"Möchte meiner Tochter noch empfehlen können, Apothekerin zu werden"
Bundesweit protestieren heute Apotheken gegen die aus ihrer Sicht schlechte Gesundheitspolitik, die sie für die zahlreichen Missstände verantwortlich machen. Wir haben Inhaberinnen und Inhaber sowie Angestellte gefragt, wie sie dazu stehen.
Andrea Strenge, Apothekeninhaberin der Birken-Apotheke in Berlin:
Ich protestiere vor allem für eine bessere und schnellere Versorgung unserer Patientinnen und Patienten und die Abschaffung von Bürokratie, z. B. bei Anträgen für Hilfsmittel und Präqualifikation. Auch eine adäquate Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wichtig, sonst werden wir die Abwanderung in die Industrie und den Außendienst nicht aufhalten können. Mein Beruf liegt mir sehr am Herzen, ich möchte auch meiner Tochter noch empfehlen können, Apothekerin zu werden.
Dass bundesweit Apotheken schließen, schafft nachhaltig Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass alle mitmachen. Die Politiker und die Bevölkerung sollen merken, wie wichtig Vor-Ort-Apotheken sind.
Şerife Erol, PTA der Rosen Apotheke in Kösching/Bayern:
Wir protestieren als Apotheke für weniger Bürokratie, um auf die Lieferengpässe und den Personalmangel hinzuweisen und gegen die Teuerung der Arzneimittel. Mit dem Protesttag möchten wir auf die Bedeutung der Apotheken für das Gesundheitssystem hinweisen und ein Zeichen für eine bessere Gesundheitspolitik setzen.
Apotheken haben jahrelang keine Anerkennung bekommen, weder finanziell noch politisch. Die Wege für die Bevölkerung werden immer länger und die Versorgung tagtäglich schlechter. Es sollten nicht noch mehr Apotheken geschlossen werden.
Es kann doch nicht sein, dass Standard-Arzneimittel wie Antibiotika seit Wochen nicht lieferbar sind. Wir telefonieren gefühlt ständig mit den Ärzten. Wir wissen gar nicht mehr, wie lange wir unsere Patientinnen und Patienten noch versorgen können. Meiner Meinung nach sollte es solche Proteste häufiger geben.
Wiebke Meier, Apothekerin in der Apotheke am Alten Bach in Neuss:
Ich mache beim Protesttag mit, weil der Aufschlag für verschreibungspflichtige Medikamente seit 17 Jahren kaum erhöht wurde, weil die Medikamentenhersteller unter Preisdruck die Produktion ins Ausland verlagert haben, weil mein Gehalt nicht mehr meiner Qualifikation entspricht, weil Gesundheit der Politik egal ist und wir mit Online-„Apotheken“ konkurrieren müssen.
Ich bin begeistert, dass sich das erste Mal alle Apotheken einig sind und an einem Strang ziehen! Ich bin gespannt, ob es beim heutigen Protesttag bleibt oder es genügend Kolleginnen und Kollegen gibt, die weiter "eskalieren" möchten, um in der Sprache der ABDA zu bleiben. Ich erhoffe mir vom heutigen Tag, dass die Politik und die Öffentlichkeit die Leistungen der Apotheken wahrnehmen und würdigen.
Was die Arbeit der ABDA angeht, fühle ich mich dieses eine Mal von ihr vertreten, für die letzten 15 Jahre kann ich das aber leider überhaupt nicht sagen.
Alex (Name von der Redaktion geändert), Apotheker aus Berlin:
Unsere Apotheke protestiert nicht, weil unser Chef der Meinung ist, dass die Patientinnen und Patienten nichts für die Situation können, aber direkt von der Schließung betroffen wären.
Ich bin, was die Form des Protestes angeht, zwiegespalten. Es hätte eine andere Lösung geben müssen. Die Notdienst-Regelung kann nicht den alltäglichen Rhythmus ersetzen, den die Apotheken und die Bevölkerung gewohnt sind. Die Apotheken hätten sich, je nach Apothekendichte in einem Gebiet, absprechen und halbtags schließen können.
Ich erhoffe mir, dass die Politik durch den Protest die Schieflage erkennt, in der sich die Apotheken befinden und die Probleme erhört werden. Es kann nicht sein, dass viele Inhaberinnen und Inhaber Existenzängste haben. Das Apothekensterben der letzten Jahre geht auch in diesem Jahr weiter, ich führe das auf die Gesundheitspolitik in unserem Land zurück.
Ich fühle mich von der ABDA vertreten. Es ist richtig, dass protestiert wird, nur mit dem Wie bin ich nicht ganz einverstanden.
Jürgen Schäfer, Apothekeninhaber der Franziskus Apotheke in Winterberg:
Die Protestaktion der Apotheken schlägt hohe mediale Wellen, das ist ein gutes Zeichen. Das Ganze ist emotional aufgeladen, insgesamt wird dadurch ein Druck aufgebaut. Ich bin guter Dinge, dass wir durch unseren Protest mehr von der Politik gehört werden. Auch meine Apotheke hat heute geschlossen, so wie die von rund 97 Prozent der Kolleginnen und Kollegen in NRW – was ich übrigens beeindruckend finde. Dass Apothekerinnen und Apotheker so zusammenhalten, erlebe ich erstmals nach 35 Jahren im Beruf. Es ist eine Community entstanden, die es vorher in so einer Form nicht gab.
Wir Apotheker sind Gutmenschen und haben bisher viel zu viel und viel zu oft erduldet. Wir hätten eigentlich viel früher protestieren müssen. Sogar unsere Kundschaft kann es nicht glauben, dass unser Honorar seit 20 Jahren nicht erhöht wurde! Sie zeigen viel Verständnis und Akzeptanz für die aktuelle Situation.
