Sieben 100-Billionen-Fragen

100 Billionen – von dieser unglaublichen Zahl an Mikroorganismen ist jeder Mensch besiedelt. Hier stellen wir dir diesen Kosmos in sieben 100-Billionen-Fragen vor.

100 Billionen, das sind zehnmal mehr Organismen als der Mensch Zellen hat: Viren, Pilze, Einzeller und vor allem Bakterien mit einem Gesamtgewicht von bis zu 2 kg! Die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Organ, z. B. im Darm, wird als Mikrobiota bezeichnet, wohingegen als Mikrobiom die Gesamtheit der Mikroorganismen mit ihren Genen und ihren Beziehungen zum Standort (also sehr komplex!) beschrieben wird.

Frage 1: Wo – außer im Magen-Darm-Trakt – finden sich Mikrobiota noch?

Auch die Atemwege (Mund, Nase, Rachen), die Genitalregionen (Urethra, Vagina, Zervix) und die äußeren Oberflächen (Haut, Haare, Nägel) sind besiedelt. Bakterien, die einen Immunschutz bewirken, fanden Mediziner sogar in der okularen Bindehaut. Die bei weitem größte Bakteriendichte weist der Dickdarm auf, gefolgt von Dünndarm und – mit Abstand – der Mundhöhle. Der Magen ist relativ dünn besiedelt.

Frage 2: Kann man sein Mikrobiom allein durch Ernährung aufbauen?

Das ist möglich und geht sehr schnell: Bereits nach einem Tag, an dem ausschließlich pflanzliche Lebensmittel verzehrt werden (Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Früchte) verändert sich die Darm-Mikrobiota. Wer diese optimal unterstützen möchte, dem wird der Verzehr von 30 verschieden pflanzlichen Nahrungsmitteln pro Woche empfohlen. Das ist weniger anstrengend als es sich anhört: jede Nuss, jedes Getreide und jedes Gewürz mit pflanzlicher Herkunft zählen.

Frage 3: Kann man die Zusammensetzung seines Mikrobioms kennenlernen?

Immer mehr Anbieter (Arztpraxen, medizinische Labore, Online-Anbieter) untersuchen abgegebene oder eingesandte Stuhlproben auf den Status quo der Darm-Mikrobiota. In jeder Darm-Mikrobiota tummeln sich etwa 1000 Bakterienarten, von denen sich nur 160 in der Stuhlprobe finden. Die Schwierigkeit besteht dann darin, das Ergebnis „zu lesen“. Ob dieses letztlich klinische Relevanz hat, ist unsicher.

Frage 4: Haben Neugeborene ein Mikrobiom?

Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass die Mutter während des Geburtsvorganges Mikroorganismen auf das Kind überträgt, deshalb wird die Gabe eines Antibiotikums bei einem Kaiserschnitt derzeit eher kritisch betrachtet. Die nächste „Übergabe“ erfolgt per Muttermilch, die 600 verschiedene Bakterienarten enthält und vermutlich zum Aufbau der kindlichen Darm-Mikrobiota beiträgt. Einen allerersten Kontakt hat der Fetus aber bereits mit den Darmbakterien der Mutter, so dass der mütterlichen Ernährung (s.u.) eine besondere Bedeutung zukommt. Bis zum dritten Lebensjahr baut sich das Mikrobiom fast vollständig auf.

Frage 5: Kann man eine Darm-Mikrobiota auf einen anderen Menschen übertragen?

Die Forschung steht noch am Anfang „Stuhl-Transplantationen“ gezielt einzusetzen, zumal sie nicht ganz ungefährlich sind. Durchgeführt werden sie bei älteren Patienten mit Clostridium difficile-bedingten Durchfällen nach Antibiotikagabe. Eventuell bietet sich dies auch bei Colitis ulcerosa Patienten oder Neugeborenen mit Sepsis bzw. nach Kaiserschnitt an. Vermutlich wird die Methode künftig für viele Erkrankungen eine Therapie-Option sein.

Frage 6: Wie lange dauert es, bis sich die Darm-Mikrobiota nach Antibiotika-Gabe erholt?

Auch nach einer intensiven Antibiotikatherapie ist der Darm nie vollständig steril. In der Erholungsphase erfolgt zwar zunächst eine Besiedlung auch mit unerwünschten Keimen, die eventuell für Durchfälle sorgen können, aber nach zwei bis sechs Monaten ist die Mikrobiota (fast) wieder die alte. Wenn du mehr über Durchfälle nach Antibiotikagabe wissen möchtest, klick einfach auf den folgenden Link: Du erfährst in unserer Learning-Journey auch, wie man diesen Problemen durch Gabe von Arzneihefe vorbeugen kann.

Frage 7: Gibt es andere Arzneimittel, die sich negativ auf die Darm-Mikrobiota auswirken?

Erschreckenderweise zeigte eine Studie von 2017, dass von 1000 getesteten Arzneimitteln 27 Prozent eine anti-mikrobielle Wirkung zeigen, allen voran die PPI (vermutlich vor allem wegen der pH-Wert Änderung) sowie mehrere Antidepressiva (z.B. Duloxetin). Diese Erkenntnis ist insofern bedeutsam, als eine Störung des Mikrobioms ohnehin an Erkrankungen des Magens und am Entstehen von Depressionen beteiligt ist.

Extrahiert

  • Die Darm-Mikrobiota baut sich in den ersten drei Lebensjahren fast vollständig auf und bleibt dann weitgehend stabil bestehen.
  • Durch eine vorwiegend pflanzliche Ernährung mit Ballaststoffen unterstützt man das körpereigene Mikrobiom.
  • Das körpereigene Mikrobiom ist ein „Schatz“ – jede schwerwiegende Störung hat Auswirkungen auf die gesamte Körpergesundheit. Der Einsatz von Arzneimitteln ist immer auch diesbezüglich zu hinterfragen.