Wochenrückblick: Hohe Preise, hohe Ausgaben
Die Preise für innovative Medikamente steigen, ärmere Menschen haben es schwer, an geeignete Medikamente zu gelangen, und die Forschungsausgaben von Chemie- und Pharmaindustrie hierzulande erreichen einen neuen Höchststand. Dies und mehr im Wochenrückblick.
Gutachten warnt vor steigenden Arzneimittelpreisen
Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege warnt in einem neuen Gutachten vor steigenden Arzneimittelpreisen, die das Gesundheitssystem zunehmend belasteten. Insbesondere innovative Medikamente seien oft extrem teuer – ihr Preis sei in den letzten 15 Jahren im Schnitt von 1.000 auf rund 50.000 (!) Euro gestiegen. Um das System zukunftsfähig zu halten, fordern die Gutachter u. a. Preisdeckel, eine stärkere Koppelung des Preises an den tatsächlichen Zusatznutzen sowie mehr Verhandlungsmacht für den Gemeinsamen Bundesausschuss. Auch erfolgsabhängige Vergütungsmodelle und feste Budgets für hochpreisige Arzneien werden empfohlen. Der GKV-Spitzenverband solle bei Verhandlungen mehr Handlungsspielraum bekommen. Standortförderung für die Pharmaindustrie dürfe nicht aus Beitragsgeldern finanziert werden – entscheidend seien stattdessen effiziente Prozesse und eine moderne digitale Infrastruktur. Ziel sei ein lernendes Gesundheitssystem mit besserer Datenlage und fairen, nachhaltigen Preisstrukturen. Das Gutachten kann hier heruntergeladen werden.
Streit um „Amazon-Apotheken“ geht weiter
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs müssen Apotheken beim Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über Amazon eine ausdrückliche Einwilligung zur Datenverarbeitung einholen, da Bestelldaten als Gesundheitsdaten gelten. Amazon hat darauf reagiert und eine entsprechende Checkbox in den Bestellprozess eingeführt. Dennoch geht der Streit weiter: Apotheker Hermann Vogel aus München mahnt weiterhin Apotheken ab, und es gibt Zweifel an der einheitlichen Umsetzung durch Amazon. Der Datenschutz bleibt damit zentraler Streitpunkt in der Kooperation zwischen Versandapotheken und Amazon.
KI mit immer größerer Bedeutung in der Allergologie
Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in der Allergologie zunehmend an Bedeutung. Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigt, dass KI-Systeme in der Diagnostik, Therapieplanung und im Langzeitmanagement allergischer Erkrankungen wie Asthma, atopischer Dermatitis, Nahrungsmittelallergien, Rhinitis und Urtikaria vielseitig einsetzbar sind. Verfahren wie maschinelles Lernen, Deep Learning oder neuronale Netze ermöglichen demnach u. a. die Analyse von Husten- und Atemgeräuschen, die automatisierte Auswertung von Hautbildern oder die Prognose individueller Therapieansprechen. Wearables und Apps fördern zudem das Selbstmanagement. KI zeige besonders bei Asthma und Neurodermitis großes Potenzial, sowohl zur Früherkennung als auch zur Therapiebegleitung, heißt es in der Arbeit. Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in die Praxis seien valide Daten, zuverlässige Modelle und alltagstaugliche Anwendungen. Langfristig könnte KI daher eine personalisierte und effizientere Versorgung unterstützen.
Studie: Ärmere Menschen haben es schwer, geeignete Medikamente zu erhalten
Eine dänische Studie legt nahe, dass Menschen mit niedrigem Einkommen ein bis zu 85 % höheres Risiko haben, potenziell unangemessene Medikamente (PIM) zu erhalten – selbst bei identischer Krankengeschichte wie wohlhabendere Personen. Ursachen sind laut Forschenden vor allem soziale Ungleichheiten, Überbehandlung und begrenzter Zugang zu Informationen. Auch geringe Bildung, schwache soziale Netzwerke oder ein Migrationshintergrund erhöhten das Risiko. Hausärztinnen und Hausärzte spielen laut der Studie eine Schlüsselrolle, um durch gezielte Betreuung Ungleichheiten zu verringern.
AMIRA fragt: Was meinst du – gilt das auch in Deutschland? Teil uns deine Meinung in den Kommentaren mit.
Deutsche Chemie- und Pharmaindustrie erreicht Rekord bei Forschungsausgaben
Die deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen steigern ihre Forschungsausgaben 2025 auf den Rekordwert von 16,5 Milliarden Euro – 400 Millionen mehr als im Vorjahr. Trotz wirtschaftlicher Probleme investiert die Branche weiter massiv in Innovation. Allerdings warnt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) vor nachlassender Wettbewerbsfähigkeit. Bei weltweiten Patentanmeldungen liegt Deutschland nicht nur hinter USA und Japan zurück, sondern wurde auch von China und Südkorea überholt. Ein Teil der Forschung verlagere sich bereits ins Ausland. Die Branche fordert bessere Förderung der MINT-Fächer in Schulen und mehr Sicherheit für akademische Laufbahnen. Rund 46.000 Menschen arbeiten in den Forschungslaboren der Branche – etwa zehn Prozent aller Beschäftigten. Über 60 Prozent der Gelder für Forschung und Entwicklung stammen aus der Pharmaindustrie. Der Fonds der Chemischen Industrie unterstützt seit 1950 akademische Forschung und Chemieunterricht mit bisher über 530 Millionen Euro.
Mund zukleben beim Schlafen gegen Schnarchen?
Das sogenannte Mouth Taping – also das Zukleben des Mundes während des Schlafens – wird in sozialen Medien als Mittel gegen Schnarchen, Mundgeruch und Konzentrationsprobleme beworben. Auch Prominente wie Fußballstar Erling Haaland preisen es an. Doch laut einer neuen Analyse im Fachblatt PLOS One warnt ein kanadisches Forschungsteam vor Risiken: Zwar könnten manche Menschen mit leichter Schlafapnoe davon profitieren, doch bei verstopfter Nase drohen ernste Gefahren wie Sauerstoffmangel. Zudem seien die bisherigen Studien klein und wenig aussagekräftig. Das Fazit der Forscher: Die Methode ist wissenschaftlich kaum belegt und für viele Menschen ungeeignet – besonders bei eingeschränkter Nasenatmung. Von einer breiten Anwendung wird daher abgeraten.
AMIRA meint: Dieses Studienergebnis solltet ihr parat haben, falls ihr in der Offizin nach entsprechenden Produkten gefragt werdet.
Mehr Rezeptfälschungen zu Schlankheitsmitteln
Kriminelle fälschen vermehrt Rezepte, um an begehrte Schlankheitsmittel wie Abnehmspritzen zu gelangen. Das berichten das Bundeskriminalamt, das Innenministerium Baden-Württemberg und der GKV-Spitzenverband. Genaue Fallzahlen fehlen zwar, doch der Sicherheitsbericht 2024 nennt häufig osteuropäische, überregional agierende Tätergruppen. Laut BKA fördern hohe Preise, begrenzte Verfügbarkeit und große Nachfrage den Missbrauch. Auch Berichte in Boulevardmedien und Werbung durch Influencer treiben die Nachfrage laut Thomas Preis von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zusätzlich an – ein Umfeld, das Kriminelle gezielt ausnutzen.