Wochenrückblick - Streik, Streit, Engelhard und Drosten

„Die Regierung hat diesen Protesttag provoziert.“ Mit diesen Worten hat die ABDA-Präsidentin einen bundesweiten Protesttag angekündigt. Wann er stattfindet, wie Engelhard Arzneimittel feiert und warum Drosten keinen Spaß am Campen hat, lest ihr im Wochenrückblick.

In dieser Ausgabe

  • Bundesweiter Apothekenstreik und Protesttag am 14. Juni
  • Bundesrat befasst sich mit Lieferengpassgesetz
  • Deutscher Ärztetag fordert „nationale Arzneimittelreserve“ und wählt wieder Klaus Reinhard in den Vorsitz
  • Festbeträge für Kinderarzneimittel fallen vorübergehend weg
  • UPD-Gesetz in Kraft
  • Engelhard weiht neues Produktionsgebäude ein
  • Drosten kann nicht in Ruhe Campen

 

Bundesweiter Protesttag am 14. Juni

Am 14. Juni werden viele Apotheken in ganz Deutschland geschlossen bleiben. So wollen sie gegen die gesundheitspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung protestieren. Nach vereinzelten Streiks und Protestaktionen in verschiedenen Bundesländern wird nun also die große Bühne bezogen.

„Für unseren Berufsstand steht fest: Die Bundesregierung hat diesen Protesttag provoziert“, erklärte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening. Weil die Bundesregierung in ihren Gesetzesvorhaben immer wieder die Probleme der öffentlichen Apotheken wie Lieferengpässe, Personalnot und eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung übergehe, destabilisiere sie die Arzneimittelversorgung in Deutschland. „Anstatt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln über die Apotheken vor Ort zu stabilisieren, wird sie geschwächt. Jeden Tag müssen Apotheken schließen. Hochschulabsolventinnen und -absolventen unseres Faches können sich immer seltener den Gang in die Selbständigkeit vorstellen, vor allem, weil die wirtschaftliche Perspektive fehlt“, so Overwiening.

Die ABDA hat zum Protesttag, an dem die Arzneimittelversorgung nur über die Notdienstapotheken laufen wird, ihre Mitgliedsorganisationen informiert – auch über die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen, die es seitens der Bundesvereinigung in den kommenden Wochen geben werde. Die Kammern und Verbände wiederum kommunizieren derzeit dazu mit den Apotheken in allen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise rufen die Apothekerkammer Nordrhein und der Apothekerverband Nordrhein gemeinsam unter dem Motto „Achtung! Die Bundesregierung gefährdet die Arzneimittelversorgung!“ am 14. Juni zu einer Demonstration auf dem Burgplatz in Düsseldorf auf. Weitere Informationen sollen die Apotheken vor Ort in Kürze erhalten. Auch der diesjährige „Tag der Apotheke“ am 7. Juni soll bereits im Zeichen des politischen Protests stehen.

AMIRA fragt: Macht ihr mit? Sagt es uns in den Kommentaren!

Bundesrat befasst sich mit Lieferengpass-Gesetz

Der Bundesrat hat sich vergangene Woche Freitag erstmals mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG, kurz Lieferengpass-Gesetz) befasst und dieses bemängelt. Die Vertretung der Bundesländer wünscht sich einerseits mehr Flexibilität für die Apothekenteams beim Bewältigen der zunehmenden Arzneimittel-Lieferengpässe. Andererseits fordern die Bundesländer eine deutliche wirtschaftliche Stärkung der Apotheken vor Ort sowie eine Entbürokratisierung, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in allen Landesteilen sicherzustellen.

Lob dafür gab es ABDA-Präsidentin Overwiening: „Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wissen sehr genau, wie wichtig die Apotheken für die Bevölkerung vor Ort sind. Sie sind oftmals die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen. Die Apotheken sind Problemlöser – um sie zu erhalten, braucht es dringend weniger Bürokratie, mehr Entscheidungsfreiheit beim Austausch von nicht lieferbaren Arzneimitteln und eine bessere Vergütung.“ Der Bundesratsbeschluss lasse erkennen, dass die Bundesländer deutlich näher an den Problemen und Herausforderungen der Menschen im Versorgungsalltag als das Bundesgesundheitsministerium sind. Nun seien der Bundestag und die Bundesregierung gefordert. Die ABDA setzt sich seit mehreren Wochen mit einer teils umstrittenen Strategie für eine Nachbesserung des Lieferengpass-Gesetzes ein.

