Der „stille Killer“: Bluthochdruck gefährdet schon Kinder

Sind nur erwachsene Menschen von Bluthochdruck betroffen? Mitnichten. Die Stiftung Kindergesundheit nimmt den Welt-Hypertonie-Tag zum Anlass, über eine unterschätzte, jedoch zunehmend häufige Kinderkrankheit zu informieren.

Hypertonie, besser bekannt als Bluthochdruck, gilt als Volkskrankheit, die durch einen dauerhaft hohen Druck in den Gefäßen gekennzeichnet ist. Nahezu jeder Dritte in Deutschland leidet darunter, bei der Bevölkerungsgruppe über 60 Jahren ist der Anteil noch größer, dort sind rund die Hälfte der Menschen betroffen. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die die Stiftung Kindergesundheit anlässlich des Welt-Hypertonie-Tages veröffentlicht hat. Dieser findet seit 2005 am heutigen 17. Mai statt. Ziel dieses weltweiten Aktionstages ist es, über den Bluthochdruck zu informieren und das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Volkskrankheit in der Bevölkerung zu schärfen.  
 
Das sei auch bitter nötig, hält die Stiftung fest: Denn neben der allgemeinen Verbreitung in der Gesamtbevölkerung mit dem Schwerpunkt bei älteren Menschen litten nämlich auch immer mehr Kinder und Jugendliche unter hohem Blutdruck, ohne dass sie oder ihre Eltern es wissen. Vor allem in der Pubertät würden immer öfter bedenkliche Blutdruckwerte gemessen, wobei Jungen drei bis vier Mal häufiger betroffen sind als Mädchen. Das Gefährliche dabei: Wie bei den Erwachsenen äußert sich ein zu hoher Blutdruck auch bei Kindern und Jugendlichen nicht mit eindeutigen Krankheitszeichen. Er verläuft fatalerweise lange, meist ohne spürbare Beschwerden und besonders im Kindesalter fehlen die Symptome oft völlig.  
 
Folglich sei Hypertonie bei Kindern lange Zeit ein von der Wissenschaft stark vernachlässigtes Problem gewesen, stellt die Stiftung fest. „Ein zu hoher Blutdruck wird daher immer noch häufig zu spät erkannt und behandelt”, bedauert deren Vorsitzender Professor Dr. Berthold Koletzko: „Die Hypertonie ist leider ausgesprochen heimtückisch: Sie tut nämlich nicht weh. Einen erhöhten Blutdruck spürt man nicht. Das Kind fühlt sich also nicht krank und macht auch auf seine Eltern keinen kranken Eindruck. Nur manchmal geben Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindelgefühle, Nasenbluten, schnelle Ermüdbarkeit, starker Durst, Lern- und Konzentrationsstörungen dem Kinder- und Jugendarzt einen Hinweis auf den bestehenden Hochdruck.” Deshalb sei es trotz aller Bemühungen bis heute nicht gelungen, die Zahlen der von hohem Blutdruck Betroffenen wesentlich zu senken.

Kinder und Jugendliche mit Übergewicht besonders anfällig

„Hoher Blutdruck ist bei Erwachsenen einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und gilt weltweit als eine der führenden Ursachen für Todesfälle durch Herzinfarkt, Schlaganfälle oder Nierenversagen”, erläutert Prof. Dr. Koletzko, der in München als Kinder- und Jugendarzt arbeitet. Bei Kindern komme er zwar deutlich seltener vor als bei Erwachsenen, doch auch bei ihnen sei er nicht weniger gefährlich. Ein Bluthochdruck im Kindesalter gelte nämlich als mitbestimmend für die Höhe des Blutdrucks und deren Folgen im weiteren Verlauf des Lebens.  
 
Laut Angaben der Deutschen Hochdruckliga haben etwa drei Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland einen zu hohen Blutdruck. Das sind etwa 400.000 Heranwachsende. Bei Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht liegt die Rate mit 25 Prozent noch höher. 
 
Bei einer nicht rechtzeitig behandelten Hypertonie drohe eine anhaltende Schädigung der Blutgefäße und eine gefährliche Belastung des Herzens, teilt die Stiftung Kindergesundheit mit. Diese Tatsache hat dem hohen Blutdruck in Fachkreisen schon lange das Attribut „stiller Killer" eingetragen. Schon eine milde Hypertonie steigert das Risiko, bereits im jungen Erwachsenenalter an Herz oder Nieren zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist hoher Blutdruck bei 13 Prozent aller Todesfälle weltweit ein Faktor.

Europäische Gesellschaft für Bluthochdruck: Früher mit dem Messen beginnen

Als besonders gefährlich gilt ein plötzlich auftretender massiver Anstieg des Blutdrucks, eine so genannte hypertensive Krise. Sie kann sich auch bei Kindern durch Sehstörungen, Kopfschmerzen, Nasenbluten oder Zittern bemerkbar machen sowie zu Verwirrtheit und Krampfanfällen bis zur Bewusstlosigkeit führen. Die Hochdruckkrise ist ein lebensbedrohlicher Notfall und erfordert eine notärztliche Versorgung.

