Geben Sie mir die stärkeren!

Männer in der Apotheke – manchmal speziell, manchmal urkomisch. Eine Kolumne über Einkaufszettel von Ehefrauen, Männergrippe-Mythen und wann sich Männer ganz genau über Nebenwirkungen informieren.

Wenn Männer die Schwelle zur Apotheke übertreten 

Es ist ein bisschen wie ein Naturphänomen: Männer in der Apotheke. Sie kommen oft mit einem Zettel von der Partnerin bewaffnet und wirken dabei wie auf einer Expedition ins Unbekannte. „Meine Frau hat gesagt, ich soll das hier holen“, murmeln sie, während sie einen zerknitterten Einkaufszettel aus der Hosentasche ziehen, auf dem in krakeliger Handschrift „Nasenspray, aber das gute!“ steht. Häufig möchten die Frauen im Haus auch den Kassenbon gesehen, das wird uns dann entsprechend kommuniziert: „Sie will sehen, wo das Geld geblieben ist.“ Gesagt, getan, den Kassenbon lege ich gewissenhaft bei und sehe ihm dabei zu, wie er ihn sorgfältig in die Brieftasche verstaut. Nicht selten kommt dann noch ein weiterer Spruch zum Preis, denn schließlich wolle er ja nicht die ganze Apotheke kaufen. 
 
Manche schauen sich dabei um, als könnten sie gleich von einem Regal mit Tampons angesprungen werden. Andere wiederum sind erstaunlich zielstrebig – meistens dann, wenn es um Muskelcremes, Potenzmittel oder das mysteriöse „Männergrippe“-Notfallpaket geht. 

Die Männergrippe und andere Mythen 

Apropos Männergrippe: Ja, wir kennen sie alle. Und ja, sie ist real – zumindest in der männlichen Wahrnehmung. Während Frauen mit 39 Grad Fieber noch das Kind zur Kita bringen, den Wocheneinkauf erledigen, sich um die Schwiegermutter sorgen und nebenbei einen Kuchen backen, liegt der durchschnittliche Mann mit 37,8 Grad fiebrig auf dem Sofa und macht sich Gedanken, ob es schon Zeit für das Testament ist. 
 
Aber Spaß beiseite: Männer gehen tatsächlich seltener zum Arzt, lassen sich seltener beraten und greifen oft erst dann zu Medikamenten, wenn der Leidensdruck wirklich hoch ist. Studien zeigen, dass Männer Gesundheitsprobleme häufiger verdrängen – sei es aus Scham, Stolz oder dem guten alten „Wird schon wieder“-Mantra. In der Apotheke sind wir dann oft die erste Anlaufstelle – und manchmal auch die letzte Hoffnung. Nicht selten heißt es dann auch bei OTC-Arzneimitteln „Geben Sie mir die stärkeren Tabletten!“ – die normale Dosierung ist schließlich für Weicheier. 💪🏼 

Gender-Gap in der Gesundheitsversorgung 

Was viele nicht wissen: Es gibt einen echten Gender-Gap in der medizinischen Versorgung. Medikamente werden oft an männlichen Probanden getestet, obwohl Frauen anders auf Wirkstoffe reagieren können. Umgekehrt gibt es aber auch eine gewisse „Versorgungsblindheit“ gegenüber Männern – gerade bei Themen wie psychischer Gesundheit, Inkontinenz oder Osteoporose, die fälschlicherweise als „Frauenthemen“ gelten. 
 
In der Apotheke merken wir das ganz konkret: Männer fragen seltener nach, lesen seltener Beipackzettel (außer es geht um Nebenwirkungen bei Potenzmitteln – da wird plötzlich sehr genau gelesen!) und lassen sich ungern beraten. Dabei könnten wir so viel helfen – wenn man uns denn ließe.  

Zwischen Charmeoffensive und Fluchtreflex 

Natürlich gibt es auch die anderen: Die charmanten Herren, die mit einem Augenzwinkern fragen, ob man denn auch ein Mittel gegen „Zickenalarm“ zu Hause habe – gemeint ist natürlich die Ehefrau. Oder der ältere Herr, der jeden Samstag kommt, um „nur mal zu schauen, ob Sie heute wieder so nett lächeln“. Zwischen Flirt und Flucht liegt oft nur ein Rezept. 
 
Und dann gibt es die ganz Mutigen: Die, die sich trauen, nach Intimpflegeprodukten zu fragen – meist mit gesenkter Stimme und einem Blick, als würden sie gerade ein Staatsgeheimnis verraten. „Ist das… äh… auch für Männer geeignet?“ – Ja, ist es. Und nein, Sie müssen sich nicht schämen. 

Eine Spezies mit Potenz(ial)

Wir wissen es: Männer als Kunden können herausfordernd, unterhaltsam und manchmal auch einfach nur liebenswert sein. Sie brauchen oft ein bisschen mehr Geduld, ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl – und manchmal auch einen kleinen Schubs in Richtung Gesundheitsbewusstsein. 
 
Aber genau dafür sind wir ja da. Mit einem offenen Ohr, einem freundlichen Lächeln – und dem richtigen Nasenspray. Natürlich das gute. Oder in Männersprache: das stärkere.