Wochenrückblick: Debatte um Apotheken-Kommentar reißt nicht ab
Apotheken unter Beschuss, Streit ums Cannabisgesetz eskaliert und ein Bündnis kämpft für die gedruckte Packungsbeilage – der WRB blickt auf eine Woche voller gesundheitspolitischer Kontroversen.
Empörung nach apothekenfeindlichem Zeitungsbeitrag hält an
Ein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom letzten Wochenende sorgt seitdem für Aufsehen: Unter dem Titel „Keiner braucht die Apotheken“ stellte Autor Ralph Bollmann die Existenzberechtigung von Vor-Ort-Apotheken grundsätzlich infrage – sowohl für rezeptfreie als auch für verschreibungspflichtige Medikamente. Apotheken seien überflüssig, Beratung oft „nicht ganz uneigennützig“, und selbst bei Rx-Arzneimitteln brauche es keinen „Apotheker mit seinem langen Studium“. Stattdessen könnten Supermärkte „Bagatellpillen“ verkaufen, Rezepturen zentral gemischt und Medikamente direkt an Haushalte geliefert werden.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: In sozialen Netzwerken, insbesondere auf LinkedIn, äußerten sich zahlreiche Apotheker:innen empört. In einem viel beachteten Beitrag konterte die Apothekerin Julia Bark pointiert: Wer so argumentiere, könne auch gleich Ärzte durch Google ersetzen oder Schulen durch Wikipedia. Sie schilderte eindrücklich, wie wichtig persönliche Beratung im Notdienst ist – etwa bei Kindern mit falscher Selbstmedikation oder Patient:innen mit komplexen Krankheitsbildern. Apotheken seien mehr als Verkaufsstellen: Sie retteten Leben, verhinderten gefährliche Wechselwirkungen, entlasteten das Gesundheitssystem und seien soziale Anker.
AMIRA meint: Der wachsende Druck durch Versandhandel, Discounter und Drogerieketten scheint die Berufsgruppe, die sich als unverzichtbar für die Arzneimittelsicherheit und Patientennähe versteht, mehr denn je zusammenzuschweißen.
Hybrides Modell statt Digitalzwang: Was wird aus der gedruckten Packungsbeilage?
Ein breites Bündnis aus Gesundheits-, Patienten- und Apothekenorganisationen fordert, die gedruckte Packungsbeilage gesetzlich beizubehalten. Digitale Formate wie die elektronische Packungsbeilage (ePI) könnten zwar Vorteile bieten – etwa aktuellere Informationen oder barrierearme Zugänge –, dürften die Papierform jedoch nicht ersetzen. Nur ein hybrides Modell garantiere einen gleichberechtigten Zugang zu Arzneimittelinformationen für alle. Besonders ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder ohne digitalen Zugang seien auf die klassische Beilage angewiesen. Studien zeigten zudem, dass QR-Codes oder Links bislang nur selten genutzt werden. Digitale Angebote müssten barrierefrei, datenschutzkonform und werbefrei über vertrauenswürdige Quellen wie EMA oder nationale Behörden bereitgestellt werden. Unterzeichnet wurde der Appell u. a. vom Aktionsbündnis Patientensicherheit, der BAG Selbsthilfe, Adexa und dem DBfK.
AMIRA fragt: Was hältst du von der gedruckten Packungsbeilage – sollte sie beibehalten werden oder eher nicht? Oder ist der Vorschlag des Bündnisses genau richtig?
