Lausiges Wissen: Das hat es auf sich mit der Pedikulose

Aus irgendeinem Grund tritt bei Kindern und Jugendlichen nach den Sommerferien gehäuft Läusebefall auf. In der Regel bricht in den betroffenen Familien dann Hektik aus. Was tun?

Wenn Eltern in einer Art Alarmzustand nach einem Aushang in der Kita oder dem Anruf einer befreundeten Familie – oder noch schlimmer: nach dem Fund einer oder mehrerer Läuse oder Nissen bei dem eigenen Kind – in die Apotheke stürmen und nach Läusemitteln fragen, dann sollten wir vor allem dies tun: Mit Sachverstand beruhigen.

Das Tierchen

Pediculus humanis capitis, die etwa 3 mm kleine Kopflaus, ist ein flügelloses Insekt. Sie krabbelt mit einer Geschwindigkeit von bis zu 23 cm pro Minute, wenn sie sich an Haaren festhalten kann – zum Vergleich: Der menschliche 1500 Meter Weltrekord liegt bei 3 Min 26 Sekunden - eine Laus schafft, übertragen auf ihre Körpergröße, 1300 Meter in 60 Sekunden. Läuse sind aber auch gut ausgestattet: Die drei Beinpaare sind zu Klammerorganen umgebildet, wobei sie sich mit den hinteren Beinen festhalten und mit den vorderen und mittleren vorwärtsziehen. Alle 2-6 Stunden krabbelt die Laus zur Kopfhaut, um eine Blutmahlzeit einzunehmen. Fällt die länger als 55 Stunden aus, zum Beispiel, weil die Laus vom Wirt getrennt wird, so stirbt sie.

Eine weibliche Laus wird nur einmal in ihrem Leben befruchtet und legt möglichst an der Haarbasit, etwa vier Eier – bis zu 30 Tage lang. Aus den Eiern, den sogenannten Nissen, schlüpfen nach acht bis zehn Tagen die Larven, die äußerlich fast nicht zu unterscheiden sind von den adulten Läusen. Auch sie saugen schon Blut, verbleiben aber ständig an der Kopfhaut. Bis sie geschlechtsreif sind, dauert es nochmal etwa zehn Tage. Nach etwa einem Monat stirbt eine Kopflaus, aber sie hat unter guten Bedingungen ja auch für reichlich Nachkommen gesorgt.

Der Wirt

Den ektoparasitären Läusen dienen Kinder grundsätzlich eher als Wirte als wir Erwachsene. Kopflaus-Befall ist nach den Erkältungskrankheiten immerhin die zweithäufigste ansteckende Krankheit im Kindesalter. Gehäuft treten die Fälle nach den Sommerferien auf, wobei man nicht wirklich eine Ursache dafür finden kann. Außerdem sind Mädchen eher betroffen als Jungen. Das liegt vermutlich an den häufiger längeren Haaren, in denen die Läuse nicht auffallen und zudem daran, dass Mädchen eher „die Köpfe zusammenstecken“ und eine Übertragung von Haar zu Haar leichter erfolgen kann.

Der Juckreiz

Viele spüren ein Jucken auf dem Kopf, wenn sie nur an Läuse denken. Dabei tritt dieses nur bei einem Drittel der Betroffenen auf. Es handelt sich um eine allergische Reaktion auf ein blutgerinnungshemmendes Sekret im Speichel der Läuse, den sie bei ihrem Biss und dem Saugen mit den Mundwerkzeugen in die Kopfhaut einbringen. Bei einem Erstbefall dauert es unter Umständen Wochen, bis er sich bemerkbar macht, bei einem erneuten Befall geht es schneller.

Die Prophylaxe

Auch wenn Eltern am liebsten sofort vorbeugend mit der Behandlung der ganzen Familie starten wollen: Eine Therapie erfolgt nur bei einem nachgewiesenen Lausbefall. Es kann sinnvoll sein, mit einem Läusekamm das gut durchfeuchtete Haar (evtl. versetzt mit einer Pflegespülung) sorgfältig Strähne für Strähne vom Haaransatz zu den Spitzen durchzukämmen und den Kamm anschließend an einem feuchten Papiertaschentuch abzustreifen. Die Anwendung eines Weidenrindenshampoos oder eines „Protect“-Sprays ist nicht angezeigt, beruhigt allerdings ggf. die Eltern.

Das nasse Auskämmen bei Läusebefall

Das Auskämmen mit Haarpflegespülung und Läusekamm in 4 Sitzungen an den Tagen 1, 5, 9 und 13 führte in einer Studie bei über der Hälfte der Kinder zur Entlausung und hat somit nicht nur einen diagnostischen, sondern auch einen therapeutischen Wert. Das Verfahren mag zeitaufwändig sein und Betroffene und „Behandler“ strapazieren, garantiert aber in Kombination mit einer topischen Behandlung eine hohe Erfolgsquote.

Topische Präparate

Wenn man die Kriterien Unbedenklichkeit (auch für Schwangere und Stillende), die pedikulozide Wirksamkeit, die Dauer der Anwendung und eine ovizide Wirkung auf die Nissen anwendet, dann ist den Dimeticon-haltigen Produkten (gegenüber den Pyrethrum- bzw. Permethrin-, Allethrin- oder Neemextrakt-haltigen) eindeutig der Vorzug zu geben. Dimeticon dringt über die Atemöffnungen (Stigmen) der Kopfläuse bis in die feinsten Verästelungen ihrer Tracheen, verdrängt den Sauerstoff und verschließt das Atemsystem irreversibel. Zudem werden die Atemöffnungen der Nissen, die so genannten Aeropylen, blockiert. Aufgetragen werden die Lösungen auf das trockene Haar – nach der Einwirkzeit wird mit einem normalen Haarwaschmittel ausgespült. Zur Sicherheit wiederholt man das Prozedere nach 8-10 Tagen (unbedingt!).

Begleitende Hinweise

Während noch vor einigen Jahren dazu geraten wurde, das ganze Kinderzimmer zu säubern und die Kuscheltiere einzufrieren, sieht man das heute gelassener: Das Bettzeug kann gewaschen werden, die Kuscheltiere verbringen zwei Tage in einem separaten Zimmer – das reicht aus, denn wie gesagt; nach 55 Stunden ohne Blutmahlzeit...

Viel gefährlichere Krabbeltiere sind übrigens die Zecken. Wieso man sich vor ihnen in acht nehmen sollte, liest du hier.