Um die gefährlichen Folgen hohen Blutdrucks zu verhindern, empfehlen sowohl die Stiftung Kindergesundheit als auch die Europäische Gesellschaft für Bluthochdruck, den Blutdruck schon bei Kindern vom dritten Lebensjahr an etwa alle zwei Jahre regelmäßig zu messen, nach Möglichkeit bei jedem Arztbesuch. Bei den Vorsorgeuntersuchungen ist eine Blutdruckmessung erst bei der J1, der Jugendgesundheitsuntersuchung, vorgesehen.  
 
Bei besonders gefährdeten Kindern sollte der Blutdruck noch häufiger kontrolliert werden, empfiehlt der Vorsitzende der Stiftung. Dazu zählen:

  • Kinder mit Übergewicht,
  • Kinder mit einem erhöhten Blutfettspiegel (Hypercholesterinämie),
  • Kinder mit einer bekannten oder vermuteten Erkrankung des Herzens oder der Nieren,
  • Kinder, in deren Familie hoher Blutdruck gehäuft vorkommt,
  • und Kinder, deren Eltern vor dem 60. Lebensjahr einen Herzinfarkt oder vor dem 70. Lebensjahr einen Hirnschlag erlitten haben. 

 

Apotheker sieht Verantwortlichkeit beim Kinderarzt

Am gebräuchlichsten ist die Messung des Blutdrucks mit einer aufblasbaren Gummimanschette am Oberarm, bei kleineren Kindern auch am Unterarm oder am Unterschenkel. Zu beachten ist laut der Stiftung Kindergesundheit, dass Umfang und Länge der Oberarme bei Kindern unterschiedlich sind, so dass entsprechend verschieden breite Druckmanschetten benutzt werden müssen.  
 
Jamal Aoulad Ali, Apothekeninhaber in Gelsenkirchen, vertritt die klare Meinung, dass Bluthochdruck bei Kindern ein sehr sensibles Thema ist und immer in die Hände eines Kinderarztes gehört. „Wir als Apotheke kennen die Diagnose meist nicht. Oft bekommen Kinder Blutdruckmedikamente aufgrund von u.a. Herzfehlern. Daher ist es uns gar nicht möglich, eine valide Aussage zu treffen, ob Bluthochdruck bei Kindern häufig vorkommt.“ Er erlebe es sehr selten bis gar nicht, dass Eltern in die Apotheke kommen und berichten, dass ihre Kinder an Bluthochdruck leiden. Abgesehen davon findet er es richtig und notwendig, dass dem Thema bei den U-Untersuchungen der Kinder eine größere Aufmerksamkeit zuteilwird.

Was tun zur Behandlung und zur Prävention?

Für die medikamentöse Behandlung des hohen Blutdrucks stehen Antihypertensiva zur Verfügung, die laut Stiftung Kindergesundheit prinzipiell auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden können. Die meisten Medikamente gegen Hochdruck seien gut verträglich und bei Kindern und Jugendlichen ebenso effektiv wie bei Erwachsenen. Einen Überblick über die gängigen Rx-Medikamente findest du hier.  

Was Patienten begleitend tun können, um Ihren Blutdruck mit Mitteln aus dem OTC-Bereich zu normalisieren, kannst du hier nachlesen.

Zur Behandlung des hohen Blutdrucks stünden an erster Stelle aber Maßnahmen zur Veränderung des Lebensstils, vor allem eine Verringerung des Übergewichts. Die wichtigsten Empfehlungen zur Umstellung der Ernährung lauten demnach: Gesunde Getränke, Brot, Getreide und Getreideflocken, Kartoffeln, Reis, Gemüse und Obst sollten reichlich, Milch und Milchprodukte, Fleisch und Wurst sowie Fisch und Eier mäßig, Öle und Fette nur sparsam verzehrt werden. Auch der tägliche Verbrauch von Salz sollte eingeschränkt werden, da es einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen einem höheren Salzkonsum und Bluthochdruck gibt. Abgeraten wird zudem von Getränken mit hohem Zuckergehalt wie Limonaden, Cola, Eistee und koffeinhaltigen „Energydrinks”. Der beste Durstlöscher für Kinder sei das Wasser aus dem Wasserhahn, betont der Vorsitzende der Stiftung. 
 
Besonders wichtig sei auch eine Verbesserung der körperlichen und seelischen Kondition der Kinder und Jugendlichen durch intensive, tägliche Bewegung, mindestens 60 Minuten am Tag. Laut Robert Koch-Institut erfüllen in Deutschland mittlerweile nur noch 27,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren dieses Kriterium, weshalb Prof. Koletzko Alarm schlägt. Durch zu wenig Bewegung steige das Risiko für Fettsucht und Bluthochdruck.

Nun bist du dran: Welche Erfahrungen hast du bislang mit dem Thema in der Apotheke gemacht? Hast du schon mal den Blutdruck eines Kindes gemessen?