Wochenrückblick: Retaxationen per Gesetz eingeschränkt

Das ALBVVG wurde verabschiedet und schiebt Retaxationen einen Riegel vor, Lauterbach setzt auf Patientendaten zu Forschungszwecken, Apotheken in NRW können ihre Öffnungszeiten neu regeln und die Kids in Baden-Württemberg sind nach Corona schlapper als vorher. Das alles gibt's in unserem neuen Wochenrückblick

Hat der Streik gewirkt? Gesetz verbietet Nullretaxationen 

Gestern stimmte der Bundestag über das Lieferengpassbekämpfungsgesetz in letztere Lesung ab. Das von den Regierungsfraktionen noch einmal überarbeitete Gesetz bringt für Apotheken Erleichterungen bei Präqualifizierung und Retaxationen 

So sollen die Präqualifizierungsanforderungen für den Verkauf von Hilfsmitteln gelockert werden. Damit entfällt die umständliche und aufwendige Präqualifizierung, wenn es sich um Apotheken-übliche Hilfsmittel handelt. In der Begründung für diese Erleichterung hat sich offensichtlich die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass in der öffentlichen Apotheke genügend Sachverstand versammelt ist, um auch ohne Präqualifizierung über Hilfsmittel wie Inkontinenzprodukte und Co. zu beraten. Welche Hilfsmittel genau aus dem Präqualifizierungsverfahren ausscheiden können, sollen Deutscher Apothekerverband (DAV) und der Sptzenverband der GKV miteinander aushandeln. Komme es dort zu keiner Einigung, werde ein Schiedsverfahren eingeleitet.  

Außerdem bringt das Gesetz Erleichterung bei Retaxationen. Dies war eine wichtige Forderung der ABDA beim Streik in der vergangenen Woche. Eine Zahlungsverweigerung der Kassen soll künftig grundsätzlich verboten sein, wenn: 

  • die Dosierangabe auf der Verschreibung fehlt, 
  • das Ausstellungsdatum der Verordnung fehlt oder nicht lesbar ist,
  • die vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 festgelegte Belieferungsfrist von Verordnungen um bis zu drei Tage überschritten wird, es sei denn, es handelt sich um Verordnungen nach § 39 Absatz 1a, Verordnungen von Betäubungsmitteln oder Verordnungen von Wirkstoffen, für die kürzere Belieferungsfristen festgelegt sind,
  • die Abgabe des Arzneimittels vor der Vorlage der ärztlichen Verordnung erfolgt oder
  • die Genehmigung der zuständigen Krankenkasse bei Abgabe des Arzneimittels fehlt und diese nachträglich erteilt wird. 

 

Den Lieferengpässen will das Gesetz durch die bislang bekannten Maßnahmen begegnen. So soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Frühwarnsystem einrichten.  Versorgungsengpässe bei generischen Arzneimitteln will die Regierung künftig vermeiden. Dazu sind im Gesetz „strukturelle Maßnahmen“ bei Festbeträgen, Rabattverträgen und bei der Versorgung mit Kinderarzneimitteln vorgesehen. Gleichzeitig wird eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung eingeführt, um kurze Störungen in der Lieferkette oder kurzfristigen Mehrbedarf bei patentfreien Arzneimitteln ausgleichen zu können. Statt die durchschnittliche Abgabemenge eines entsprechenden Präparats drei Monate vorzuhalten, wie ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen, sollen es laut Gesetz nun sechs Monate werden. Für nicht verfügbare Arzneimittel sieht das Gesetz dauerhaft vereinfachte Austauschregelungen in der Apotheke vor. Außerdem wird die Krankschreibung per Telefonat, die während der Pandemie galt, wieder eingeführt, allerdings nur für Patienten, die in der jeweiligen Praxis auch bekannt sind. 

Forderungen der Apothekerschaft nach einem höheren Festbetrag und einem höheren Zuschlag für das Engpass-Management fanden kein Gehör.  

Was dem Gesetz aber beigefügt wurde: Sogenannte „Drogenchecks“ sollen nach erfolgreichen Pilotversuchen in Berlin nun auch bundesweit angeboten werden können. Ziel ist, die Konsumentensicherheit zu erhöhen, indem Drogen auf gefährliche Dosierungen oder zusätzliche Inhaltsstoffe untersucht werden. So sollen Erwachsene Drogen „risikoärmer konsumieren“ können. Man erreiche mit den Drogenchecks gerade auch Konsumierende in der Club- und Festivalkultur, könne aufklären und Gesundheitsrisiken mindern. 

AMIRA meint: Kurz vor knapp ist das Gesetz noch mit Vernunft ausgestattet worden. Ein bisschen jedenfalls. Während das Kappen der Präqualifzierungsanforderungen einem bürokratischen Nonsens ein Ende macht und nicht viel Mut erforderte, verhält es sich bei der Einschränkung der Retaxationen anders. Damit bringt die Regierung nämlich die Krankenkassen gegen sich auf. „Schau´n mer mal“, was die Koalition sich demnächst einfallen lässt, um die Kassen zu besänftigen.  

