Wochenrückblick: Grippesaison, Millionenstrafe für dünne Lagerbestände, EU vertraut Pharmasektor
Die Grippesaison steht an, doch ein Landesapothekerverband hat eine gewisse „Impfmüdigkeit“ festgestellt. In Frankreich werden mehrere Pharmaunternehmen zur Kasse gebeten. Das und Weiteres findest du im Wochenrückblick.
Grippeimpfung jetzt verfügbar
Die Grippeimpfstoffe seien für die aktuelle Saison in ausreichendem Maße verfügbar, stellte der Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt in dieser Woche fest. Sie würden von den Arztpraxen bereits abgerufen. Allerdings sei in diesem Jahr weniger Impfstoff vorbestellt worden als in den Vorjahren. Dies könne auf eine gewisse „Impfmüdigkeit“ zurückzuführen sein, die nach der Pandemie vor allem bei jüngeren Menschen beobachtet werde. Ältere und chronisch Kranke, die besonders von einer Influenzaimpfung profitieren, zeigten hingegen stärkeres Interesse. Für Apotheken, die Grippeimpfungen anbieten, ist es wichtig, über den aktuellen Stand informiert zu sein: Derzeit treten Influenzainfektionen nur vereinzelt auf, aber eine rechtzeitige Impfung bietet den bestmöglichen Schutz für die kommende Grippesaison.
AMIRA rät: Ihr solltet darauf hinweisen, dass insbesondere Senioren, chronisch Kranke und Risikogruppen die Impfung frühzeitig in Anspruch nehmen. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.
Unzureichender Lagerbestand: Drastische Strafe für Pharmaunternehmen
Elf Pharmaunternehmen, darunter Biogaran und Sandoz, wurden in Frankreich wegen unzureichender Lagerbestände lebenswichtiger Medikamente mit einer Strafe von insgesamt acht Millionen Euro belegt. Als Grund dafür wurden Lieferengpässe angegeben, die 2023 in 5.000 Fällen aufgetreten seien – was einem Anstieg von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gleichkomme. Seit 2021 müssen Hersteller in Frankreich für 750 wichtige Medikamente einen viermonatigen Vorrat vorhalten. Die betroffenen Medikamente umfassen unter anderem Blutdrucksenker und Arzneimittel für Menschen mit Krebserkrankungen. Während Biogaran die Strafe als unangemessen kritisierte, begrüßten Patientenverbände die Maßnahme als notwendigen Schritt.
AMIRA will wissen: Sollte es eine ähnliche Vorrats-Regelung auch hierzulande geben?
Deutsche Krebshilfe: 50 Jahre Einsatz für den Kampf gegen Krebs
Private Initiativen oder Stiftungen sind ehrenhaft, aber nützen wenig? Von wegen! Schauen wir genau 50 Jahre zurück. Da gründete, 1974 war das, Mildred Scheel, Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel und selbst Ärztin, die Deutsche Krebshilfe. Scheel setzte ihre Position als First Lady ein, um das Thema Krebs, das damals noch stark tabuisiert war, in die Öffentlichkeit zu rücken. Noch in den Anfängen der Hilfe war die Versorgung krebskranker Menschen schlecht, und Therapiemöglichkeiten waren begrenzt. Durch ihre Initiative ist es der Krebshilfe nach und nach und mit großem Erfolg gelungen, Forschung zu fördern und Patient:innen zu unterstützen. Heute finanziert sich die Organisation ausschließlich durch Spenden und ist der größte private Förderer der Krebsforschung in Deutschland. Mit einem Jahresbudget von 157,7 Millionen Euro unterstützt die Krebshilfe 177 Projekte, bietet Aufklärung und unterstützt Betroffene. Die Prävention bleibt eine Herausforderung, da rund 40 Prozent der Krebserkrankungen durch gesunde Lebensführung vermeidbar wären. Heutige Präsidentin der Deutschen Krebshilfe ist die Violinistin Anne-Sophie Mutter, die in den 90er Jahren ihren damaligen Mann an den Krebs verlor. Die Star-Violinistin wird anlässlich der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Deutschen Krebshilfe am 1. Oktober in der Berliner Philharmonie auftreten.
