Schwangerschaft: Wie viel Blutzucker ist kritisch?

Ein unentdeckter Schwangerschaftsdiabetes kann ernsthafte Folgen für die werdende Mutter und das ungeborene Kind haben. Ein einfacher oGGT-Test kann bei der Diagnostik helfen. Wie und wann wird er durchgeführt?

Ein Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes ist eine erstmals in der Schwangerschaft diagnostizierte Blutzuckerstörung. Die Körperzellen der werdenden Mutter werden zunehmend unempfindlicher gegen das blutzuckersenkende Hormon Insulin. Nach der Geburt bildet sich diese meistens wieder zurück, aber sie erhöht das Risiko von Geburtskomplikationen und das spätere Risiko der Mutter, einen Typ-II-Diabetes, ein metabolisches Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen zu entwickeln. Im Jahre 2021 waren in Deutschland circa 8,5 Prozent der Schwangeren davon betroffen, Tendenz ist steigend. Das liegt daran, dass auch unter Schwangeren bestimmte Risikofaktoren wie höheres Alter und Übergewicht öfter auftreten.

In der Schwangerschaft kann ein unentdeckter Diabetes zu vermehrten Harnwegs- oder Vaginalinfektionen, zu vorzeitigen Wehen oder Bluthochdruck bei der werdenden Mutter führen. Beim ungeborenen Kind führt das zu einem höheren Geburtsgewicht (meist mehr als 4000 Gramm), was wiederum zu Geburtskomplikationen (gefürchtete Schulterdystokie) oder zu einer Kaiserschnittentbindung führen kann. Direkt nach der Geburt haben die Säuglinge dann oft mit Hypoglykämien, Atemproblemen und/oder Neugeborenengelbsucht zu kämpfen.

Wie läuft so ein Test ab?

Die beste Möglichkeit einen Schwangerschaftsdiabetes festzustellen ist ein sogenannter oraler Glucosetoleranztest (oGGT). Dabei wird kontrolliert, wie der Körper mit einer größeren Menge Glucose zurechtkommt. Für Mutter und Kind ist der Test ungefährlich und natürlich freiwillig. Meist wird der Test zwischen der 24. und der 28. Schwangerschaftswoche in einer gynäkologischen Praxis durchgeführt, bei besonderen Risikofaktoren wie Übergewicht oder Bluthochdruck bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel.

Zunächst wird bei jeder Schwangeren ein sogenannter Vortest (Glucose-Challenge-Test, kurz GCT) mit einer Trinklösung, die 50 g Glucose gelöst in 200 ml Leitungswasser enthält, durchgeführt. Dieser kann unabhängig von der Nahrungsaufnahme und zu jeder Tageszeit gemacht werden. Nach einer Stunde wird aus der Vene Blut entnommen und der Blutzuckerwert bestimmt. Liegt dieser unter 
135 mg/dl (7,5 mmol/l) ist alles in Ordnung. Liegt der Wert über 200 mg/dl (11,1mmol/l), wird die Diagnose Gestationsdiabetes gestellt.

Bei Werten dazwischen, wird bald darauf an einem extra Termin (Zeitaufwand circa drei Stunden) ein oGGT durchgeführt. Dazu muss die Schwangere nüchtern sein, d. h. sie darf mindestens 8 Stunden vorher nichts mehr gegessen oder getrunken haben. Zuerst wird ein Nüchternzuckerwert bestimmt. Dieser sollte unter 92 mg/dl (5,1mmol/l) liegen. Im Anschluss muss eine Lösung aus 75 g Glucose in 300 ml Leitungswasser oder ein entsprechendes Fertigarzneimittel innerhalb von drei bis fünf Minuten getrunken werden. Dann wird abgewartet. In dieser Zeit sollte sich die Schwangere nicht körperlich anstrengen und nichts essen oder trinken. Schließlich wird nach einer Stunde erneut venöses Blut abgenommen und nach einer weiteren Stunde (zwei Stunden nach der Einnahme) ein drittes Mal. Die Werte sollten nach einer Stunde unter 180 mg/dl (10,0 mmol/l) und nach zwei Stunden unter 153 mg/dl (8,5 mmol/l) liegen. Wird einer dieser Werte überschritten, liegt ein Schwangerschaftsdiabetes vor. Dann wird die werdende Mutter zur Weiterbehandlung an eine diabetologische Fachpraxis überwiesen. Dort wird entschieden, ob eine alleinige Ernährungsumstellung ausreichend ist oder ob eine Einstellung mit Insulin erfolgt. Auf jeden Fall wird die Schwangere selbst ihren Blutzucker engmaschig kontrollieren müssen. Meist normalisieren sich die Werte nach der Entbindung schnell wieder. Beide Tests werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Zankapfel: Fertigarzneimittel, Abfüllung oder Individualrezeptur?

