Wochenrückblick: ABDA fordert 21 Euro, Engpässe bei Kinderarzneimitteln weitgehend behoben und Verpflichtung zur elektronischen Patientenakte

Auch diese Woche ist wieder vollgepackt mit Nachrichten aus der Welt der Apotheke. Diese Woche dabei: ABDA fordert 21 Euro für Lieferengpass-Management, Lauterbach drängt auf elektronische Patientenakte, es gibt ein neues Covid-Medikament mit guten Studiendaten und einiges mehr.

Elektronische Patientenakte ab 2024 für alle?

Bundesgesundheitsminister Lauterbach stellte am Donnerstag seine Pläne für die flächendeckende Einfürhung der elektronischen Patientenakte (ePA oder E-Akte) vor. Diese soll von 2024 an verpflichtend für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland sein. Ziel ist, die medizinische Versorgung zu verbessern und die Digitalisierung des Gesundheitswesens deutlich zu beschleunigen. Wer die ePA nicht möchte, muss selbst aktiv werden und sie ausdrücklich ablehnen. Die ePA gibt es schon seit 2021, genutzt wird sie derzeit aber nur gut einem Prozent der gesetzlich Versicherten. Zwei für die weitere Verbreitung nötige Gesetze, nämlich das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, sollen bereits in den nächsten zwei Woche vorgelegt werden. 

Die Vorteile: Ärzte und medizinisches Personal können direkt auf wichtige Gesundheitsdaten zugreifen, um Doppeluntersuchungen und Medikamentenwechselwirkungen zu vermeiden, sie ermöglicht die standardisierte Erfassung und Speicherung von Gesundheitsdaten und damit eine schnellere und effektivere Behandlung der Patient:innen. Die gesamte Kranken- und Behandlungsgeschichte ist im Idealfall an einem Ort gespeichert und für medizinisches Personal verfügbar. Versicherte sollen jederzeit Einsicht in ihre eigene Akte und ihre medizinischen Daten erhalten. 

Die Nachteile: Die verpflichtende Einführung ist umstritten. Datenschützer warnen vor möglichen Sicherheitsrisiken einer übereilten, verpflichtenden Einführung und einem Missbrauch der Daten, denn
diese sollen auch der Forschung und Arzneimittelherstellern pseudonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Die Einführung stellt dabei auch eine zusätzliche Herausforderung für Krankenkassen dar. Die "Deutsche Stiftung Patientenschutz" verweist auch auf einen hohen Anteil von Senioren, die technisch nicht so versiert seien, um digital Widerspruch gegen ein Anlegen einer Patientenakte oder die Nutzung bestimmter Daten zu erheben. Schließlich: Die gesamte Kranken- und Behandlungsgeschichte ist im Idealfall an einem Ort gespeichert und für medizinisches Personal verfügbar. Ist es wirklich erforderlich, dass auch der Urologe erfährt, wenn sein Patient neben Prostatabeschwerden auch unter einer psychischen Erkrankung leidet oder litt? 

AMIRA fragt: Wie stehst du zum Thema elektronische Patientenakte? Siehst du eher Vor- oder Nachteile für dich, deine Kunden bzw. deine Apotheke? Verrate es uns in den Kommentaren!

ABDA fordert 21Euro für Lieferengpass-Management – pro Medikament

50 Cent? So heißen vielleicht Rapper – aber nach Ansicht der ABDA kann der halbe Euro nie und nimmer eine auskömmliche Vergütung für den Mehraufwand sein, den die Apotheken im Zuge ihres Lieferengpass-Managements erbringen.  Das wird jedenfalls in der ABDA- Stellungnahme zum Referentenentwurf für das Lieferengpass-Gesetz deutlich. Darin fordert sie eine eine Vergütung in ganz anderer Dimension : 21 Euro pro Medikament, wenn dieses als Ersatz für nicht lieferbare Präparate an Endkunden abgeben wird. Das berichtete jetzt die Pharmazeutische Zeitung. Zur Begründung rechnet die ABDA vor, dass die durchschnittliche Apotheke inzwischen sechs Stunden pro Woche mit dem Management von Lieferengpässen zubringe. Angesichts der
Arbeitgebervollkosten von fast 76 Euro pro Stunde für pharmazeutische Angestellte seien die 21 Euro
daher dringend nötig.

In der Stellungnahme findet sich auch ein Vorschlag der ABDA zur Umformulierung des traditionellen
„…und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“-Hinweises. Der soll ja nun gegendert werden, wofür das
BMG im Gesetzesentwurf die Formulierung „…und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt und fragen
Sie in Ihrer Apotheke“ vorschlug. Dass in der Apotheke einfach irgendwer gefragt werden solle,
gefällt der ABDA indes gar nicht, Kunden sollten sich doch bitte an den Apotheker oder die
Apothekerin wenden, fordert die Standesorganisation mit einigem Recht. Ihr
Formulierungsvorschlag: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und holen
Sie ärztlichen oder apothekerlichen Rat ein“. AMIRA meint: Die 21-Euro-Forderung ist happig und
wird selbstverständlich nicht erfüllt, der „apothekerliche Rat“ mag sich gendermäßig korrekt
anhören, rein sprachlich aber schaurig…

Bald Vierfach-Selbsttest auf Atemwegserkrankungen möglich?

