Wochenrückblick: Deutscher Apothekertag, Kochsalzlösung wird knapp und Medizin-Nobelpreis
Diese Woche hob der Deutsche Apothekertag die wichtige Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten in der Prävention hervor. Gleichzeitig sorgten die sinkende Influenza-Impfquote und der Mangel an Kochsalzlösungen für Besorgnis. Ein Lichtblick: Der Medizin-Nobelpreis wurde für die Entdeckung der microRNA verliehen. AMIRA fasst zusammen: Eine Woche voller Herausforderungen und wissenschaftlicher Erfolge.
Deutscher Apothekertag in München
Auf dem Deutschen Apothekertag in München kritisierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, Apotheken ohne Apotheker zu betreiben. Sie forderte eine stärkere Einbindung der Apotheker in die Versorgung und warnte vor einer Reduzierung der Apotheken auf bloße Abgabestellen. Zudem wies sie auf den wachsenden Beratungsbedarf in einer alternden Gesellschaft hin. Overwiening sprach auch über die finanzielle Lage der Apotheken und kündigte ihre erneute Kandidatur als ABDA-Präsidentin an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte seine Reformpläne, während Bayerns Ministerin Judith Gerlach vor einer Schwächung der Apotheken warnte.
Prävention interprofessionell verantworten
Beim Deutschen Apothekertag wurde die Bedeutung der Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten in der Prävention betont. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening forderte eine bessere Vergütung für präventive Aufgaben in Apotheken, um diese niedrigschwelligen Angebote auszubauen. Professor Dr. Heribert Schunkert von der Deutschen Herzstiftung erklärte, dass die Kooperation insbesondere bei der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinnvoll sei. Professor Dr. Martin Schulz zeigte, dass Apotheken durch häufige Besuche der Patienten gut geeignet seien, Risikofaktoren wie Bluthochdruck zu erkennen. Auch der Allgemeinmediziner Professor Dr. Jörg Schelling befürwortete die Zusammenarbeit, betonte aber die Rolle der Hausärzte in der Therapie.
Impfmüdigkeit nimmt zu im Südwesten
Laut Angaben der Krankenkasse AOK von Anfang dieser Woche haben sich im vergangenen Jahr nur 10,5 Prozent ihrer Versicherten im Südwesten gegen Influenza impfen lassen – so wenige wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 lag die Impfquote noch bei 13,2 Prozent. Ihren Höchststand erreichte sie während der Coronapandemie im Jahr 2020 mit 15,3 Prozent.
Die AOK, die in Baden-Württemberg etwa 4,6 Millionen Versicherte zählt, deckt damit rund 46 Prozent aller gesetzlich versicherten Personen in der Region ab. Damit dürfte das Ergebnis repräsentativ für die gesamte Bevölkerung sein. Besonders betroffen ist die Gruppe der über 60-Jährigen: Obwohl hier traditionell mehr Menschen geimpft sind, liegt die Impfquote auch in dieser Altersgruppe auf einem Tiefstand. Im vergangenen Jahr ließen sich nur 30,1 Prozent der älteren AOK-Versicherten gegen Grippe impfen, während es im Jahr 2020 noch fast 40 Prozent waren. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt gerade für diese Altersgruppe die jährliche Grippeschutzimpfung.
Mit zunehmendem Alter und bei chronischen Erkrankungen lässt die Immunabwehr nach, wodurch Infektionskrankheiten wie die Grippe schwerwiegende Folgen haben können. Dazu zählen Lungenentzündungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und sogar Asthmaanfälle. „Gerade für ältere und chronisch kranke Menschen ist die Grippeschutzimpfung deshalb unerlässlich“, betont die Krankenkasse.
Aufreger: Auch Kochsalzlösung knapp
Der Apothekerverband Nordrhein warnte zu Beginn der Woche vor einem akuten Mangel an medizinischen Kochsalzlösungen, der inzwischen auch die Versorgung ambulanter Patienten betrifft. „Es gibt zurzeit viel zu wenig Kochsalzlösung“, erklärte Verbandschef Thomas Preis gegenüber der „Rheinischen Post“. Die Knappheit betreffe Krankenhäuser, die für Infusionen und Operationen auf die Lösungen angewiesen sind. Laut NRW-Gesundheitsministerium erhalten Kliniken seit Monaten nur noch etwa 80 Prozent ihres Bedarfs, zuletzt sogar nur noch 50 Prozent.
Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen warnt vor möglichen OP-Verschiebungen. Geschäftsführer Matthias Blum betonte, dass die Krankenhäuser seit Juni auf die Problematik aufmerksam gemacht hätten. Trotz der Lieferengpässe könne jedoch dank des Engagements der Kliniken eine Gefährdung der Patienten ausgeschlossen werden. Bundesgesundheitsminister Lauterbach kündigte an, kurzfristig den Import von Kochsalzlösungen aus dem Ausland zu erlauben bzw. auszuweiten.
