Der Allergie an den Kragen gehen
Hyposensibilisierung ist die einzige Therapie, die die Ursache von Allergien behandelt. Durch regelmäßige Verabreichung des Allergens in kleinen Dosen wird das Immunsystem langsam daran gewöhnt. Was du wissen solltest.
Was genau ist eine Hyposensibilisierung?
Unter einer Hyposensibilisierung (umgangssprachlich „Desensibilisierung“) versteht man eine spezielle Therapie gegen Allergien, bei denen eine Überreaktion des Immunsystems stattfindet. Durch Antihistaminika o. Ä. werden lediglich die Symptome über einen gewissen Zeitraum unterdrückt. Die Allergie auf einen bestimmten Stoff bleibt unverändert.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Hyposensibilisierung die einzige Therapie, bei der auch die Ursache einer Allergie behandelt wird. Daher wird sie im medizinischen Jargon auch spezifische Immuntherapie (SIT) genannt, bei der unserem Körper wiederholt das vermeintlich gefährliche Allergen in minimaler Dosis zugeführt wird, um ihn langsam wieder daran zu gewöhnen. Es ist in etwa so, als würde man gegen die Allergie „geimpft“.
Wie wird eine spezifische Immuntherapie durchgeführt?
Es gibt drei Verfahren, um eine spezifische Immuntherapie durchzuführen. Bei der subkutanen Immuntherapie (SCIT) werden die Allergene in einer fachärztlichen Arztpraxis (Allergologie, HNO oder auch hausärztliche Praxis bei Folgetherapie) in regelmäßigen Abständen und in ansteigender Dosierung unter die Haut in den Oberarm gespritzt. Anfangs wird das Medikament wöchentlich verabreicht, später nur noch alle vier bis sechs Wochen. Die Gesamttherapiedauer beträgt drei Jahre. Die Patienten sind während der Injektion und noch circa 30 Minuten danach unter ärztlicher Aufsicht in der Praxis. Bekannte Präparate sind Depigoid® von Leti pharma, Allergovit® von allergopharma, Purethal von hal allergy, u.a.
Bei der sublingualen Immuntherapie, kurz SLIT, wird der Allergenextrakt in Form von Schmelztabletten oder einer Lösung unter die Zunge gelegt und dort für ein bis zwei Minuten belassen. So kann das Allergen über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Das Medikament wird anfangs ebenfalls unter ärztlicher Aufsicht gegeben, später kann es täglich zu Hause eingenommen werden. Die Einnahme sollte nicht unmittelbar nach dem Zähneputzen erfolgen, da durch die mechanische Reizung der Mundschleimhaut stärkere Nebenwirkungen wie Juckreiz auftreten können. Die Gesamttherapiedauer beträgt ebenfalls drei Jahre. Bekannte Präparate sind Grazax® und Acarizax® von ALK-Abello, Sublivac® von hal allergy oder Staloral® von Stallergenes.
Bei der oralen Immuntherapie (OIT) wird das Allergen in Form eines Pulvers oral eingenommen und geschluckt. 2021 wurde das Präparat Palforzia® von Aimmune zur Behandlung einer Erdnussallergie bei Kindern von vier bis 17 Jahren zugelassen. Das Präparat soll schwerste allergische Reaktionen verhindern, wenn versehentlich Erdnüsse aufgenommen werden. Patient:innen müssen weiterhin eine strikte erdnussfreie Diät einhalten. Die Aufdosierung erfolgt stationär, die Weiterbehandlung kann täglich zu Hause erfolgen. Die Handhabung eines Adrenalinpens für den Notfall muss vom Kind oder den Betreuungspersonen beherrscht werden.
Welche Form der Immuntherapie gewählt wird, sollte gemeinsam vom behandelnden Arzt bzw. von der behandelnden Ärztin und dem Betroffenen entschieden werden. Sowohl die SCIT als auch die SLIT sind wirksam. Individuelle Faktoren wie Adhärenz, Spritzenphobie, viele Arzttermine, etc. müssen berücksichtigt werden.
Die Behandlungen finden normalerweise wenn möglich außerhalb der Allergiesaison, also in den Wintermonaten, statt. Sie kann auch in der Saison stattfinden, wird dann aber manchmal als belastender empfunden.
Wie wirksam ist eine SIT?
Eine Hyposensibilisierung ist eine sehr wirksame und vor allem ursächliche Therapie. Im Falle einer Insektengiftallergie kann sie sogar lebensrettend sein und sollte deshalb unbedingt versucht werden. Es dauert allerdings mindestens drei Jahre, bis die volle Wirkung entfaltet ist. Bei Betroffenen kann sich der Medikamentenbedarf (Antihistaminika etc.) zur Unterdrückung der Allergiesymptome deutlich verringern. Manche sind nach Therapieende sogar komplett geheilt und haben so gut wie keine Beschwerden mehr.
Durch eine SIT lässt sich verhindern, dass sich die Allergie auf neue Allergene ausweitet (Kreuzallergie) oder dass sich Asthma entwickelt (Etagenwechsel). Eine Garantie gibt es jedoch nicht, manche spüren nur eine geringe Wirkung und nach Therapieende sind die Symptome wieder voll da.
Ist die SIT für jeden geeignet?
Eine spezifische Immuntherapie kann je nach Produkt und je nach Allergie ab dem Alter von fünf Jahren durchgeführt werden. Sie ist angezeigt, wenn es für Betroffene nicht oder nur schwer möglich ist, das Allergen zu meiden, wenn der Allergieauslöser eindeutig diagnostiziert wurde und es dafür ein geeignetes Therapiemedikament zur Verfügung steht. Außerdem sollten keine Vorerkrankungen bestehen oder Medikamente eingenommen werden, die gegen die Durchführung einer SIT sprechen.
Derzeit gibt es in Deutschland zugelassene Therapie-Allergene gegen Gräser-, Getreide-, Kräuter- und Baumpollen, gegen Hausstaubmilben, Schimmelpilze, Katzenhaare und Insektengift (Wespen-, Hornissen- und Bienengift). Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Inhalationsallergene und Insektengifte, aber auch eine Nahrungsmittelallergie auf Erdnüsse kann mittlerweile wirksam behandelt werden.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Ungefähr bei der Hälfte der Behandelten treten leichte Nebenwirkungen wie leichter Hautausschlag an der Einstichstelle, Juckreiz und Schwellungen im Mund, allergische Symptome, wie Niesen, juckende und tränende Augen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit auf. Diese sind meist nur von kurzer Dauer und harmlos.
Gerade am Anfang der Therapie können begleitend problemlos Antihistaminika eingenommen werden. Bei stärkeren Beschwerden wird die Allergendosis wieder reduziert. In sehr seltenen Fällen können schwere allergische Reaktionen auftreten bis hin zum anaphylaktischen Schock. Dieser muss sofort ärztlich behandelt werden. Dies ist der Grund, warum Patienten zur Vorsicht noch 30 Minuten nach Allergeninjektion in der Arztpraxis bleiben sollen.