Dass Apotheken auf Covid-19 testen ist ein alter Hut. Als Innovation bieten findige Unternehmer den
Apotheken derzeit Testkits an, mit denen sie auch Tests auf Influenza A und B sowie RSV durchführen
können. Weil das Influenza-Virus aber meldepflichtig ist, und diese Meldung von einem Arzt/einer
Ärztin erstattet werden muss, dürfen die Apotheken die Tests rein rechtlich bislang gar nicht
durchführen und auch nicht an Kunden abgeben, schreibt die Gelbe Liste in ihrer Online-Ausgabe.
Testen dürften sich Kunden – also medizinische Laien – nur auf HIV und Covid-19. Damit Menschen
sich demnächst zusätzlich selbst auf Grippe-Viren (A+B) und RSV testen könnten, wolle das BGM die
Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) ändern. Dazu soll die MPAV um In-vitro-Diagnostika für
die Eigenanwendung durch Patienten oder Laien, die für den Nachweis von Influenzaviren bestimmt
sind, erweitert werden.

Anforderungen an derartige „Laientests“ sind Einfachheit und Eindeutigkeit – nur so könne das
Ergebnis richtig interpretiert werden. Zur richtigen Anwendung könnten die Hersteller auch
Verhaltensempfehlungen geben, teilte das BMG mit. Prüfung und Freigabe der Testkits sollen durch
die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das RKI erfolgen.

AMIRA meint: Wetten, dass damit zusätzlicher Beratungsaufwand auf euch zukommt?

BVDAK für FSME-Impfungen in Apotheken

„Je mehr Modellprojekte zum Impfen in Apotheken an den Start gehen, umso eher nutzt es den PatientInnen und der gerade wieder einmal sehr unter Druck stehenden Apothekerschaft“, sagt der BVDAK-Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann. „Wenn wir immer nur darauf warten, dass von der Berliner Gesundheitspolitik angeblich gute Vorschläge kommen, die sich dann als Flop erweisen, dann ist es sinnvoll, die Leistungspalette mit eigenen Vorschlägen auszubauen“, meint Hartmann. Die Erkenntnisse aus zahlreichen Modellprojekten sowie die guten Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass Impfungen in Apotheken insgesamt positiv bewertet würden und zudem Potenzial bieten könnten, Impfquoten zu verbessern. Zudem habe die Corona-Pandemie den Nutzen von Impfungen für die Prävention von Krankheiten vielen Menschen bewusst gemacht. Dieses Momentum sollte genutzt werden, um weitere niedrigschwellige Impfungen anzubieten. Auch Schutzimpfungen gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sollten daher zumindest allen PatientInnen angeboten werden dürfen, für die eine STIKO-Impfempfehlung vorliegt. Hartmann sagte, dass Apotheken der ideale Ort seien, um die Impfquote gegen FSME zu erhöhen, denn Apotheker könnten immer dann, wenn sie von Kunden nach Repellents oder Zeckenzangen gefragt würden, auf die Möglichkeit zur Impfung in der Apotheke hingewiesen werden. 

Neues Covid-Medikament mit guten Studiendaten

Die Pharmazeutische Zeitung berichtet von vielversprechenden Studiendaten zu einem japanischen
Medikament gegen leichte bis mittelschwere Infektionen mit Covid-19. Sein Name: Ensitrelvir, eine
SARS-CoV-2-Proteaseinhibitor. Sein Vorteil: Im Gegensatz zu Paxlovid wirkt das von der Firma
Shionogi entwickelte und in Phase-III-Studien getestete Medikament ohne Ritonavir-Booster. Auch
wollen die Forscher weniger Arzneimittel-Wechselwirkungen beobachtet haben. Die Studie ergab,
dass die fünf wichtigsten Symptome (Husten, laufende oder verstopfte Nase, Halsschmerzen, Fieber
oder Hitzegefühl und Mattigkeit) unter Gabe von Ensitrelvir rund 24 Stunden früher abklangen als
nach Gabe eines Placebos. Der Wirkstoff sei gut verträglich, allerdings wurde eine Abnahme des HDL-
Cholesterins und ein Anstieg von Triglyzeriden im Blut festgestellt, wie die PZ schreibt. Dass die
Einnahme des Medikaments auch das Risiko eines Long-Covid-Syndroms reduziere, wie es
Studiendaten nahelegten, sei dagegen noch nicht ausgemacht, schreibt die PZ. Zugelassen ist der
Wirkstoff bisher nur in Japan, dort unter dem Handelsnamen Xocova®.

Lauterbach: Engpässe bei Kinderarzneimitteln weitgehend behoben

Ein guter Politiker darf sich auch mal selbst loben. Das tat am Dienstag der Woche Karl Lauterbach,
indem er die Engpässe bei der Versorgung mit Kinderarzneien als deutlich verbessert darstellte.
Grund: Die noch bis Ende April ausgesetzten Festbeträge, zu denen die gesetzlichen Krankenkassen
vergüten, hätten ausländische Produzenten veranlasst, Paracetamolsaft und Kinderantibiotika wieder
verstärkt nach Deutschland zu liefern, weil sie dafür unter der genannten Regelung höhere Preise
erzielen konnten. „Die Lage hat sich, Gottseidsank, deutlich entspannt“, sagte der
Bundesgesundheitsminister. Der GKV-Spitzenverband hatte zu Jahresbeginn Festbeträge für
insgesamt 180 Fertigarzneimittel für drei Monate aufgehoben. Das heißt aber auch: Ab Mai werden
wieder die gedeckelten Preise gezahlt. Im Sommer soll dann das Arzneimmittel-
Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzt (ALBVVG) endgültig Abhilfe
schaffen, eine Übergangsregelung wird es nicht geben.

AMIRA fragt: Deckt sich Lauterbachs Beobachtung mit euren Erfahrungen? Ist der Engpass bei den
genannten Kinderarzneimittel aufgeweitet und damit behoben? Wir sind gespannt auf eure Beiträge
im Forum!