Der Mangel an einer schlichten Kochsalzlösung wirft noch einmal ein Schlaglicht auf die zurzeit spürbaren Defizite bei der Medikamentenversorgung. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert derzeit knapp 500 Lieferengpässe für versorgungskritische Arzneimittel, teilte aber mit, dass zusätzliche Produktionskapazitäten in Deutschland aufgebaut werden, um die Situation schnellstmöglich zu entspannen.
AMIRA meint: Na, da sind wir ja beruhigt.
Medizin-Nobelpreis: Forschung an Fadenwürmern offenbart Rolle der microRNA
Am Montag wurden die Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Medizin, genauer gesagt, für Physiologie bekanntgegeben. Geehrt wurden die beiden US-amerikanischen Forscher Victor Ambros und Gary Ruvkun für ihre bahnbrechende Entdeckung der microRNA und deren Rolle bei der Genregulation. Die Forschung der beiden Wissenschaftler hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Medizin, insbesondere im Bereich der Behandlung und des Verständnisses von Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Autoimmunerkrankungen.
Die Entdeckung der microRNA im Jahr 1993 veränderte das Verständnis der Genregulation grundlegend. Ambros und Ruvkun stellten in ihren Untersuchungen an dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans fest, dass microRNA als „Schalter“ in der Zelle fungieren und die Aktivität anderer Gene steuern. Dieser Mechanismus ist auch für den Menschen von großer Bedeutung. Fehler in der Regulation durch microRNA können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben und sind mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert. So können Mutationen in microRNA-kodierenden Genen beispielsweise zu Krebs, angeborener Schwerhörigkeit oder Skelett- und Augenerkrankungen führen. Auch das seltene DICER1-Syndrom, das das Krebsrisiko in verschiedenen Organen erhöht, geht auf Defekte in Proteinen zurück, die an der microRNA-Produktion beteiligt sind.
Die Entdeckung von Ambros und Ruvkun galt zunächst als wissenschaftliche Kuriosität und stieß auf wenig Resonanz. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich herausgestellt, dass die microRNA eine entscheidende Rolle für die zelluläre Gesundheit und das Überleben spielt. Ihre Erforschung hat die Entwicklung neuer Therapieansätze, etwa im Bereich der Onkologie, ermöglicht. Ihre Entdeckung publizierten sie 1993 in der Fachzeitschrift Cell.
Die Zahnbürste, ein Virenparadies
Nun ja, wer schon mal eine Zahnbürste nach Dauergebrauch gesehen hat – mit abstehenden und gespreizten Borsten – der hätte es sich auch denken können: Die Dinger sind Virenparadiese. Jetzt haben Forscher entdeckt, dass sich auch auf ganz normalen, vermeintlich hygienischen Bürsten eine beeindruckende Vielfalt an Viren tummelt – mehr als 600 verschiedene Arten, um genau zu sein. Und nein, das sind nicht die üblichen Verdächtigen. Studienleiterin Erica Hartmann von der Northwestern University sagt: „Die Anzahl der Viren, die wir gefunden haben, ist absolut verrückt.“ Verrückt? Vielleicht. Bedrohlich? Zum Glück nicht. Denn die meisten dieser Viren sind ganz harmlos für uns – sie interessieren sich vielmehr für Bakterien, die sie infizieren und als Wirt benutzen, sind also sogenannte Bakteriophagen, die inzwischen als vielversprechende Waffe gegen Antibiotikaresistenzen gelten. In den Zahnbürsten und Duschköpfen der Studienteilnehmer fanden sich zahlreiche solcher Phagen, die besonders auf Mykobakterien spezialisiert sind – darunter Erreger von Krankheiten wie Lepra und Tuberkulose. Besonders interessant: Es gab kaum Überschneidungen zwischen den Proben. Jede Zahnbürste und jeder Duschkopf hatte seine ganz eigene mikrobiologische Signatur. Das Badezimmer ist offenbar ein biotopisches Freilandlabor, das uns täglich überrascht – und wir müssen nicht mal das Haus verlassen, um neues Leben zu entdecken. Also die Zahnbürste panisch wegwerfen jetzt? Keine Sorge! Die Forscher beruhigen: Einfach regelmäßig wechseln, und alles ist gut. Antimikrobielle Wunderputzmittel braucht es nicht, ganz im Gegenteil. Hartmann mahnt: „Je mehr man die Mikroben bekämpft, desto wahrscheinlicher entwickeln sie Resistenzen.“ Ein bisschen Seife, ein bisschen Entkalker, und schon haben Sie ein blitzsauberes Badezimmer ohne aufdringliche Mitbewohner.
AMIRA empfiehlt: Weiterputzen! Und der Kundschaft können wir mit dieser Information öfters mal einen Wechsel der Zahnbürste nahelegen.