EU will Pharmaindustrie als Zugpferd nutzen
Die EU plant offenbar, den Pharmasektor zur Stärkung der europäischen Wirtschaft zu nutzen. EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hat eine umfangreiche Agenda zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung vorgelegt, die Themen wie Arzneimittelengpässe, Cybersicherheit und das EU-Pharmapaket umfasst. Der ungarische Politiker Olivér Várhelyi ist als Gesundheitskommissar vorgesehen, muss jedoch noch die Zustimmung des EU-Parlaments erhalten.
Ein Bericht von Mario Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank sowie einstiger italienischer Regierungschef, betont die Notwendigkeit von Investitionen in Forschung, kürzeren Zulassungszeiten für Medikamente und besserer Nutzung von Gesundheitsdaten, insbesondere durch Künstliche Intelligenz. Draghi plädiert für eine bessere Vernetzung der EU-Gesundheitssysteme, eine EU-Agentur für klinische Studien und stabilere Lieferketten durch internationale Partnerschaften.
Gefahr für Kinder und Jugendliche I: Social Media
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen immer mehr Jugendliche in Europa Schwierigkeiten, ihre Social-Media-Nutzung zu kontrollieren. Eine aktuelle Studie des WHO-Regionalbüros Europa ergab, dass inzwischen über 11 Prozent der Jugendlichen ein problematisches Social-Media-Verhalten aufweisen – ein Anstieg von 7 Prozent im Vergleich zu 2018. Mädchen sind dabei mit 13 Prozent stärker betroffen als Jungen (9 Prozent). Zusätzlich gibt die WHO an, dass 12 Prozent der Jugendlichen Gefahr laufen, ein problematisches Gaming-Verhalten zu entwickeln.
Die Organisation sieht in diesen Entwicklungen eine ernstzunehmende Bedrohung für die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden der Jugend in Europa. Die neuen WHO-Erkenntnisse sind Teil einer umfassenden Gesundheitsstudie, für die im Jahr 2022 fast 280.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 44 Ländern und Regionen in Europa, Zentralasien und Kanada befragt wurden. Als problematische Social-Media-Nutzung charakterisiertes Verhaltensmuster zeige sich, wenn man die Nutzung nicht mehr kontrollieren könne, Entzugserscheinungen zeige oder andere Aktivitäten vernachlässige.
Gefahr für Kinder und Jugendliche II: Immer häufiger Cannabis in Süßwaren entdeckt
In immer mehr Süßwarenprodukten, darunter Gummibärchen, Kaugummis, Honig und Kekse, wurden laut aktuellen Untersuchungen der EU Cannabinoide nachgewiesen, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in dieser Woche meldete. Besonders besorgniserregend sei, dass diese Produkte leicht mit herkömmlichen Süßigkeiten verwechselt werden können, was vor allem für Kinder ein Risiko darstellt. Im vergangenen Jahr wurden 20 solcher Fälle über das europäische Schnellwarnsystem RASFF gemeldet.
Neben dem nicht-psychoaktiven Cannabidiol (CBD) fand man auch das psychoaktive Hexahydrocannabinol (HHC) in einigen Proben. Der Verkauf von HHC ist in Deutschland mittlerweile untersagt. CBD hingegen darf nach wie vor nicht verkauft werden, da es bislang keine Zulassung als neuartiges Lebensmittel erhalten hat.
Der Anteil an Meldungen zu Cannabinoid-haltigen Produkten hat sich von drei Prozent im Jahr 2022 auf sechs Prozent im vergangenen Jahr verdoppelt. Insgesamt wurden über das RASFF-System knapp 4.700 Meldungen zu potenziell gesundheitsschädlichen Lebensmitteln und Futtermitteln registriert – ein neuer Höchststand. In vielen Fällen wurden die Waren nach Deutschland importiert, das als Hauptempfängerland in jeder fünften Meldung aufgeführt wurde.