Wochenrückblick: Ampel stellt Cannabis auf Grün, Rekord bei Fortbildungen und Ärger um den Mindestlohn

Die Regierung stellt in Sachen Cannabis-Legalisierung die Ampel auf Grün, der Arbeitsminister erwartet eine deutliche Steigerung des Mindestlohns und der Kassenarzt-Chef fordert eine Gebühr von Notfallpatienten, die gar keine Notfälle darstellen. Interessant, was in dieser Woche passierte …

Cannabis per Club-Modell

In einer Pressekonferenz am Mittwoch dieser Woche stellten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir die überarbeiteten Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor. Demnach soll die Pflanze in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen („Club-Anbau“), denen bis zu 500 Personen angehören dürfen, angebaut werden können. Die Clubs dürfen ihren Mitgliedern im Monat maximal 50 Gramm Cannabisblüten aushändigen, allerdings dürfen Mitlieder maximal drei vom Club erworbene Pflanzen auch privat anbauen. In einem zweiten Schritt soll Cannabis während eines regionalen Modellversuchs (Regional-Modell) auch in Fachgeschäften verkauft werden, was über einen Zeitraum von fünf Jahren wissenschaftlich begleitet werden soll. Damit will die Politik den Einfluss einer legalen und kommerziellen Lieferkette auf Jugendschutz und Schwarzmarkt-Drogenhandel untersuchen. Aus den Anfangsbuchstaben der Modellnamen lässt sich das Akronym „CARe“ bilden, was im Englischen so viel wie „Sorge, Pflege“ bedeutet. Und das soll nach Lauterbach und Özdemir auch Sinn des Gesetzes sein. Lauterbach sagte: „Cannabis ist ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit. Besonders Jugendliche sind durch Cannabis in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung beeinträchtigt. Trotzdem konsumieren immer mehr Jugendliche die Droge. Die Schwarzmarktware ist häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren. Das können wir nicht länger hinnehmen. Deswegen wagen wir die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen und drängen den Schwarzmarkt zurück, flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Der Gesundheitsschutz steht dabei im Vordergrund.“ Dass der Konsum von Cannabis eine „gesellschaftliche Realität“ sei, sagte auch Özdemir. „Eine jahrzehntelange Verbotspolitik hat davor die Augen verschlossen und damit vor allem Probleme verursacht: zulasten unserer Kinder und Jugendlichen, der Gesundheit von Konsumierenden und der Strafverfolgungsbehörden. Nun schaffen wir eine stimmige und pragmatische Cannabis-Politik aus einem Guss, vom Anbau bis zum Konsum. Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt. Durch einen kontrollierten Anbau und die Abgabe im Rahmen von Cannabis-Clubs stärken wir den Jugend- und Gesundheitsschutz.“

Derartige Vorstellungen seien aber unrealistisch, heißt es zu den Plänen von verschiedenen Seiten. So bezeichnete Michael Mertens, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, das Vorhaben gegenüber der Westdeutschen Allgemeine Zeitung als „Realsatire“ und fragte: „Glaubt jemand ernsthaft, dass kontrolliert wird, ob jemand drei Hanf-Zimmerpflanzen hat?“

Thomas Preis, Vorsitzender Apothekerverband Nordrhein, kritisierte die Pläne gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung mit den Worten: »Es ist schon absurd, dass wir gegen massive Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder, Blutdruck-Patienten, Krebskranken und Diabetikern kämpfen müssen und jetzt viel politische Energie verwenden, um Drogen salonfähig zu machen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Apothekerinnen und Apotheker lehnt deshalb aus medizinischen und pharmazeutischen Gründen die Legalisierung von Cannabis ab. Nach wie vor widerspricht die Legalisierung von Cannabis allen medizinischen und pharmazeutischen Kenntnissen. Wir schaffen uns zusätzliche Probleme insbesondere bei jungen Menschen. Verstärkt wird das noch dadurch, dass diese immer häufiger und schon frühzeitig Cannabis konsumieren. Das Risiko, später psychotische Symptome, Depressionen oder Angststörungen zu bekommen, ist für junge Menschen besonders hoch, weil der intensivste Teil der Entwicklung des Gehirns vor dem 20. Lebensjahr liegt.“

AMIRA meint: Es handelt sich erstmal nur um einen Entwurf bzw. ein Eckpunktepapier, das erst noch ein Gesetzentwurf werden muss. Aber trotzdem fragen wir: Meinst du, dass ein Gesetz mit derartigen Regelungen den Drogenhandel bekämpft und die Gesundheit der Konsumenten schützt? Wir sind gespannt auf deinen Kommentar!

