Arzneimittel und Ramadan: Wissenswertes zur Fastenzeit

Während des Ramadans verzichten Gläubige rund 15 Stunden täglich auf Nahrung und Wasser, was wiederum die Medikamenteneinnahme einschränken kann. Wie kann das Fasten in eine Arzneimitteltherapie integriert werden?

Der muslimische Fastenmonat Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders. Er richtet sich nach dem Mondjahr, welches kürzer ist als das Sonnenjahr. So variiert das Datum jährlich, dieses Jahr dauert die Fastenzeit vom 23. März bis zum 20. April und endet mit dem Ramadanfest. Für Gläubige ist es (unter bestimmten Voraussetzungen) verpflichtend zu fasten, und damit von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr zu verzichten, sofern die Person gesund und frei von Hinderungsgründen (z. B. Schwangerschaft, Stillzeit, Reise, hohes Alter) ist.

Kranke müssen nicht fasten

Auch Kranke sind von der Pflicht befreit, doch häufig möchten sie dennoch fasten, weil sie die Spiritualität miterleben und den Gottesdienst verrichten wollen. Häufig sind das auch ältere Personen, die seit mehreren Jahrzehnten gefastet haben und nicht plötzlich darauf verzichten wollen. Auf der anderen Seite wird aus islamischer Sicht der Körper als Leihgabe Gottes verstanden (arab. amana), es gilt ihn zu pflegen und gesund zu erhalten. Gesundheitsschädliche Handlungen sollen nach diesem Prinzip vermieden werden. Wenn das Fasten mehr Schaden anrichtet als Gutes zu tun, ist es gegebenenfalls zu unterlassen. Doch wie kann das beurteilt werden?

Die Situation beurteilen kann die Person selbst, beispielsweise wenn ein starkes Schwäche- und Krankheitsgefühl im Rahmen einer akuten Erkrankung vorliegt, der Genesungsprozess verzögert wird oder Schmerzen auftreten. Bei unzureichender Wasserzufuhr kann es im schlimmsten Fall auch zu einer Dehydratation kommen, allerdings passiert das eher selten. Häufiger sind eher leichte Kopfschmerzen in den ersten ein bis drei Tagen, in denen sich der Organismus auf das Fasten umstellt – danach hat der Körper in der Regel den neuen Rhythmus angenommen.

Therapieumstellung manchmal möglich

Zum anderen kann eine Ärztin bzw. ein Arzt feststellen, ob das Fasten individuell für die jeweilige Person medizinisch tragbar ist oder nicht. Vor allem bei chronisch Kranken dauert es häufig, bis die Medikamente eingestellt sind. So kann das Fasten und/oder das zusätzliche, eigenständige Weglassen von Arzneimitteln ohne ärztlichen Rat sowie eine Therapieumstellung bei manchen Erkrankungen und individuellen Risikofaktoren gefährlich werden. Insbesondere bei Menschen mit Diabetes mellitus ist es durch die geänderten Zeiten der Nahrungsaufnahme eine große Herausforderung, dem Wunsch nach Fasten und der Gesunderhaltung des Körpers in Einklang zu bringen – doch es ist nicht in allen Fällen unmöglich.

So können unter Umständen Dosierungspläne für oral anzuwendende Arzneimittel für diesen Zeitraum geändert werden. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Darreichungsformen nur zwischen dem Sonnenuntergang und der Morgendämmerung eingenommen werden dürfen und die Zeitspanne zwischen ihnen kürzer ist als außerhalb des Ramadans1. Gegebenenfalls kann auf ärztliche Anweisung auch auf geeignete, alternative Präparate umgestellt werden, die z. B. ein- bis zweimal statt dreimal täglich eingenommen werden. Wichtig ist hier, dass das ärztlich abgeklärt werden muss, da bei chronischen Erkrankungen in der Regel verschreibungspflichtige Medikamente zum Einsatz kommen. Patientinnen und Patienten müssen auch darüber informiert werden, wann sie ihre Medikamente einnehmen sollen (vor, während oder nach der Nahrungsaufnahme), insbesondere wenn sie mit Medikamenten behandelt werden, deren Resorption durch Nahrungsaufnahme beeinträchtigt werden könnte1.

Auch Menschen mit Diabetes mellitus können unter Umständen fasten. Eine häufige Kontrolle des Blutzuckerspiegels gehört dazu. 

Die internationale Diabetes-Föderation (IDF) empfiehlt Patientinnen und Patienten hierfür etwa sechs Wochen vor Beginn des Ramadans eine ärztliche Konsultation, da die Therapieumstellung Zeit erfordert2 . Menschen mit Diabetes sollten zudem viel häufiger ihre Blutzuckerwerte überprüfen. Dass das Fasten abgebrochen wird, wenn es gesundheitlich nicht mehr möglich ist, steht – sowohl aus medizinischer als auch religiöser Sicht – außer Frage. Die Gesundheit sollte stets der Maßstab sein und im Fokus stehen.

Wissenschaftliche Fakten: Wann ist das Fasten gesund?

Das Fasten im Ramadan wird in der Wissenschaft als intermittierendes Trockenfasten bezeichnet3. Es ist eine effektive Maßnahme zur Zellreinigung, wie der japanische Wissenschaftler Professor Dr. Yoshinori Osumi 2016 herausfand. Beim Fasten wird demnach ein sogenannter „Autophagie“-Prozess eingeleitet, bei dem der Körper Abfallprodukte in den Zellen abbaut und sie anderweitig verwertet. Dieser Prozess wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus.

Expertinnen und Experten – insbesondere aus dem Bereich Ernährungsmedizin – weisen allerdings darauf hin, dass Fastende auf die Ernährung achten sollten. Stark gesalzene, verarbeitete und zuckerhaltige Nahrungsmittel sollten vermieden werden. Salz forciert den Durst und Zucker kann zu starken Blutzuckerschwankungen führen, die gesundheitsschädlich sein können. Außerdem empfiehlt sich eine ausgewogene, ballaststoffreiche Kost, um eine längere Sättigung zu erhalten und mit ausreichenden Vitaminen und Nährstoffen versorgt zu sein. Vom Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung soll zudem auf eine ausreichende Wasserzufuhr (ca. 1,5 bis 2 Liter) geachtet werden, damit der Stoffwechsel wie gewohnt funktionieren kann.

Medikamenteneinnahme während der Fastenzeit

Wasser ist auch für die Wirkstofffreisetzung aus Darreichungsformen wie Tabletten und Dragees essenziell. Orale Medikamente brechen das Fasten und müssen daher in den Zeiten der gestatteten Nahrungsaufnahme appliziert werden. Muslimische Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen (Medizin, Pharmakologie, Jura, Theologie etc.). sind sich einig, dass die folgenden Darreichungsformen das Fasten nicht aufheben1:

  • Augen- und Ohrentropfen
  • Topika wie Cremes, Salben und Gels
  • Wirkstoffhaltige Pflaster
  • Vaginaltabletten und -spülungen, Ovula
  • Injektionen durch die Haut, in Muskeln, Gelenke oder Venen (mit Ausnahme von Nährstoffen)
  • Sauerstoff und Anästhesiegase
  • Nitroglyzerin-Tabletten, die zur Behandlung von Angina pectoris unter die Zunge gelegt werden
  • Für die meisten Expertinnen und Experten heben zudem Nasentropfen, -sprays, Inhalatoren die Fastenregeln nicht auf.

 

 

Quellen:

(1)   https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC521001/

(2)   https://www.idf.org/54-our-activities/576-people-living-with-diabetes.html

(3)   https://www.karger.com/Article/FullText/505201