Cortison: Ängste, Mythen und Fakten
Mit dem Begriff „Cortison“ verbinden unsere Kund:innen häufig die gefürchteten Nebenwirkungen. Faktenwissen kann helfen, Ängste zu beseitigen und Compliance zu fördern.
„Cortisone“ begegnen uns im Apothekenalltag in vielen verschiedenen Arzneiformen – ob als Spray, Inhalations-Device, Augentropfen, Tabletten, Injektions- und Infusionslösungen, Cremes oder Lösung zum Einnehmen. Trotz unterschiedlicher Darreichungsformen des Cortisons bleibt die Angst die gleiche: „Was ist mit den Nebenwirkungen?“. Wir klären auf und stärken deine Beratungskompetenz.
Was genau ist Cortison?
Als „Cortison“ wird umgangssprachlich die Wirkstoffgruppe der Glukokortikoide (Medikamente mit Cortisol-Wirkung) bezeichnet, die ähnlich wie das körpereigene Hormon Cortisol wirken, das in der Nebennierenrinde gebildet wird. Das eigentliche Cortison (Hydrocortison) ist die biologisch inaktive Form von Cortisol. Cortison besitzt keinerlei Wirkung auf den Organismus, da es weder an die Glukokortikoid- noch an die Mineralkortikoidrezeptoren bindet. Es muss von der Leber in das aktive Cortisol umgewandelt werden. Daher werden zu Therapiezwecken hauptsächlich der Essigsäureester (Hydro-)Cortisonacetat oder die Glukokortikoide Dexamethason, Prednison und Prednisolon angewendet.
Entdeckt wurde Cortison in den 30er Jahren, 1950 erhielt Edward Calvin Kendall mit zwei anderen Wissenschaftlern den Nobelpreis für dessen Entdeckung, Herstellung und Anwendung.
Wie wirkt Cortison?
Cortisol wird auch als Stresshormon bezeichnet, da es in Stress-Situationen den Blutzuckerspiegel und den Blutdruck ansteigen lässt. So werden alle Zellen schnell mit Energie versorgt, damit der/die Gestresste kämpfen oder fliehen und so die gefährliche Situation möglichst erfolgreich und „lebend“ überstehen kann. Glukokortikoide wirken antientzündlich, antiallergisch und hemmen das körpereigene Immunsystem. Sie kommen bei zahlreichen Beschwerden und Krankheiten zum Einsatz.
Wofür wird es angewendet?
Lokal oder topisch wird es beispielsweise bei Asthma als Spray oder als Creme bei allergischen, entzündlichen und juckenden Hauterkrankungen eingesetzt. Aus dem OTC-Bereich kennen wir beispielsweise Präparate wie Soventol® HydroCort 0,25% / 0,5% Creme und Soventol® HydroCortisonACETAT 0,25% / 0,5% Cremogel (Medice), FeniHydrocort 0,25% / 0,5% Creme (GlaxoSmithKline), HydroGalen® akut Creme (GALENpharma) oder Hydrocortison-ratiopharm® 0,5% Creme (ratiopharm). Diese können wir bei entzündlichen und allergischen Hauterkrankungen, Insektenstichen, leichtem Sonnenbrand, Ekzemen oder Hautausschlag empfehlen.
Im Rx-Bereich sind die Anwendungsgebiete von Cortisonen breitgefächert. Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wird der Wirkstoff in Form von Rektalschäumen oder Klistieren direkt an den Wirkort gebracht. Bei manchen akuten Erkrankungen wie Gelenkentzündungen oder starken allergischen Reaktionen wird Cortison auch injiziert oder infundiert, meistens in Form von länger wirksamen Depot-Präparaten. Bei drohender Anaphylaxie wird unter anderem meist ein flüssiges Präparat zum Einnehmen (Tropfen oder Saft) gegeben. Kinder mit Pseudokruppanfall erhalten meist Cortison-haltige Zäpfchen.
In Form von Tabletten findet es meist über einen längeren Zeitraum bei Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Lupus erythematodes, Morbus Cron, oder Multipler Sklerose Anwendung. Auch bei vielen anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen des Gehirns, des Herzens, der Lunge oder der Haut, z. B. nach Transplantationen, bei COPD, Krebserkrankungen, Leber- oder Nierenentzündungen, etc. wird Cortison in Tablettenform eingesetzt.
Bei der selten vorkommenden Erkrankung Morbus Addison liegt ein konkreter Cortisol-Mangel vor, da die Nebennieren das Hormon nicht mehr ausreichend produzieren. Hier bleibt nur eine lebenslange Substitutionstherapie.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
In der Regel wirken Cortison-Präparate schnell und zuverlässig. Die Symptome, auch Schmerzen, können rasch gelindert werden. Für Viele gleicht das einem Wunder, wären da nicht die Nebenwirkungen. Je länger die Einnahme und je höher die Dosis, desto schwerer fallen in der Regel die Nebenwirkungen aus. Bei Sprays oder Cremes ist bei bestimmungsgemäßer Anwendung das Risiko für gravierende Nebenwirkungen eher als gering einzustufen. Allenfalls bei der Anwendung von Cremes über einen sehr langen Zeitraum kann die Haut dünner und empfindlicher werden.
Bei längerer oraler Einnahme wirkt sich die Behandlung auf den ganzen Körper aus und es kann beispielsweise zu einem Cushing-Syndrom (Stammfettsucht, Stiernacken, Vollmondgesicht, Dehnungsstreifen an der Haut) kommen. Durch eine Stoffwechselveränderung können Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen auftreten. In Folge dessen erhöht sich das Thromboserisiko. Augenerkrankungen (grüner oder grauer Star), Hautveränderungen (Steroidakne) oder eine Verstärkung von bestehenden Depressionen können ebenfalls entstehen.
Wird das Hormon immer nur von außen zugeführt, kann eine Nebenniereninsuffizienz auftreten. Der Körper kann dann nicht mehr adäquat auf Stress reagieren. Deshalb darf eine Cortison-Therapie nie abrupt beendet, sondern muss über mehrere Tage reduziert und ausgeschlichen werden. Nur so kann der Körper die Eigenproduktion wieder schrittweise hochfahren.
Durch den von Cortison angekurbelten Stoffwechsel kommt es zu gesteigertem Appetit, was zusammen mit vermehrten Wassereinlagerungen zu einer Gewichtszunahme führt. Daher sollte auf eine gesunde und hochwertige Ernährung geachtet werden.
Auch die Entstehung einer Osteoporose ist möglich. Daher ist bei längerer Einnahme auf die ausreichende Zufuhr von Vitamin D und Calcium sowie auf regelmäßige Bewegung zu achten.
Da die Magensäuresekretion bei langfristiger Cortison-Einnahme verstärkt wird, besteht insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ein höheres Risiko, ein Magengeschwür zu entwickeln. Daher empfiehlt es sich, parallel einen Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol oder Pantoprazol einzunehmen.
Auch wenn es viele verschiedene Nebenwirkungen gibt, sollte man die positiven Wirkungen der Arzneitherapie höher gewichten. Mit regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und einer gesunden Lebensweise (Bewegung, gesunde Ernährung, Verzicht auf Rauchen und Alkohol) können die Patient:innen dazu beitragen, die Nebenwirkungen in Grenzen zu halten.
AMIRA fragt: Wann und wogegen empfehlt ihr Cortison-Präparate aus dem OTC-Bereich? Schildert uns eure Erfahrungen in den Kommentaren.