Rekord bei Fortbildungsveranstaltungen der Kammern

Einen neuen Rekord haben laut ABDA die Apothekerkammern im Jahr 2022 aufgestellt: Sie boten rund 2.700 Fortbildungsveranstaltungen an, mehr als je zuvor. 2022 waren es 42 Prozent mehr als im Jahr davor und zudem rund sieben Prozent mehr als im Vor-Pandemie-Jahr 2019. Im Jahr 2022 nahmen rund 207.000 Personen an den Fortbildungen teil, das ist der zweithöchste je verzeichnete Wert. Nur im Jahr 2021 lag er etwa drei Prozent darüber.

Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer: „Die Apothekerkammern decken mit ihren Fortbildungen auch aktuelle Bedarfe ab. 2022 standen zwei Themen besonders im Fokus: Medikationsanalyse und Impfungen. Für beide hat die Bundesapothekerkammer Curricula erarbeitet.“ Kompetenzen im Bereich Medikationsanalyse/Medikationsmanagement sind für die pharmazeutischen Dienstleistungen, die die Krankenkassen vergüten, essenziell. Drei dieser fünf pharmazeutischen Dienstleistungen können nur angeboten werden, wenn die Fortbildung zum Arbeitsprozess absolviert wurde. Um das Wissen über die fachlichen Aspekte, die für die Medikationsanalyse notwendig sind, aufzufrischen und zu vertiefen, bieten die Apothekerkammern ergänzende Schulungen an. Zum Beispiel zur Erkennung und Behebung arzneimittelbezogener Probleme oder zur Förderung der Therapietreue. Betrachtet man alle Veranstaltungen zum Themenkomplex Medikationsanalyse, ist die Zahl der Angebote (483 Veranstaltungen, plus 71 Prozent) in 2022 ebenso deutlich gestiegen wie die Zahl der Teilnehmer (20.375 Personen, plus 48 Prozent). Weiterer Schwerpunkt waren Schulungen zur Durchführung von Schutzimpfungen. 2022 boten die Apothekerkammern 405 solcher Schulungen an, die insgesamt 8.462 Apothekerinnen und Apotheker absolvierten.

Steigen die Gehälter von PKA und PTA?

Frohe Erwartungen und Ärger zugleich rief Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in dieser Woche mit nur einer einzigen Äußerung hervor. Heil sagte, er erwarte, dass die Mindestlohn-Kommission Mitte Juni einen Vorschlag zur deutlichen Anhebung des Mindestlohns von zurzeit 12 Euro vorlegen werde.

Das könnte auch Auswirkungen auf die PKA- und PTA-Gehälter haben, die sich beim Einstieg in den Beruf nahe dieser Grenze bewegen. Fachleute erwarten, dass bei einer Anhebung des Mindestlohns auch die Gehälter in der Apotheke steigen werden, allein schon, um den Abstand zu den meist von Ungelernten ausgeübten Jobs aufrecht zu erhalten, für die der Mindestlohn eingeführt wurde. Um den Gehaltsabstand zwischen den Berufsgruppen PKA und PTA zu wahren, würde dann auch fast zwangsläufig das Gehalt der Letztgenannten steigen müssen. Angesichts der hohen Inflation, die die jüngste Gehaltssteigerung nahezu vollständig auffrisst, finden viele Apothekenmitarbeiter Heils Erwartung sicherlich gut.

Nicht so die Arbeitgeber. Deren Verbände und Interessenvertretungen werfen dem Arbeitsminister Einmischung in die Tarifautonomie und ein Drehen an der Lohn-Preis-Spirale – also ein Anheizen der Inflation - vor. Betroffen sehen sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen, für die die Anhebung des Mindestlohns nach eigener Aussage jedes Mal einen Kraftakt darstellt. Ganz unmittelbare Auswirkungen wird eine mögliche Anhebung aus den oben beschriebenen Gründen für die Apotheken haben. Eine Folge könnte sein: Es wird Personal abgebaut oder freiwerdende Stellen werden nicht bzw. später besetzt. AMIRA wird die Vorgänge weiter im Auge behalten.

