Keine rosigen Aussichten: Wenig Geld und Engpassberuf
Apotheken unter Druck: Schlechte Bezahlung trifft auf Fachkräftemangel – und Schweden zeigt mit eigener Antibiotikafabrik, wie echte Versorgungssicherheit aussehen kann. Der Wochenrückblick bei AMIRA.
Apothekenpersonal: Hohe Verantwortung, niedrige Vergütung – wie lange noch?
Trotz ihrer zentralen Rolle in der Gesundheitsversorgung hinkt die Bezahlung der Apothekenangestellten der Verantwortung weit hinterher. Besonders betroffen sind PKA, deren Tarifgehalt im ersten Berufsjahr nur knapp über dem Mindestlohn liegt – und mit den kommenden Erhöhungen 2026/2027 weiter unter Druck gerät. Auch PTA stehen finanziell kaum besser da.
Die Tarifpartner stehen unter wachsendem Druck: Realistische Lohnerhöhungen scheitern häufig an der wirtschaftlichen Situation der Apotheken. Seit Jahren stagnieren die Einnahmen – das Fixhonorar wurde nicht an die steigenden Kosten angepasst. Gleichzeitig wächst der Aufwand durch Digitalisierung, Dokumentationspflichten und Bürokratie. Vor allem inhabergeführte Apotheken kämpfen an mehreren Fronten: Fachkräftemangel, steigende Betriebskosten, Personalsuche – und immer weniger Spielraum, um konkurrenzfähige Gehälter zu zahlen.
Politisch gibt es zwar Reformvorschläge – z. B. höhere Honorare, regionale Zuschläge, eine Entkopplung vom Skonto-Verbot oder eine Personalzulage von 80 Cent pro Rx-Packung. Doch bislang blieb es weitgehend bei Ankündigungen. Klar ist: Ohne echte Reformen drohen nicht nur Versorgungslücken, sondern auch ein weiterer Attraktivitätsverlust der Apothekenberufe.
AMIRA fragt: Glaubst du, dass sich die Situation in den nächsten 1-2 Jahren spürbar verbessern wird?
Fachkräftemangel weiterhin spürbar – Apotheker:in bleibt Engpassberuf
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigt auch in ihrer aktuellen Fachkräfteengpassanalyse 2024: Apothekerinnen und Apotheker sind nach wie vor bundesweit knapp. Mit einem Engpassindikator von 2,2 gilt der Beruf weiterhin offiziell als Mangelberuf – trotz eines leichten Rückgangs im Vergleich zu den Vorjahren (2023: 2,5; 2022: 2,7).
Bei den PTA liegt der aktuelle Wert mit 1,8 unter dem Schwellenwert von 2,0. Damit fällt die Berufsgruppe zwar nicht mehr in die Kategorie der Engpassberufe, bleibt aber unter Beobachtung.
Eine zentrale Datenbasis für die Engpassbewertung sind die bei der BA gemeldeten offenen Stellen. Die ABDA appelliert deshalb an alle Apotheken, vakante Positionen konsequent an die Arbeitsagenturen weiterzugeben, um die tatsächliche Versorgungslage besser abbilden zu können.
Niedersachsen: Apotheken steigen aus Sprechstundenbedarf aus
Ab dem 11. Februar 2026 werden Apotheken in Niedersachsen keinen Sprechstundenbedarf mehr an Arztpraxen liefern – darunter auch wichtige Arzneimittel wie Impfstoffe. Grund ist die Kündigung der entsprechenden Anlage im Primärkassenvertrag durch den Landesapothekerverband (LAV) Niedersachsen. Betroffen sind Vereinbarungen mit der AOK Niedersachsen, dem IKK-Landesverband, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der Seekrankenkasse.
Der LAV begründet den Schritt mit jahrelang ausbleibenden Anpassungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Seit über zehn Jahren seien die Konditionen für Apotheken nicht verändert worden – trotz mehrfacher Verhandlungsversuche. Die zuletzt vorgelegten Entwürfe der Kassen zeigten laut LAV-Vorsitzendem Berend Groeneveld kein ernsthaftes Entgegenkommen. Eine weitere Hinhaltetaktik wolle man nicht mehr hinnehmen.
Die Kündigung zum Jahresende tritt nach einer sechswöchigen Übergangsfrist im Februar 2026 in Kraft. Bis dahin – einschließlich der Grippesaison 2025 – bleibt die Versorgung unverändert. Der LAV zeigt sich weiter gesprächsbereit, erwartet aber faire wirtschaftliche Bedingungen.
Schweden erkennt Zeichen der Zeit und übernimmt Antibiotikafabrik
Mit der Übernahme einer Antibiotikafabrik durch das staatliche Unternehmen APL stellt Schweden gezielt die Weichen für mehr Arzneimittelsicherheit – auch in Krisenzeiten. Die Regierung will damit die Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten reduzieren und sich gezielt auf mögliche geopolitische oder pandemiebedingte Versorgungsengpässe vorbereiten. Künftig soll die Produktion wichtiger Schmalspektrum-Antibiotika wie Penicillin national abgesichert werden.
Ein Modell mit Vorbildfunktion – auch für Deutschland, meint Apotheker Jan Reuter: „Während wir uns in Rabattverträgen verheddern, baut Schweden sich eine eigene Antibiotikafabrik. Nicht aus Langeweile. Sondern weil sie verstanden haben, was auf dem Spiel steht: Leben.“ Sein Appell: Antibiotika seien keine Ware, sondern „Infrastruktur“, ohne die moderne Medizin nicht funktioniere.
AMIRA meint: Während hierzulande Digitalisierung und Kostendruck im Fokus stehen, macht Schweden vor, wie echte Resilienz in der Arzneimittelversorgung aussehen kann.
WHO: Einsamkeit macht krank
Die WHO warnt: Einsamkeit ist ein globales Gesundheitsrisiko mit massiven Folgen – von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Depressionen bis zu erhöhten Sterberaten. Besonders betroffen seien Jugendliche und ältere Menschen.
Auch für Apotheken ist das Thema relevant: als niedrigschwellige Anlaufstelle und Ort sozialer Interaktion. Studien zeigen, dass soziale Isolation vergleichbar schädlich ist wie Rauchen oder Adipositas.
AMIRAs Blick geht nochmal in den Norden: Schweden zeigt, wie Prävention gelingen kann: mit Begegnungsräumen, Handyverboten an Schulen und gezielter Förderung sozialer Aktivitäten.
Silvesterböller-Verbot in den Niederlanden – auch für den Gesundheitsschutz ein Signal
Ab dem Jahreswechsel 2026/2027 gilt in den Niederlanden ein landesweites Böllerverbot für Privatpersonen. Grund sind die zahlreichen Verletzungen, Angriffe auf Einsatzkräfte und Sachschäden rund um Silvester. Für das Gesundheitswesen bedeutet das: weniger Notfälle, weniger Augen- und Handverletzungen, weniger Verbrennungen. Apotheken und Notaufnahmen könnten spürbar entlastet werden.
Auch in Deutschland wächst der gesellschaftliche Druck gegen privates Feuerwerk – konkrete politische Maßnahmen bleiben bislang jedoch aus. Das niederländische Verbot könnte nun auch hier neue Impulse geben.