Kinderrezept: Dosierungsangabe sorgt für innere Unruhe

Eine überforderte Oma kommt mit der Antibiotikum-Flasche für die Enkelin in die Apotheke und sucht Rat. Denn ärztliche Dosierungsangabe und Beipackzettel irritieren sie. Wie AMIRA weiterhilft, erfahrt ihr in ihrer Kolumne.

Anders als manch andere Kollegin fühle ich mich in der Apotheke wirklich gebraucht, es ist ein Herzens-Job. Mit meiner pharmazeutischen Kompetenz helfe ich Menschen aller Altersklasse bei allen Gesundheitsfragen. Ich sehe mich nicht als Schubladenzieherin. Klar, die Bürokratie nervt – aber ansonsten liebe ich meine Arbeit. So wie aktuell, als eine ältere Frau mit einer Amoxicillin-Flasche zu mir kam und verzweifelt war. Die Zahnärztin verordnete für ihre ca. 3,5 Jahre alte Enkelin einen antibiotischen Saft, zusätzlich noch einen Ibuprofen-haltigen Schmerz- und Fiebersaft:


Foto: AMIRA

Zuvor hatte eine Kollegin die Dosierung von „2x tgl. Dosis nach Gewicht“ auf die Packung geschrieben und die Kundin verließ dann die Apotheke. An sich ist das nicht weiter schlimm, denn die Kollegin hat die Dosierung vom Rezept übernommen. Nach einer Stunde stand die ältere Dame dann vor mir und sagte mir, dass sie mit dieser Angabe nicht weitergekommen sei. Ihre Enkelin sei 17 kg schwer und sie wüsste jetzt gar nicht, welche Dosierung die richtige ist. Den Beipackzettel drückte sie mir in die Hand. Ich versuchte mich zurechtzufinden. Da ich unter Kolleginnen dafür bekannt bin, ganz genau zu sein, gab mir diese schwammige Dosierungsangabe zu bedenken. Zum einen wird Amoxicillin üblicherweise dreimal täglich eingenommen, zum anderen hat die Zahnärztin die Tagesgesamtdosis – die abhängig von Indikation ist – gar nicht genannt.

Bei 17 kg Körpergewicht könnte das Kind nach dem Beipackzettel zwischen 1,25 ml und 5,75 ml der hergestellten Suspension erhalten. Diese Bandbreite ist mir persönlich groß. Wie soll denn ein Laie bei dieser Liste den Überblick behalten? Milliliter, Milligramm, Spritze in ml zur Dosierung, dreimal täglich laut Beipackzettel, zweimal täglich laut Rezept … Sollen wir einfach die Tagesdosis auf zwei Einnahmen verteilen? Zu viele Fragezeichen im Kopf. An einem stressigen Tag dürfte das sogar für eine Arzneimittelexpertin eine Herausforderung sein.

Zahnärztin möchte „mittlere Dosierung“

Ich bat die Dame auf unserer Bank Platz zu nehmen. In der Zwischenzeit rief ich bei der Praxis an um den Sachverhalt zu klären. Die Zahnärztin rief mich zurück und sagte mir, dass sie für das Kind die „mittlere Dosierung“ möchte. Ich habe mit ihr den Deal gemacht, dass das Kind 40 bis 50 mg/kg/Tag bekommt, verteilt auf drei Dosen. So konnte ich der Oma sagen, dass sie bitte 2,5 ml mit der Spritze aufziehen und dem Kind geben soll. Eine weitere Kommastelle konnte ich ihr so ersparen.

Sie war sehr erleichtert, dass ich das für sie geklärt habe – und der Mittelwert von 2,5 ml gefiel ihr besonders gut. Laien brauchen meiner Meinung nach praktisch umsetzbare Arzneimittel-Tipps. Wir dürfen nicht von unserem Wissen auf andere schließen. Beispielsweise werden „ml (=Milliliter)“ und „ML (= Messlöffel)“ bei den Rezepten häufig verwechselt, sei es von der verordnenden Person, als auch von uns Apothekenmitarbeitenden. So kann es dann schonmal passieren, dass ein Kleinkind unter- oder überdosiert wird. Um das zu vermeiden, kann ich nur allen raten bei pädiatrischen Dosierungen zweimal draufzuschauen. Mit unserer Expertise können wir viel bewirken und die Compliance erhöhen.

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