Frühlingsgefühle: Gut für gute Vorsätze

Wir fragten euch nach euren Frühlingsgefühlen und ihr habt uns im Forum geantwortet – tausendfach! Grund genug für AMIRA, der Sache mit den Frühlingsempfindungen auf den Grund zu gehen und zu zeigen, wie ihr euer Stimmungshoch mit in den Beruf nehmen könnt.

„Ich freue mich auf Vogelgezwitscher, das Erwachen der Natur, die wärmenden Sonnenstrahlen und ausgiebige Spaziergänge“, schreibt Carola. Dana meint: „Frühlingsgefühle - das sind die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, Vorfreude auf das was kommt, alles wird langsam bunter und fröhlicher - unsere Herzen und Gemüter werden erhellt“. Und Carolin schreibt uns: „Frühling bedeutet für mich, endlich wieder mehr Sonne, mehr Farbe in der Natur, längere Tage, Vogelgezwitscher, einfach Balsam für die Seele nach dem tristen Winter“. Das sind nur drei von gut 1.500 Kommentaren, die uns auf die Bitte erreichten, uns doch mitzuteilen, wieso ihr euch auf den Frühling freut. Fast alle Kommentare bersten vor Lebensfreude und Erwartungsstimmung, Aufbruch ist das Motto. Und es stimmt ja auch: Die Tage werden länger, die Sonne zeigt sich häufiger, die Temperaturen steigen in den zweistelligen Bereich: Der Frühling ist da. Was er mit unserem Körper und unseren Emotionen macht? Wir haben eine Expertin für Positive Psychologie gefragt.

Ähnlich wie der Tag und unser Körper haben auch das Jahr und die Natur einen Rhythmus: die vier Jahreszeiten. Beginnend mit dem Frühling erwacht die Natur, entfaltet im Sommer ihre volle Blüte, schaltet im Herbst langsam zurück, bevor sie sich im Winter zur Ruhe legt und die Batterien auflädt. Dieser Rhythmus bestimmt maßgeblich, wie wir uns fühlen. Davon ist Dorothee B. Salchow, Trainerin für positive Psychologie, fest überzeugt. Und auch davon: „Dass wir uns im Frühling besser fühlen als in den Monaten davor, hat hauptsächlich mit dem Licht zu tun. Die länger werdenden Tage sorgen für ein Erwachen aus dem Winterschlaf, den wir zwar nicht halten, aber aus der Natur und der Menschheitsgeschichte kennen, denn unsere Vorfahren haben sich in der dunklen und kalten Jahreszeit eher in der Höhle aufgehalten.“ Die Physiologie dahinter: Mit dem zunehmenden Licht wird die Produktion des Hormons Melatonin zurückgefahren, im Gegenzug steigt jene des Dopamins. Das wiederum habe Auswirkungen auf unsere Emotionen, sagt die Expertin. Insgesamt falle es uns in dieser Zeit auch leichter, an die frische Luft zu gehen, was sie auch dringend empfiehlt. Jeder noch so gut belichtete Raum könne nicht mit dem Licht draußen mithalten, selbst wenn man sich ans Fenster stelle.

Mach doch mal ein Kompliment!

Mit frischer Luft und Licht allein hängt die Stimmungsaufhellung aber nicht zusammen, meint Salchow. Auch die wärmeren Temperaturen tragen zu unserem Wohlbefinden bei und können Beschwerden lindern. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Interaktion. Denn draußen begegnen wir auch mehr Menschen und kommen leichter in Kontakt: beim Spazieren, beim Picknicken, beim Brötchen holen oder Müll wegbringen. Das bessere Wetter verleitet uns dazu, länger draußen zu bleiben und mal ein Pläuschchen mehr zu halten. Salchow empfiehlt, den Kontakt zu unseren Mitmenschen möglichst positiv zu gestalten und ruhig auch mal ein paar Komplimente zu machen. Das falle nicht jedem leicht, räumt sie ein. Aber es übertrage die eigene gute Stimmung auf das Gegenüber. Am besten sei es, sich dabei direkt auf eine Stärke seines Mitmenschen zu beziehen und so konkret wie möglich zu werden, auch und vor allem mit uns bekannten Personen. „Dein Hemd steht dir ausgezeichnet“ oder „Das Fleisch hast du toll gewürzt, die Schärfe trifft genau meinen Geschmack“ – das seien Beispiele, die die gute Laune sofort übertrügen, meint Salchow.