Bislang stand ich der ABDA eher kritisch gegenüber, doch mit Frau Overviewing (ABDA-Vorsitzende, Anm. d. Red.) ist meiner Meinung nach ein frischer Wind reingekommen, auch dank der Initiative "AByou" mit den jungen Apothekerinnen und Apothekern. Sie hat eine sehr gute Persönlichkeit, ist modern und gleichzeitig bestimmt, zeigt Emotionen und treibt die Ideen der Apothekerschaft voran. Mein Bild von der ABDA hat sich daher geändert, da sie inzwischen gute Arbeit macht. Aber ich finde auch, dass die ABDA nur so gut sein kann wie die einzelnen Kammern und Verbände. Daher müssen auch sie Verantwortung übernehmen und unsere Interessen voranbringen.
Apothekeninhaber aus Solingen (möchte anonym bleiben):
Wir protestieren, weil wir seit 20 Jahren keine Honorarerhöhung bekommen haben. So etwas würde bei Angestellten keine Gewerkschaft mitmachen. Ich bewerte die bundesweite Schließung sehr positiv, es zeigt Geschlossenheit und Einigkeit zur nicht angepassten Vergütung. Ich hoffe, dass das Rx-Honorar künftig angehoben wird, damit das Apothekensterben abnimmt – zurzeit nimmt es stark zu. Da die ABDA erst nach gut 20 Jahren aktiv wird, fühlen sich viele Kolleginnen und Kollegen nicht gut vertreten – auch ich nicht.
Susanne Schulz, PTA aus Neuss:
Ich finde es richtig, dass die Themen Honorar, Anerkennung des Berufs, fehlende Wertschätzung und hohe Einsatzbereitschaft der Apotheken endlich mal öffentlich angesprochen werden. Wir sind keine Verkäuferinnen – wie manche Kundinnen und Kunden denken –, sondern hochqualifiziertes Fachpersonal mit entsprechender Ausbildung. Unsere Berufe müssen endlich mehr wertgeschätzt werden. Die Bevölkerung muss dahingehend aufgeklärt werden. Daher finde ich den Protesttag richtig und wichtig.
Anja Klose, PTA:
Die Entscheidungen der Krankenkassen sind nicht nachvollziehbar. Sie legen Festbeträge für Wirkstoffe fest, was dazu führt, dass wichtige Wirkstoffe wie Antibiotika etc. nicht mehr zu bekommen sind. Allein das ist ein Grund zu protestieren. Außerdem wissen viele Kundinnen und Kunden nicht, dass es Apothekensterben gibt. Wir müssen uns Gehör verschaffen, aber ein einziger Protesttag ist dafür zu wenig.
Doerthe Heyer, Apothekerin aus NRW:
Ich finde es wichtig, dass die Außenwelt uns mitbekommt. Seit 20 Jahren haben wir genauso hohe Ausgaben, bei gleichbleibender Vergütung. In keiner anderen Branche ist das so. Für viele sind wir die Reichen und Gutverdienenden, hin und wieder mag es noch solche geben, im Großen und Ganzen stimmt das aber nicht mit der Realität überein. Unser Image muss wieder geradegerückt werden. Ich protestiere daher in Düsseldorf, weil ich mich auch mit denen solidarisieren möchte, die sechs Tage die Woche arbeiten und zusätzlich den Notdienst stemmen, aber wenig bis kein Geld dafür kriegen.
Die Protestaktion ist gut, denn es gibt für die Apotheken immer weniger unter dem Strich. Das muss einmal deutlich gemacht werden. Ich bin es auch leid zu hören, dass die Apotheken sich eine goldene Nase an den Masken zur Zeit der Corona-Pandemie verdient haben. Keiner thematisiert, dass dafür für eine lange Zeit die Erkältungssaison komplett ausgefallen ist, da die Masken die Erkältungen verhindert haben. Ja, mit den Masken wurde zwar Geld verdient, nur mussten die fehlenden OTC-Einnahmen eben auch kompensiert werden. Darüber berichtet keiner.
Ich bin grundsätzlich kein Freund von Demos, da sie immer auf dem Rücken von anderen ausgetragen werden. Aber da die Versorgung über Notdienstapotheken gesichert und nur an einem Tag protestiert wird, ist das in unserem Fall in Ordnung. Kein Verständnis habe ich hingegen für Klimakleber oder Bahnstreiks. Im Hinblick auf die bessere Vergütung bin ich aufgrund der politischen Entscheidungen eher pessimistisch. Ich hoffe aber, dass zumindest die Problematik in der Bevölkerung bewusster wahrgenommen wird.
Filiz Aoulad Ali, Apothekeninhaberin in Gelsenkirchen:
Wir machen beim Protesttag mit. Ich finde es gut, dass wir endlich handeln. Ich denke nicht, dass der Protesttag ausreicht, aber zumindest wurde ein Anfang gemacht und der Bevölkerung auch gezeigt, wie schwierig es für die Zukunft ist, wenn immer mehr Apotheken schließen. Die ABDA hat einige gute Materialien für die Protestkampagne geliefert. Wir brauchen eine starke Lobby.
Wie steht ihr zum Protesttag, macht ihr mit bei der Schließung? Findet ihr die Art des Protestes richtig? Welche weiteren Protestaktionen müssen aus eurer Sicht folgen, damit sich die Branche ausreichend Gehör verschaffen kann? Schreibt eure Sicht der Dinge in die Kommentare!