Deutscher Ärztetag fordert „nationale Arzneimittelreserve“ und wählt wieder Klaus Reinhard in den Vorsitz

Das Gesetz war auch Thema des diesjährigen Deutschen Ärztetages, der in dieser Woche in Essen stattfand. In einem der Beschlüsse fordern die 250 Delegierten eine „nationale Arzneimittelreserve“. Die bisherigen Maßnahmen der Ampel-Regierung gingen in die richtige Richtung, seien aber alles andere als ausreichend. Neben einer Arzneimittelreserve müsse die Politik auch Anreize schaffen, damit wieder mehr Medikamente in Deutschland produziert würden. Pharma-Unternehmen sollten außerdem verpflichtet werden, drohende Lieferengpässe frühzeitig zu melden. Insgesamt brauche es einen „Kurswechsel im Gesundheitswesen“: Weg von ausschließlicher Effizienz, hin zu belastbarer und effektiver Arzneimittelversorgung. Das Vertrauen ins Gesundheitssystem sei in dauerhafter Gefahr, falls in absehbarer Zeit keine grundlegenden Änderungen vorgenommen werden. Der bisherige Vorsitzende der Bundesärztekammer, Klaus Reinhard, wurde auf dem Ärztetag in seinem Amt mit drei Stimmen Vorsprung auf seine Konkurrentin Susanne Johna im Amt bestätigt. Johna wurde zur Vizepräsidentin gewählt.

AMIRA fragt: Arzneimittelreserve? Wieso sind wir eigentlich bis vor kurzem ohne ausgekommen? Wenn ihr wisst, was schief läuft, schreibt es in die Kommentare.

Festbeträge für Kinderarzneimittel fallen vorübergehend weg

Die Festbeträge bestimmter Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen, Paracetamol und für Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen, sollen ab dem 15. Juni bis zum 31.Dezember 2023 erneut ausgesetzt werden. Das habe die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vergangene Woche beschlossen, berichtet die Pharmazeutische Zeitung. Mit den Festbeträgen sind die Preisgrenzen gemeint, bis zu denen die Krankenkassen Medikamente erstatten. Sie sind mit ein Grund dafür, warum Hersteller weniger Produkte auf den Markt in Deutschland bringen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte zuletzt die bis zum 30. April befristete Maßnahme als wirksam bezeichnet. Hilfreicher wäre allerdings eine dauerhafte Regelung. Die könnte mit dem derzeit geplanten Lieferengpass-Gesetz kommen. Es sieht vor, Kinderarzneimittel von der Festbetragssystematik und vom Abschluss von Rabattverträgen auszunehmen und den Pharmaherstellern zu gestatten, die Preise um 50 Prozent anzuheben.

Folgende Festbetragsgruppen und Wirkstoffe fallen unter die geplante Regelung:
Amoxicillin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)
Cephalosporine – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1)
Cephalosporine – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)
Cephalosporine – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 3)
Ibuprofen – Sirup, Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1b)
Makrolide, neuere – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 1)
Paracetamol – Lösung zum Einnehmen, Sirup (Gruppe 1b)
Paracetamol – Suppositorien (Gruppe 2)
Phenoxymethylpenicillin – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Gruppe 2)
Sulfamethoxazol und Trimethoprim – Suspension zum Einnehmen

UPD-Gesetz in Kraft

Apotheken haben nach einer über einmonatigen Verzögerung wieder eine rechtliche Grundlage für die erleichterten Austauschregeln für nicht verfügbare Rabattarzneimittel. Das ist möglich, da am 16. Mai das UPD-Gesetz (Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland – und zur Änderung weiterer Gesetze) in Kraft getreten ist. Mit einer dort eingefügten Regelung zur Verlängerung der Ausnahmegenehmigungen der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung sollte den Apotheken der Übergang zwischen dem Auslaufen der Corona-Sonderregelungen am 8. April und des ALBVVG erleichtert werden.
Dies ist nun geschehen. Wenn Rabattarzneimittel nicht verfügbar sind, dürfen Apotheken ohne Rücksprache mit dem Arzt von der Packungsgröße, der Wirkstärke und der Packungszahl abweichen. Einzige Bedingung: Die Gesamtwirkstoffmenge muss eingehalten werden. Außerdem ist es in solchen Fällen nun wieder erlaubt, Teilmengen aus größeren Packungen zu entnehmen und abzugeben.
Die Regelung gilt bis zum 31. Juli 2023. Im Anschluss soll das ALBVVG eine dauerhafte Lösung in diesem Zusammenhang ermöglichen.

AMIRA meint: Wir sind gespannt, ob das Gesetz wirklich bis zum 31. Juli beschlossen ist.