Dass wir uns manchmal mit Komplimenten schwertun, hänge mit unserem Umgang mit positiven Emotionen zusammen. „In der Menschheitsgeschichte war es nicht unbedingt üblich, anderen Komplimente zu machen. Das Überleben und die Abwehr von Gefahren, etwa eines Säbelzahntigers, standen im Vordergrund. Doch man kann es üben“, sagt die 47-jährige Trainerin. Sie empfiehlt die „Random acts of kindness“, also die zufälligen Handlungen der Freundlichkeit: jemandem die Tür aufhalten, sein Mittagessen teilen, einer Kollegin Kaffee kochen. „Mit jeder Handlung und jeder positiven Emotion begeben wir uns in eine Aufwärtsspirale“, erläutert Salchow.

Nicht alle fühlen sich automatisch besser

Doch Vorsicht: Nur weil wir uns im Frühling befinden, bedeutet das nicht automatisch, dass es allen besser geht. Bei Menschen etwa, die an einer Depression leiden, könne die Jahreszeit auch negative Folgen mit sich bringen. „Hier spielt das Umfeld eine wichtige Rolle“, unterstreicht Salchow, „denn durch die Aufbruchstimmung steigt der Erwartungsdruck, dass man sich jetzt doch eigentlich besser fühlen müsste.“ Doch das gehe nicht so einfach, für die Betroffenen steige dadurch auch der Leidensdruck, was nicht gut für den Krankheitsverlauf sei.

Und wie übertragen wir die Aufbruchstimmung in unseren Alltag? Salchow: „In dieser Zeit ist es ratsam, das Glas eher halb voll als halb leer zu betrachten, also mehr das Positive herauszustellen, um die Aufbruchstimmung so gut es geht zu konservieren.“ Im Umgang mit der Kundschaft etwa helfe es, Interesse zu zeigen, zum Beispiel am Krankheitsverlauf oder an Gewohnheiten, um gezielter beraten zu können. Das werde fast immer als Freundlichkeit ausgelegt und bleibe positiv in Erinnerung.

Die gute Stimmung im Frühling würde sich auch prima für einen Kniff nutzen lassen: Gute Vorsätze fassen – und auch tatsächlich befolgen. Statt sie am Silvesterabend aufzustellen, sollte man lieber das persönliche Frühlingshoch nutzen: „Das wäre viel nachhaltiger als im Januar“, meint Salchow. Es sei schließlich einfacher, Ziele umzusetzen, wenn wir uns dabei besser fühlen. „Das“, so Salchow, „ist mehrfach nachgewiesen“.

Glücks-Tipps von der Expertin


Dorothee B. Salchow setzt sich beruflich mit positiver Psychologie auseinander. Sie lebt und arbeitet in Hamburg. (Foto: Salchow)

AMIRA: Frau Salchow, ist „glücklich sein“ eine Einstellungssache?
Salchow: „Es liegt in unserer Hand, glücklich(er) zu sein. In der Schnelllebigkeit mal innezuhalten und ruhig ein- und auszuatmen, in uns hineinzuhorchen, den Blick auf das bisher Geschaffte und Erreichte zu richten – all das hilft.
Auch kleine Erfolge gehören gefeiert.“

AMIRA: Sie beraten auch berufstätige Mütter. Die sind meist voll ausgelastet und haben keine Zeit für sich. Welche Tipps haben Sie für sie, wie können ihre Partner oder ihr Umfeld sie besser unterstützen?
Salchow: „Hier ist das Stichwort ‚Mental load‘. Der Begriff bezeichnet alles ‚Unsichtbare‘ an Aufgaben und Erledigungen, um das unsere Gedanken kreisen. Was essen wir heute? Reichen die Windeln übers Wochenende? Und so weiter. Eine bewährte Methode ist es, Tagebuch zu führen und dieses Unsichtbare sichtbar werden zu lassen, um daraus kleine Aufgabenpakete für alle Beteiligten zu schnüren.“

AMIRA: Trotz Frühling, wir haben es immer noch mit Krieg, Klimawandel, Inflation und Erdbeben zu tun: Dämpft das unsere Aufbruchstimmung?
Salchow: „Wieder kommt es auf unseren Umgang an. Ich rate generell davon ab, morgens zu viele Nachrichten zu konsumieren. Was unsere Ängste und Sorgen angeht, sollten wir mit unseren Mitmenschen darüber reden. Öffnet sich uns gegenüber jemand, sollten wir zuhören. Und gegen das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins tun kleine Schritte der Selbstwirksamkeit wie eine Spende für Betroffene gut.“