„Scheißgesetz“ oder überfällig? Streit um Cannabisgesetz eskaliert
Die Teilfreigabe von Cannabis bleibt politisch hart umkämpft. Während die SPD die Entkriminalisierung als überfällig begrüßt, kritisiert Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) das Gesetz scharf. Die erlaubten Besitzmengen seien zu hoch und förderten den Schwarzmarkt, so Warken. Auch KBV-Chef Andreas Gassen schloss sich der Kritik an und sprach von einem „Dealerförderprogramm“. Das Gesetz sei schädlich für die Jugend und müsse schnell zurückgenommen werden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte das Gesetz gar ein „Scheißgesetz“. Der Deutsche Hanfverband warf ihm daraufhin eine „postfaktische Märchenstunde“ vor. Ein aktueller Expertenbericht sieht hingegen keinen akuten Handlungsbedarf beim Jugendschutz und konstatiert einen anhaltenden Rückgang des Jugendkonsums. Das Ziel, den Schwarzmarkt auszutrocknen, werde jedoch bislang verfehlt – unter anderem wegen fehlender Anbauvereinigungen.

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England gibt „Pille danach“ kostenlos in Apotheken ab
In England ist die „Pille danach“ ab sofort landesweit kostenlos in Apotheken erhältlich – ohne Rezept und ohne vorherigen Arztbesuch. Damit setzt die britische Regierung ein zentrales Vorhaben zur Stärkung der reproduktiven Gesundheitsversorgung um. Ziel ist es, den Zugang zur Notfallverhütung zu erleichtern und gleichzeitig Hausärzt:innen zu entlasten. Die nationale klinische Direktorin für Frauengesundheit beim NHS, Sue Mann, sprach von einer der größten Veränderungen im Bereich der sexuellen Gesundheit seit den 1960er-Jahren. In Deutschland ist die „Pille danach“ zwar rezept-, aber nicht kostenfrei erhältlich. Nur für Frauen unter 22 Jahren kann sie zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden.
AMIRA fragt: Könnte oder sollte das britische Modell gar zum Vorbild für Deutschland werden?
Studie: Licht im Schlafzimmer kann Herzinfarkt-Risiko deutlich erhöhen
Nächtliche Lichtexposition im Schlafzimmer kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöhen. Das zeigt eine große Kohortenstudie mit über 88.000 Teilnehmenden aus der UK Biobank. Personen mit der höchsten nächtlichen Lichtbelastung hatten ein signifikant erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit (+32 %), Vorhofflimmern (+32 %), Schlaganfall (+28 %), Herzinfarkt (+50 %) und Herzinsuffizienz (+56 %) im Vergleich zu jenen mit den dunkelsten Schlafumgebungen. Die Effekte traten unabhängig von Schlafdauer, Lebensstil oder Vorerkrankungen auf. Besonders betroffen waren Frauen und jüngere Menschen. Als möglicher Mechanismus gilt die Störung des zirkadianen Rhythmus durch unterdrückte Melatoninproduktion. Die Forschenden empfehlen, nächtliche Lichtquellen im Schlafzimmer möglichst zu vermeiden, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken.
AMIRA ist neugierig: Schläfst du mit Licht oder ohne? Falls du welche hast: Wie machst du es bei deinen Kindern?
Studie: Heidelbeeren stärken kindliche Darmflora und lindern Allergiesymptome
Die frühe Einführung von Heidelbeeren in die Beikost kann die Entwicklung der kindlichen Darmmikrobiota positiv beeinflussen. Das zeigt eine doppelblinde, placebokontrollierte US-Studie mit gestillten Säuglingen. Kinder, die ab dem fünften Lebensmonat täglich Heidelbeerpulver erhielten, zeigten eine stärkere Zunahme der mikrobiellen Vielfalt sowie eine vermehrte Präsenz gesundheitsförderlicher Bakterien wie Veillonaceae und Flavonifractor. Parallel dazu wurden niedrigere Spiegel proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-13) und eine Besserung allergischer Symptome beobachtet. Die Heidelbeerzufuhr hatte keinen Einfluss auf Wachstum oder Nährstoffaufnahme, wurde jedoch von den Eltern teils als unpraktisch empfunden. Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial polyphenolreicher Früchte wie Heidelbeeren, die Mikrobiotareifung und Immunentwicklung im frühen Kindesalter positiv zu modulieren – ein möglicher Ansatz zur Prävention chronischer Erkrankungen.