Wochenrückblick: ABDA-Plakat, Ungewöhnlicher Vorschlag der BVDAK und Lauterbach macht Druck

Sparmaßnahmen, mangelnde Honorierung und fehlende Unterstützung beim Engpass-Management - die Schuldigen hat die ABDA im Rahmen ihrer Eskalationsstrategie aufs Plakat gebannt. Der BVDAK-Chef macht einen eher ungewöhnlichen Vorschlag zur Attraktivitätserhöhung des Arbeitsplatzes Apotheke. Zusätzlich Nachträge zur geplanten Cannabis-Legalisierung und weitere Nachrichten aus der vergangenen Woche.

ABDA-Plakat: „Die Regierung fährt uns gegen die Wand“

So lautet der Slogan eines Plakats, mit dem die ABDA seit Donnerstag Apotheken in ganz Deutschland versorgt. Ziel: Die Apothekenkundschaft soll endlich darüber in Kenntnis gesetzt werden, wie fortschreitende Sparmaßnahmen, mangelnde Honorierung und fehlende Unterstützung beim Engpass-Management die Zukunft der Apotheke vor Ort gefährden. Und damit zur schlechteren Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten führen. Auf dem Plakat sitzen die Schuldigen an der Misere am Steuer eines typischen Apotheken-Lieferfahrzeugs, wegen der Farbe ihrer Krawatten unschwer als Akteure der Ampel-Koalition zu erkennen. Das Wägelchen legt einen wilden Ritt hin und bäumt sich auf wie bei einer Vollbremsung – wahrscheinlich die Versinnbildlichung des Wandaufpralls… Eine Ähnlichkeit mit lebenden und verantwortlichen Akteuren ist nicht zu erkennen, die rot-beschlipste Person trägt nicht mal einen Pulli und hat auch keine strähnigen Haare. Immerhin blicken alle beseelt bis energisch drein. Aber vielleicht will die ABDA in weiser Voraussicht auch nicht allzu viel Porzellan im politischen Raum zerschlagen, und hat deshalb auf die realistische Darstellung – zum Beispiel des Bundesgesundheitsministers - verzichtet. Das von der ABDA als „Eskalation“ bezeichnete Plakat liegt den aktuellen Ausgaben von PZ und DAZ bei und kann von den Apotheken über die Website apothekenkampagne.de heruntergeladen werden, damit es einen aufmerksamkeitsheischenden Platz in der Offizin findet. Ob der Aushang den von der ABDA erhobenen Forderungen nach Retaxationssicherheit, Bürokratieabbau und einer Engpass-Pauschale von 21 Euro (statt der zugestandenen 50 Cent – Achtung: Aufs Nummernschild achten!) Nachdruck verleiht? Vielleicht hilft die Argumentationshilfe, die die ABDA zum Download bereitstellt und in der ihre zehn Forderungen genau begründet werden, mehr. Denn viele Apotheker und PTA kommen vielleicht mit der Kundschaft über die aktuellen Probleme ins Gespräch, können dann aber nicht genug Verständnis erwecken, weil ihnen die Begründung für ihre Forderungen fehlt. Hier gibt´s die Argumente zum Download.

BVDAK-Chef Hartmann mit ungewöhnlichem Vorschlag

Einen ungewöhnlichen Vorschlag zur Attraktivitätssteigerung des Arbeitsplatzes „Apotheke“ machte am Dienstag dieser Woche der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen, Dr. Stefan Hartmann, im Gespräch mit der DAZ.online. Genau wie viele andere Verbände beklagt Hartmann die Ertragslage und Honorierung der Apotheken. Statt aber nur nach mehr Geld zu rufen, schlug der BVDAK-Chef vor, 60 oder 70 Prozent einer möglichen Honoraranhebung direkt in den Bundesrahmenvertrag zu überführen, damit „vor allem auch unsere Mitarbeiter durch steigende Gehälter profitieren“. Hartmann weiter: „Unser Gehaltsniveau ist im Vergleich zu anderen Branchen viel zu niedrig. Wir stehen im Wettbewerb um Fachkräfte aus der Pharmaindustrie und da haben Apotheken aktuell keine Chance. (…) Um bessere Gehälter zahlen zu können, brauchen die Apotheken mehr Geld. Und das geht nur mit einem höheren Fixhonorar.“ Eine Erhöhung des Honorars dürfe eben nicht allein den Inhabern zugutekommen, sondern müsse auch für die „Mitarbeiterinnen spürbare Auswirkungen haben“. Denn, so Hartmann: „Wir sitzen mit unseren Teams (…) in einem Boot.“

Cannabis-Nachtrag I: Doppelt so viele stationäre Behandlungen wie vor zehn Jahren in NRW

Am Donnerstag teilte das Statistische Landesamt NRW mit, dass 2021 fast doppelt so viele Menschen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen infolge von Cannabis-Konsum stationär im Krankenhaus behandelt wurden, wie zehn Jahr zuvor. Nämlich 3 976 gegenüber 2 092 Fällen in 2021. Das entspricht einer Zunahme von 90,1 Prozent. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilt, hatten Cannabisbedingte-Behandlungen einen Anteil von 5,1 Prozent an allen stationären Behandlungen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen. Damit lag Cannabis hinter Alkohol (68,1 Prozent, 53 285 Fälle), Opioiden (11,6 Prozent; 9 108 Fälle) und multiplem Substanzgebrauch (7,8 Prozent; 6 084 Fälle) auf Rang vier der häufigsten Diagnosen im Zusammenhang mit konsumierten Substanzen. Mehr als die Hälfte (61,2 Prozent) der aufgrund von Cannabis im Jahr 2021 im Krankenhaus behandelten Personen aus NRW war zwischen 21 und 39 Jahren alt. Jünger als 21 Jahre waren 27,7 Prozent der stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit psychischen und Verhaltensstörungen durch Cannabis-Gebrauch; 11,2 Prozent waren 40 Jahre oder älter. Gut drei Viertel aller Behandlungsfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis waren Männer (77,4 Prozent).

