Nasenspray - Fluch und Segen zugleich

Der Winter geht zu Ende, Erkältungen gehören allerdings noch zum Tagesgeschäft. Und damit auch der Verkauf von Nasensprays. Manche Patienten kommen von den Sprays jedoch nicht mehr los. Wir sagen, wie du das erkennst und wie du helfen kannst.

Pro Jahr werden in Deutschland über 50 Millionen abschwellende Nasenspray-Packungen abgegeben. Die Sprays verschaffen schnell und zuverlässig Linderung. Wenn Patienten allerdings „viel“ und möglichst „billig“ kaufen wollen, solltet ihr hellhörig werden. Hinter dem Wunsch könnte eine Abhängigkeit stecken. Eigentlich wäre es deshalb richtig, die Abgabe jeder einzelnen Packung mit dem ausdrücklichen Hinweis „nicht länger als sieben Tage anwenden“ zu ergänzen. Die Arzneimittelbehörde der USA empfiehlt sogar den Gebrauch für lediglich drei Tage und auch nur zweimal am Tag.

Bei einem länger dauernden Einsatz gerät man ab dem zehnten - allerspätestens nach 30 Tagen (das gilt tatsächlich für jeden!) - in einen Teufelskreis: Durch den Rebound-Effekt der Alpha-Sympathomimetika, verstärkt durch den Zusatz von Benzalkonium (!), schwellen die Schleimhäute stark an, sobald die Wirkung des Nasensprays nachlässt, und das bei längerfristigem Gebrauch sogar mehr als ursprünglich. Dieser Umstand verleitet dazu, das Nasenspray nicht abzusetzen – schließlich ist die Nase ja verstopft. Dann aber nimmt die Nasen-Schleimhaut ernsthaften Schaden: sie wird dünner, es findet Krustenbildung statt, die Blutungsneigung nimmt zu, die Zilien können geschädigt werden und Riechstörungen auftreten – dieser Zustand wird als Rhinitis medicamentosa bezeichnet. Zusätzlich problematisch ist, dass die Nase langsam ihre wichtige Funktion in der Infektabwehr verliert.

Es gibt keine verlässlichen Angaben darüber, wie viele Menschen in Deutschland von dem Problem betroffen sind. Zu finden ist immer die Zahl 100.000, versehen mit dem Zusatz „mit einer hohen Dunkelziffer“. Eine wissenschaftliche Studie in den Niederlanden (im Januar 2022 veröffentlicht) ergab eine Prävalenz von drei Prozent unter der erwachsenen Bevölkerung, was ausgesprochen alarmierend ist (das wären in Deutschland, bei aktuell 84 Millionen Einwohnern, mehr als zweieinhalb Millionen Erwachsene).

 

Wie beraten wir?

Wir sind in einer schwierigen Lage, wenn ein Kunde nach einem abschwellenden Nasenspray verlangt: Handelt es sich um den bestimmungsgemäßen Gebrauch bei Schnupfen, Sinusitis oder Mittelohrentzündung? Oder wird es wiederholt nachgekauft zum Dauergebrauch? Herausfordernd wird es, wenn der Kunde wieder und wieder nachkauft und eine Beratung als Zumutung versteht: Kommen wir seinem Wunsch wortlos nach? Geben wir ihm das „Bitte nicht länger als sieben Tage anwenden“ trotzdem mit auf den Weg?

Bleiben wir einfach im Gespräch! Wann immer es uns möglich erscheint. Resignieren wir nicht! Seien wir aufmerksam, da es eine Vielzahl von Faktoren gibt, die ebenfalls eine chronische Rhinitis auslösen können: Allergien, Arzneimittel (Kontrazeptiva, Psychopharmaka, Hormonpräparate, Sildenafil, Betablocker), Nikotin, Lebensalter über 65. Bieten wir Lösungsmöglichkeiten an: Eine Entwöhnung und anschließende Regenerierung der Nasenschleimhaut sind möglich.

 

So lässt sich der Dauergebrauch wieder einfangen

Bestimmt können deine Kunden mit den folgenden Tipps etwas anfangen.

  1. Kalter Entzug: Nach Einschätzung vieler HNO-Ärzte die einzig sinnvolle Möglichkeit. Die Meinungen gehen etwas auseinander, was den Zeitraum betrifft, bis das Schlimmste überstanden ist, und sprechen von einer Dauer zwischen drei Tagen und zwei Wochen.
  2. Ein-Loch-Methode: Für eine Woche wird nur noch in ein Nasenloch gesprüht, das andere wird für eine Woche durch befeuchtende Sprays, Kortison-haltige Nasensprays oder Nasenduschen „entwöhnt“. In der zweiten Woche wird das zweite Nasenloch schonend „versorgt“.
  3. Kortison: In vielen internationalen Studien wird die Behandlung mit Kortison-haltigen Nasensprays in einer Übergangszeit favorisiert – bei jahrzehntelanger Anwendung ist auch die Einnahme von Kortison-Tabletten möglich (Arztbesuch erforderlich).
  4. Pseudoephedrin-haltige Präparate: Auch sie können für eine Übergangszeit eine Alternative darstellen (allerdings kommt das wegen einer eventuellen Abhängigkeit für manche Kunden sicher nicht in Frage).

Nach erfolgreicher Entwöhnung dürfen abschwellende Nasensprays nicht mehr benutzt werden – wirklich nie mehr. Stattdessen sollten deine Kunden auf Präparate mit Meerwasser, Ectoin, Hyaluronsäure, oder Öle und Salben zurückgreifen.

 

Kleine Begriffsklärung: Sucht, Missbrauch, Abhängigkeit?

Die Begriffe Abhängigkeit oder Sucht im Zusammenhang mit Nasensprays sind eher unpassend, da Merkmale wie die Tendenz zur Dosissteigerung, Eigen- und Fremdschädigung, Interessen- sowie Kontrollverlust fehlen.

Es handelt sich auch nicht um einen Medikamenten-Missbrauch, der dann vorliegt, wenn ein Arzneimittel mit einer anderen als für die zugelassene Indikation eingenommen wird (Dextromethorphan-, Pseudoephedrin-, Loperamid-, Diphenhydramin-haltige Präparate).

Stattdessen spricht man von Medikamenten-Übergebrauch: Ein Arzneimittel wird zunächst bestimmungsgemäß eingenommen und dann zu lange, zu hoch dosiert oder zu häufig verwendet. Andere Substanzgruppen mit gleicher Problematik sind Schmerzmittel und Triptane (auch hier die Möglichkeit von Kopf-Schmerzen als Nebenwirkung) oder Sennesblätter-Tees (Teufelskreis durch Elektrolytverlust).

 

Extrahiert      

  • Bei der Abgabe abschwellender Nasensprays, auch wenn es schwerfällt, beraten und den Einsatz kritisch hinterfragen.
  • Bei längerfristigem Gebrauch auf die Folgen hinweisen – es handelt sich jedoch nicht um eine Sucht oder Abhängigkeit im engeren Sinn.
  • Eine Entwöhnung ist innerhalb von zwei Wochen möglich.

 

AMIRA fragt: Wie ist es in eurer Apotheke? Gibt es Kunden, die ständig nach Nasensprays verlangen? Falls ja, wie verhaltet ihr euch diesen Kunden gegenüber?