AMIRA fragt: Kommen die Apotheken durch weitere Gehaltserhöhungen in Bedrängnis oder ist es überfällig, dass die Gehälter steigen?

Ozempic und kein Ende

Das BfArM informiert über verschiedene Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit den Glucagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) Dulaglutid (Trulicity®) und Semaglutid (Ozempic®) für Patienten mit Typ 2 Diabetes. Beides ist durch den Lifestyle-getriebenen Off-Label-Use gegen Adipositas sowie durch Lieferschwierigkeiten der Hersteller knapp geworden. Ab sofort soll die Verordnung der genannten Arzneimittel auf Nicht-GKV-Rezepten/Verordnungen im ambulanten Bereich nur noch unter Angabe einer zugelassenen Indikation erfolgen. Eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen ist zulasten der GKV grundsätzlich nicht zulässig. Fehlt die Angabe der Indikation auf der Nicht-GKV-Verordnung, soll die Apotheke Rücksprache mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt halten, um sich bestätigen zu lassen, dass für eine zulassungskonforme Indikation verordnet wurde. Eine Abgabe unter Vorlage eines Arztausweises soll ebenfalls nicht erfolgen. Außerdem soll die verordnete Menge der beiden Mittel den Bedarf für drei Monate nicht übersteigen, das sind zwölf Fertigpens (N3) von Trulicity® bzw. frei von Ozempic®.

Pandemie: Gesundheitspersonal weltweit hoch belastet

Wahrscheinlich hast du noch nie von der „World Health Professions Alliance“ gehört. Haben wir Recht? Die Kenntnis lohnt sich aber, denn die WHPA ist ein internationaler Zusammenschluss aus fünf Organisationen, der die Interessen von fast 40 Millionen Beschäftigten in Gesundheitsberufen in mehr als 130 Ländern vertritt, darunter auch die der Apotheker. Jetzt hat die Vereinigung die Ergebnisse einer Untersuchung veröffentlicht, die der Frage nachging, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf Angehörige der genannten Berufe hatte. Nicht unerwartet gelangt der Report zu der Einsicht, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen während der Pandemie Schutz und Sicherheit benötigten, wofür vor allem die berufsständischen Organisationen gesorgt hätten. Zugleich seien sie häufiger psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen, wovor sie nicht immer ausreichend geschützt worden seien. Es fehle an Initiativen gegen Gewalt auf lokaler wie auf nationaler Ebene. Lobend erwähnt der Report die Apotheken besonders an einer Stelle. Diese seien nämlich weltweit eine gute Anlaufstelle, um Impfquoten in abgelegenen Regionen zu erhöhen. Außerdem könnten sie Fake-News aus sozialen Medien korrigieren und so zu besserer Gesundheitsfürsorge beitragen.

AMIRA meint: Je größter die betrachteten Einheiten, desto schlichter die Ergebnisse. Oder was meint ihr?

Kassenarzt-Chef fordert Notfallgebühr

Jede Einrichtung im Gesundheitswesen hat ihre ganz eigene Baustelle. Die Apotheken das E-Rezept oder die Lieferengpässe, und die Notaufnahmen in den Krankenhäusern werden verstopft von Patienten, die dort vermeintlich nicht hingehören. Deshalb forderte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, am Mittwoch die Einführung einer Notfallgebühr für Menschen, die die Krankenhaus-Notaufnahme für minderschwere Probleme bemühen: den gequetschten Finger, Kopfschmerzen, Bauchweh, eine kleinere Schnittwunde. „Das kostet die Solidargemeinschaft unterm Strich mehr Geld und bindet unnötig medizinische Ressourcen“ sagte Gassen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wer gleich die Notaufnahme ansteuere, ohne vorher die Leitstelle anzurufen, solle künftig „gegebenenfalls“ eine Gebühr entrichten. Kritik kam von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die forderte, dass Patienten in einer Notfallsituation zunächst Anspruch darauf hätten, ideal beraten und gelenkt zu werden. Wenn die Kassenärzte das nicht hinbekämen, sei das kein Grund, die Patienten zu bestrafen, die sich auf eigene Faust um ihre Versorgung kümmerten. Auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach erteilte der Forderung von Gassen eine Absage: Zwar werde über eine Reform des Notfallsystems diskutiert, aber „der Vorschlag, der hier von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, von Herrn Gassen vorgetragen wird, der wird keine Umsetzung finden“, sagte der Minister am Mittwoch in Berlin.