Nachdem das einzige Fertigarzneimittel Accu-Chek® Dextrose O.G.-T. von Roche dem Sparplan der Krankenkassen zum Opfer gefallen war und so gut wie nicht mehr eingesetzt wurde, wurde dessen Vertrieb 2020 endgültig eingestellt. Es mussten also Alternativen gefunden werden.

In den Apotheken sollte Glucose oder Glucose-Monohydrat in Einzelportionen mit 50.0 oder 75.0 g abgepackt werden, die dann in der Arztpraxis kurz vor Anwendung in der vorgeschriebenen Menge Wasser aufgelöst werden sollten. Dies wurde von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) moniert, da es im laufenden Praxisbetrieb leicht zu Anwendungsfehlern (Bodensatz, unvollständige Lösung, inkorrekte Abmessung des Lösungsmittels, etc.) kommen kann. Aber nicht nur in den Arztpraxen können Fehler passieren. Im Jahr 2019 war es in Köln zu einem tragischen Todesfall einer Schwangeren und später auch ihres Kindes gekommen. Die Glucose war aufgrund eines Fehlers in der abfüllenden Apotheke mit Lidocain verunreinigt. 

Die Herstellung von fertigen Trinklösungen als standardisierte Rezeptur in der Apotheke nach NRF 13.8 (Glucose-Lösung 250 mg/mL für oGTT) ist zwar möglich, aber dies ist sicherlich nicht kostengünstiger für die Krankenkassen und wiederum sehr zeitintensiv. Seit 2022 gibt es mittlerweile wieder drei Fertigarzneimittel im Handel: Valena Glucose-Toleranztest 25g/100ml Lösung von Medphano Arneimittel, Glucosetest oGTT von Infectopharm und Glucex Glucose-Toleranztest 27,5g/100ml von Glucex Pharma.

Gibt es Alternativen?

Fakt ist, dass der oGTT die zuverlässigste Methode ist, um einen (Gestations)diabetes zu diagnostizieren. Eine mögliche alternative Bestimmung des sogenannten Langzeit-Blutzuckerwertes (HbA1c-Wert) durch eine Blutabnahme ist möglich. Dieser zeigt vergangene Hyperglykämien der letzten sechs bis acht Wochen an. Bei Werten von etwa fünf Prozent ist alles normal, zwischen 5,9 und 6,4 Prozent wird ein oGTT zur eindeutigen Abklärung durchgeführt, um den Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Bei Werten über 6,4 Prozent lag bereits vor der Schwangerschaft ein Diabetes vor. Allerdings kann eine gleichzeitig vorliegende Eisenmangelanämie (was in einer Schwangerschaft durchaus vorkommt) zu falsch hohen Werten führen.

Die alleinige Bestimmung des Nüchternblutzuckerwertes könnte eine mögliche Alternative für den GCT (mit 50g Glucose) sein. Ist der Wert erhöht, wird zur weiteren Diagnostik ein oGTT durchgeführt. Liegt der Wert unter 79,2 mg/dl (4,4 mmol/l), so ist die Diagnose Gestationsdiabetes wenig wahrscheinlich. Würde man nur Risikoschwangere (BMI > 30, Diabetes in vorheriger Schwangerschaft, vorherige Geburt mit Kindsgewicht > 4500 Gramm, Verwandte ersten Grades mit Diabetes) screenen, besteht die Gefahr, dass Frauen mit verstecktem Diabetes durch das Raster fallen.

Der Deutsche Hebammenbund empfiehlt eine Beratung zum Lebensstil für alle Schwangeren und sprach sich 2011 gegen das generelle Screening auf Schwangerschaftsdiabetes aus, da sich bei 80 Prozent der Betroffenen die Blutzuckerwerte durch eine Ernährungsumstellung in Verbindung mit mehr Bewegung bereits ausreichend normalisieren ließen.