Neue Apotheken-Öffnungszeiten in NRW 

Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe haben neue Regeln zur Befreiung von der ständigen Dienstbereitschaft beschlossen und damit neue Öffnungszeiten ermöglicht. 

Seit dem 22. Juni gilt von montags bis freitags an vier Tagen pro Woche eine tägliche Mindestöffnungszeit von sechs Stunden zwischen 8 Uhr und 20 Uhr und an einem weiteren Tag mindestens drei Stunden. Genaue Uhrzeiten seien nicht mehr vorgeschrieben. Es könne grundsätzlich frei gewählt werden, wann die Apotheke in diesem Zeitraum geöffnet werde. An Samstagen bestehe keine Pflicht zur Öffnung. Bislang waren die Apotheken in NRW verpflichtet, an den meisten Tagen mindestens zwischen 9 Uhr und 12 Uhr sowie zwischen 15 und 18 Uhr geöffnet zu sein. Nun können sie ihre Öffnungszeiten flexibler wählen und etwa von 10 bis 16 Uhr oder von 11 bis 17 Uhr öffnen. Längere Öffnungszeiten sind natürlich möglich. Damit sollen die Apotheken stärker auf die ortsüblichen Gegebenheiten im Versorgungsalltag eingehen und zugleich Personal effizient einsetzen können, heißt es von den Kammern. 

Gerade im ländlichen Raum werde die Versorgung auf diese Weise deutlich erleichtert, so die Kammern. „Wir kennen Fälle, in denen es Inhaberinnen und Inhabern nicht möglich war, ihre Apotheke mit Bus und Bahn pünktlich zu erreichen. Bevor eine solche Apotheke schließen muss und die Versorgung leidet, schafft die neue Regelung deutlich mehr Handlungsfreiheit und verbessert so die Versorgung“, berichten Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, und Gabriele Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. 

Kids schlapper nach den Corona-Jahren 

Kindergarten- und Grundschulkinder in Baden-Württemberg sind heute weniger fit sind also vor der Corona-Pandemie. Das geht aus dem am Mittwoch der Woche veröffentlichten Fitnessbarometer 2023 der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg hervor. Die Untersuchung erhebt jährlich, wie es um Beweglichkeit und Ausdauer der Kids in BW steht. Vor allem interessierte bei der diesjährigen Erhebung die Frage, wie sich die Corona-Pandemie in der Fitness niederschlägt – zeichnet sich weiter ein Corona-Knick ab? Außerdem wurde untersucht, ob es Unterschiede in der Fitness der städtischen Kinder verglichen mit den in eher ländlicheren Regionen lebenden Kindern gibt. „Die Ergebnisse sind besorgniserregend“, schreiben die Verfasser: 

  • Die Kinder in Baden-Württemberg seien zwar nach wie vor fitter als der bundesdeutsche Durchschnitt, der Fitness-Gesamtwert sinke aber weiter. 
  • Die spezifischere Betrachtung der Corona-Jahre zeige einen Rückgang des Fitness-Gesamtwertes im Vergleich zu vor der Pandemie, sodass sich ein besorgniserregender Trend zum Corona-Knick abzeichne. 
  • Für die Corona-Jahre zeige sich im Vergleich zu den Jahren davor: Die Kinder seien deutlich langsamer und deutlich weniger ausdauernd als vor der Corona-Pandemie. Auch die koordinativen Fähigkeiten sowie die Beweglichkeit hätten nachgelassen. Nur im Bereich der Kraft stagniere das Niveau. Dabei sei es gerade die Ausdauer, die eine über die Motorik hinaus gehende Bedeutung habe. Sie stärke neben der physischen auch die psychische Widerstandsfähigkeit der Kinder (Resilienz) und sei ein wichtiger Faktor für lebenslange Gesundheit. 
  • Im Vergleich des Fitness-Gesamtwertes nach dem Grad der Verstädterung seien die Kinder in Baden-Württemberg, die in kleineren Städten und Vororten getestet wurden, am fittesten. Darauf folgten die Kinder in ländlichen Gebieten. Die getesteten Kinder in den Städten erreichten den niedrigsten Fitness-Gesamtwert. 

 

AMIRA meint: Okay, getestet wurde Baden-Württemberg, dessen Kids noch relativ weit vorn liegen, was die Fitness im bundesweiten Vergleich angeht. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es in BW noch viele weniger besiedelte Flächen zum Spielen draußen gibt, worauf auch die schlechtere Fitness der Kinder aus den Städten hindeutet. Tendenziell lassen sich die Ergebnisse wohl auf ganz Deutschland übertragen. Auch in anderen Regionen wird die körperliche Behendigkeit und Agilität der Kids geschrumpft sein. Oder anders gesagt: Die Corona-Zeit hat den Kindern deutlich geschadet, denn ob die Defizite künftig aufgeholt werden können, steht in den Sternen.  