Engelhard: Neues Produktionsgebäude eingeweiht

151 Jahre alt, kein bisschen altbacken, stattdessen dynamisch und innovativ. So stellte sich Engelhard Arzneimittel am Dienstag dieser Woche zahlreichen Gästen aus der Pharmabranche, aus Politik und Wissenschaft vor. Auch AMIRA war geladen.  Anlass war zum einen das 150-jährige Firmenjubiläum aus dem vergangenen Jahr, das wegen Corona nun nachgefeiert wurde. Zum anderen galt es, das neue Produktionsgebäudes offiziell in Betrieb zu nehmen. In dieser ultramodernen Pharmafertigung werden seit wenigen Monaten Isla Moos, Prospan, Tyrosur und Co. hergestellt und von hier aus in mehr als 100 Länder auf dem Globus verschickt. Wie es sich gehört, gab es in den vormittäglichen Reden viel Lob – und das verdientermaßen. Geschäftsführer Richard Engelhard bekräftigte nämlich noch einmal, dass sein Unternehmen weiterhin ausschließlich in Hessen produzieren wolle. Das gefiel seinem Ministerpräsidenten Boris Rhein, der in seiner Rede bekundete: „Dafür bin ich dankbar!“ Was – so der Ministerpräsident mit einem Zwinkern in Richtung des Bürgermeisters von Niederdorfelden – irgendwie logisch sei, profitiere dessen Gemeinde doch nicht unerheblich von den Gewerbesteuer-Einnahmen des Herstellers. Auch Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des BPI, sprach Engelhard ein dickes Lob aus: „Das ist eine Erfolgsstory, die ausnahmsweise mal nicht in Boston, New York oder Tokyo startete“. Top-Ökonom Marcel Fratscher vom DIW, bekannt aus Talkshows von Lanz über Maischberger bis Will, hielt einen Impulsvortrag über die Herausforderungen der Wirtschaft durch Globalisierung und Klimawandel. Und machte Mut: Unternehmen wie Engelhard würden das alles wuppen. Danach wurde ganz offiziell der Buzzer gedrückt, der den Produktionsstart symbolisieren sollte. Nach diesem Ereignis konnten die Gäste in Gruppen Teile der neuen Produktionsanlage bestaunen und dann beim Buffet dem Networking widmen. Fazit: Ein gelungener Tag voller Ein- und Ausblicke, garniert mit Branchen-Insights und viel Business-Talk.

Hier einige Impressionen

Buzzer-Moment: Marcel Fratscher, Richard Engelhard, Oliver Engelhard und Pharma-Verbandsgeschäftsführer Kai Joachimsen eröffnen die Fabrik durch - zumindest symbolisch (v.l.n.r.).

Richard Engelhard bekannte sich in seiner Rede zum Standort Hessen. Das freute Ministerpräsident Boris Rhein.

Rundgang durch die Produktion: Reinlichst verpackt durften Gäste die Anlagen bestaunen, aus denen Engelhard-Produkte in mehr als die halbe Welt gehen. 

AMIRA gratuliert! Von links nach rechts: Gründer Mohammadi Akhabach, Oliver Engelhard, Richard Engelhard, Uwe Heinrich (AMRIA-Chefredakteur)

AMIRA meint: Es ist toll, dass ein mittelständischer Pharmahersteller sich zum Standort Deutschland bekennt. Auf die nächsten 150 plus 1 Jahre, liebe Engelhards!

Drosten kann nicht in Ruhe Campen

Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg hat in dieser Woche Anklage gegen drei Camper erhoben. Die Berliner sollen Christian Drosten, Virologe der Charité und einer der meistgehörten Wissenschaftler während der Corona-Pandemie, bei einem kurzen Aufenthalt an der Mecklenburgischen Seenplatte im Juni vergangenen Jahres als „Massenmörder“ und „Verbrecher“ bezeichnet haben. Außerdem warfen sie ihm vor, seine wissenschaftlichen Titel zu Unrecht zu führen und machten und verbreiteten Handyfotos des Virologen. Den aufgebrachten Campern wird nun Verleumdung, Beleidigung und Nötigung vorgeworfen, denn Ziel sei es gewesen, Drosten vom Campingplatz zu vertreiben. Dieser hatte angegeben, den Platz nur kurz genutzt und bald wieder verlassen zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft auf Drostens Anzeige Anklage erhob, wird  das Amtsgericht in Waren an der Müritz den Fall verhandeln. AMIRA wird berichten, wie´s ausgeht.

AMIRA fragt: Vorausgesetzt, die Vorwürfe stimmen - was sagt ihr zu dem Fall?