheren Temperatur erleichtert wird. Außerdem ist bekannt, dass das Treibhausgas CO2 die Photosynthese stimuliert und ein Pflanzenwachstum verursacht.

Neben einer verstärkten Allergenität der Pollen verändern sich der ECARF zufolge auch Entzündungen der Schleimhäute durch Luftschadstoffe, wodurch die Betroffenen verstärkt die typischen Symptome von Juckreiz an Nase und Auge, Augenrötung und Naselaufen, Fließnase und Asthmabeschwerden haben. Hintergrund ist, dass die Luftschadstoffe die Konzentration an Stress-Proteinen erhöhen.

Früherer Pollenflug auch in 2024?

Wie sich die Pollensaison im Laufe des Jahres entwickelt, kann nicht vorausgesagt werden. „Eine sichere Prognose für das das Jahr 2024 kann Anfang Januar noch nicht gegeben werden. Es ist damit zu rechnen, dass die frühblühenden Baumpollen, insbesondere Haselnuss, Erle und Birke, wieder früher als noch vor fünf bis zehn Jahren ihren Flug beginnen. Dies hängt allerdings sehr stark von der jeweiligen Witterungslage ab. Die Stiftung Deutscher Polleinformationsdienst (PID) gibt eine sehr gute jeweilige Wochenprognose ab“, teilt Professor Dr. med. Karl-Christian Bergmann, Klinischer Direktor ECARF, auf Anfrage mit. Um regelmäßig über die aktuellen Pollenflugdaten informiert zu werden, empfiehlt er, den Newsletter über die Website zu abonnieren.

Diese Pflanzen blühen im Winter

Die wichtigsten allergieauslösenden Pflanzen beziehungsweise deren Pollen sind Hasel, Erle, Birke, Esche, Gräser, Beifuß und Ambrosia. Aber auch andere Bäume wie Buche und Eiche gewinnen dem Experten zufolge zunehmend an Bedeutung. „Durch den Klimawandel fliegen insbesondere die Pollen der Bäume deutlich früher als noch vor circa fünf bis zehn Jahren, während sich die Gräserpollen im zeitlichen Auftreten nur wenig verändern. Die Kräuterpollen (Beifuß und Ambrosia) fliegen aufgrund der wärmeren Herbstmonate länger als früher üblich.“


Professor Dr. med. Karl-Christian Bergmann arbeitet am Institut für Allergieforschung (IFA) der Charité – Universitätsmedizin Berlin und ist Klinischer Direktor der ECARF. Zu seinen klinischen Schwerpunkten gehören Immunologie, Allergologie und Pneumologie. (Foto: ECARF)

Unterstützung für Betroffene

Pollenflugkalender können bei der Prävention, beim Umgang mit pollenbedingten allergischen Erkrankungen sowie der dazugehörigen Therapie helfen. Durch Umwelt- und Klimaveränderungen bedingt, verändert sich der Pollenflug über die Jahre. Daher werden diese Kalender regelmäßig aktualisiert, wie Bergmann bestätigt. „Etwa alle vier bis fünf Jahre hat sich der Pollenflug durch den Klimawandel so geändert, sodass ein neuer Pollenflugkalender von der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) neu errechnet und publiziert wird. Gegenwärtig ist der Pollenflugkalender 5.0 von Bedeutung“, erklärt er.

Folgende Empfehlungen kann der Experte für Betroffene, die unter Heuschnupfen leiden, geben:

  • Seien Sie sicher, durch welche Pollen Ihre Beschwerden ausgelöst werden. Hierzu bedarf es einer sorgfältigen Diagnose.
  • Informieren Sie sich über den Flug „Ihrer“ Pollen, zum Beispiel über die Wochenpollen Flugvorhersage des PID.
  • Laden Sie sich eine App (z. B. „Husteblume“ der Techniker Krankenkasse) auf ihr Handy, auf der sie ihre Symptome eingeben können und zugleich die Pollenflugvorhersage erhalten.
  • Lassen Sie sich ärztlich beraten, welche neuen antiallergischen Medikamente es gibt und ob für Sie eine sogenannte Allergenspezifische Immuntherapie sinnvoll ist.


Der Klinische Direktor der ECARF fasst zusammen: „Je mehr Sie über Ihre Allergie wissen, desto weniger leiden Sie“ – ein essenzieller Tipp auch für die pharmazeutische Beratung. Denn wenn die Patientinnen und Patienten ermutigt werden, sich intensiver mit ihrer Krankheit zu beschäftigen, dürfte das nur zu ihrem Gunsten sein.

Deshalb empfiehlt Bergmann auch, die Pollenflugvorhersage zu nutzen, die Symptome auf einer App zu registrieren und damit zugleich die wichtigsten, auch nichtmedikamentösen, Maßnahmen zu kennen. „Durch die Benutzung der genannten App ist es bereits Tausenden von Menschen möglich geworden, weniger Symptome während der Heuschnupfen Zeit zu erleiden“, berichtet er.