AMIRA fragt: Wie seht ihr das? Habt ihr selbst Kinder und könnt ihr die Beobachtung bestätigen, dass euer Nachwuchs weniger fit ist nach den Corona-Jahren? 

Historischer Höchstbetrag für Vollnotdienst 

433,38 Euro erhalten Apotheken für jeden im ersten Quartal 2023 geleisteten Vollnotdienst. Gegenüber dem vorigen Quartal stieg der Betrag um 5,83 Euro (1,36 Prozent). Damit ist es die höchste Pauschale, die der Nacht- und Notdienst-Fond in diesen Tagen direkt an die Apotheken überweisen wird. Im ersten Quartal 2023 leisteten 17.881 Apotheken 93.904 Vollnotdienste. Im Vorquartal waren es noch 97.308 geleistete Vollnotdienste. Gemäß § 20 Absatz 3 Apothekengesetz (ApoG) setzt der Deutsche Apotheker Verband (DAV) gegenüber den Apotheken für jedes Quartal den pauschalen Zuschuss – unter Berücksichtigung der beschlossenen Verwaltungsausgabenpauschale des NNF – für erbrachte Vollnotdienste fest, die durchgehend in der Zeit von spätestens 20 Uhr bis mindestens 6 Uhr vollständig erbracht werden. 

Die Erhöhung kommt zustande, weil die Anzahl der Notdienste stärker zurückging, als die Anzahl der Rx-Packungen im Vergleich zum Vorquartal. Außerdem sanken auch Verwaltungskosten, analysiert die PZ. 

Lauterbach setzt auf digitale Gesundheitsdatenforschung

Karl Lauterbach sieht großen Nutzen für die Forschung, wenn großflächig digitale Behandlungsdaten ausgewertet werden dürfen. Darin schlummere „wirklich eine Explosion von wissenschaftlichen Erkenntnissen“, sagte Lauterbach am Dienstag vor einer internationalen Fachkonferenz. Wichtig sei es, den Patienten den Nutzen schnell näherzubringen. Dazu ist die flächendeckende Einführung und vor allem Nutzung der Elektronischen Patientenakte (EPA) unerlässlich. Diese soll bis Ende 2024 automatisch für alle Versicherten angelegt werden – wer sie nicht möchte, muss aktiv widersprechen. Auf freiwilliger Basis war die EPA schon 2021 angeboten worden, aber nur eine knappe Million von 74 Millionen Versicherten nutzte sie. Nun will die Regierung bis 2025 80 Prozent der Versicherten mit der EPA ausstatten. Diese sollen Diagnosen, Befunde, Laborwerte oder Medikamentenlisten speichern können. Damit diese Daten Eingang in die Forschung finden, soll die Akte mit der Option für „Datenspenden“ ausgestattet werden, der man aber widersprechen kann. Künstliche Intelligenz solle dann genutzt werden, um die Daten auszuwerten und zum Beispiel Tumore besser zu erkennen. In den USA, so ein an der Tagung teilnehmender Mediziner der Harvard Medical School, ermögliche die KI-unterstützte Datenauswertung es, Lungenkrebs noch am Tag der Diagnose einer Therapie zuzuführen, statt monatelang von einem Spezialisten zum nächsten laufen zu müssen.  

Es ist heiß – Apotheken geben Tipps zur Abkühlung 

Die ersten wirklich heißen Tage des Jahres liegen hinter uns, es werden sicherlich nicht die letzten gewesen sein. Dabei können starke Hitze und viel Sonne am Tag und drückende Temperaturen in der Nacht den Körper stark beanspruchen. Wie können Patienten sich gegen die große Hitze am besten schützen? Um Apotheken die Möglichkeit zu geben, ihre Kunden und Patienten in dieser Frage schnell und kompetent beraten zu können, hat die ABDA einen Flyer mit Tipps für das richtige Verhalten bei großer Hitze entwickelt. Der Flyer kann auch an die Kundschaft ausgegeben und hier heruntergeladen werden Hitzeflyer.indd (abda.de). Neben allgemeinen Infos zu Sonnen- und Hitzeschutz gibt der Flyer auch Tipps zur richtigen Lagerung und Einnahme von Medikamenten. Die ABDA weist darauf hin, dass bestimmte Medikamente bei großer Hitze anders vom Körper aufgenommen werden bzw. stärker oder schwächer wirken. Das mache es erforderlich, dass Patienten mit Arzt oder Ärztin besprechen sollten, ob eine Dosisanpassung erforderlich sei. Ein QR-Code auf dem Flyer führt Patienten bequem zu weiteren Informationen. Ergänzt wird der Flyer durch ein Poster, dass in der Offizin ausgehängt werden kann.