Cannabis-Nachtrag II: Legalisierung führt zu Mehrkonsum, jedenfalls im Ausland

Am selben Tag berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung von einer Übersichtarbeit des Interdisziplinären Zentrums für Sucht- und Drogenforschung (ISD), das im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 164 Einzelstudien aus Ländern unter die Lupe nahm, in denen Cannabis zum Eigengebrauch teilweise schon legalisiert ist. Darunter einzelne Staaten der USA, sowie Kanada und Uruguay. Die Zeitung zitiert die Autoren mit folgenden Erkenntnissen: Erwartbar sei, „dass der Konsum … nach einer etwaigen Legalisierung auch in Deutschland weiter zunimmt“. Bestätigen können die Verfasser auch die Beobachtungen des Statistischen Landesamts NRW, über die wir oben berichteten: Wo mehr Menschen Cannabis konsumieren, steige die Zahl der Aufnahmen in Krankenhäuser infolge akuter und chronischer Suchtfolgen an. Auch habe sich die Zahl der Verkehrsunfälle in vielen Regionen nach der Legalisierung leicht erhöht. Zwar sei die Qualität der Droge, ebenso wie der Kenntnisstand der Konsumenten, gestiegen, aber der Gesundheitsschutz habe sich nach der Legalisierung insgesamt kaum verändert. Ein Problem sieht die Studie bei Jugendlichen. Die empfänden nach der Legalisierung eine „subjektiv höhere Verfügbarkeit“, weshalb ihr Konsum langfristig zunehme. Auch den Erwartungen an die Schwarzmarkteindämmung verpasste das ISD einen Dämpfer. Ein starker legaler Markt führe zu höherem Konsum, es sei denn, er werde stark reguliert: Werbung und Marketing – vor allem aus Social Media – sollten daher eingeschränkt oder verboten werden, Verkaufsstellen müssten diskret agieren. AMIRA meint: Die geplanten Genossenschaftsplantagen haben das sicher voll im Griff!

Canesten Extra Spray – Zusammensetzungs- und Warnhinweise

Der Hersteller Bayer Vital GmbH Selbstmedikations-/Consumer-Care-Products informiert über Ergänzungen in der Zusammensetzung und den Warnhinweisen des Medikaments: Das Arzneimittel enthält 28% w/v Alkohol (Ethanol). Bei geschädigter Haut kann es ein brennendes Gefühl hervorrufen. Die Gelbe Liste weist darauf hin, dass hohe Ethanol-Konzentrationen bei Früh- und Neugeborenen wegen signifikanter Aufnahme durch die unreife Haut, (insbesondere durch Okklusion) schwere lokale Reaktionen und systemische Toxizität verursachen können.

Arzneimittelausgaben der Krankenkassen steigen

Im März 2023 gab die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland etwa 4,27 Milliarden Euro für Arzneimittel aus, was einem Anstieg von etwa 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Diese Zahlen wurden vom Deutschen Apothekerverband (DAV) veröffentlicht und zeigen, dass die Ausgaben trotz der Einsparungen durch Rabattverträge gestiegen sind. Der DAV geht davon aus, dass die Einsparungen durch Rabattverträge im Jahr 2022 insgesamt 5,5 Milliarden Euro betrugen, was einer Steigerung von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Neben den gestiegenen Ausgaben stieg auch die Anzahl der Rezepte, und zwar um 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut DAV ist aber eine Zahl besonders interessant für die Apothekerschaft: 11 Millionen €. So viel fehlten nämlich im Monat März in den Kassen der Apothekeninhaber:innen wegen des erhöhten Abschlags. 

Der Anstieg der Arzneimittelausgaben und Rezeptzahlen im März ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen gibt es wieder vermehrt Atemwegserkrankungen und Infektionskrankheiten, als während der Corona-Pandemie. Das führt zu einer höheren Nachfrage nach entsprechenden Medikamenten. Die Rezeptzahlen sind aber immer noch niedriger als vor der Pandemie. Auch für Impfstoffe stieg die Ausgabe der GKV im März (+9,5 Prozent) und im 1. Quartal (+6,3 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr an. Laut DAV hängt dies hauptsächlich mit einer vermehrten Abgabe von Gürtelrose-Vakzinen zusammen, auch wenn die Zuwachsraten im Vergleich zum Vorjahr geringer waren. 

Lauterbach macht Druck bei Lieferengpässen

Bundesgesundheitsminister Lauterbach setzt auf zügige Beschlussfassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Arzneimittelengpässen. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wurde Anfang April beschlossen, muss aber noch durch das Parlament. Es gibt jedoch viel Kritik von Apotheken, Herstellern und Kassen bezüglich der Austauschfreiheiten und Engpasspauschale. Das Gesetz soll Herstellern höhere Abgabepreise für Kindermedikamente ermöglichen, eine mehrmonatige Lagerhaltung bei wichtigen Medikamenten vorsehen und Hersteller aus Europa stärker fördern. Es soll schon am 1. August in Kraft treten und wird am 12. Mai erstmals im Bundesrat beraten.