Curcumin bei rheumatoider Arthritis: Was sagen Studien?
Kurkuma, Curcuma, Curcumin – hatten wir das nicht schon? Ja, aber es gab den vielfachen Wunsch, noch etwas mehr ins Detail zu gehen. Da lassen wir uns nicht lange bitten und legen einfach nach. Hier ist Teil 2 unserer Curcuma-Story: Faktensatt und detailliert.
Curcumin-haltige Nahrungsergänzungsmittel werden unterstützend in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingenommen. Inwiefern der Pflanzeninhaltsstoff dabei helfen kann, Beschwerden zu lindern, wollen wir in diesem Beitrag noch einmal ganz genau beleuchten.
Curcumin kommt in Gewürzen (Currypulver) und als Lebensmittelzusatzstoff (E100) vor und ist zudem in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) auf dem Markt. In Deutschland gibt es kein zugelassenes Fertigarzneimittel Curcumin. Der sekundäre Pflanzeninhaltsstoff wird aus der Curcuma-Pflanze (lat. Curcuma longa) gewonnen und zählt zu den pflanzlichen Polyphenolen. Die Bioverfügbarkeit dieser Präparate ist gering, deshalb werden manchen NEM auch Piperin (gewonnen aus schwarzem Pfeffer; lat. Piper nigrum) zugesetzt, um die Resorption des Körpers zu erhöhen.
Der Substanz werden entzündungshemmende und antioxidative Wirkungen zugeschrieben. Aus diesem Grund werden sie in der komplementären Medizin gerne unter anderem bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) eingesetzt. Doch wie sieht die Studienlage hierzu aus?
Das Krankheitsbild der rheumatoiden Arthritis
Die RA ist eine chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung, die Frauen dreimal häufiger trifft als Männer. Pathophysiologisch wird dabei die Innenhaut der Gelenke befallen, was zu einer Polyarthritis (= Entzündung von mindestens fünf Gelenken gleichzeitig) führen kann. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden genetische, bakterielle und virale Faktoren. Zudem werden auch Umwelteinflüssen und dem Rauchen eine Rolle zugeschrieben.
Anfangs betrifft die Entzündung Finger- und Zehengelenke, es kommt bei den Betroffenen zu Schmerzen und Schwellungen. Folglich werden Gelenke schwer beweglich, es kommt zu einer Morgensteifigkeit. Später kommen meist andere Gelenke hinzu, die Entzündung breitet sich aus. Außerdem können Müdigkeit, Fieber, Gewichtsverlust und Leistungsschwäche hinzukommen. Die Folgen der Entzündungen machen sich somit im ganzen Körper bemerkbar.
Arzneimitteltherapie und die Rolle von Nahrungsergänzungsmitteln
Medikamentös kann die RA mit Glukokortikoiden, Analgetika, nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), selektiven und unselektiven COX-Hemmern, Basistherapeutika (z. B. Methotrexat, Azathioprin, Ciclosporin A, Sulfasalazin (SSZ)), Anti-TNF-α-Therapeutika (Adalimumab, Infliximab, Etanercept, etc.), Interleukin-Blocker (Anakinra, Tocilizumab) sowie Antikörper (Rituximab, Abatacept) behandelt werden und die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen. Als neuestes Therapieprinzip stehen seit wenigen Jahren außerdem die Janus-Kinase-Hemmer (Tofacitinib, Baricitinib, Ruxolitinib) zur Verfügung.
Zudem können Omega-3-Fettsäuren die Symptome der RA lindern, wie auch die Leitlinie bestätigt. Denn in Studien konnte gezeigt werden, dass mehrfach ungesättigten Fettsäuren signifikant Leukotrien B4 (LTB4) unter Supplementierung reduzieren. Leukotriene sind im Allgemeinen entzündungsfördernde Botenstoffe und LTB4 trägt essenziell zu Entzündungsreaktionen im Körper bei. Es gibt eine moderate Evidenz bei Verbesserung von Schmerz, Morgensteifigkeit, Gelenkschwellung und Krankheitsaktivität. In einer randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Studie von 2015 konnte zudem gezeigt werden, dass die zusätzliche Einnahme von 10 mL/d Fischöl ein Ansprechen einer Triple-DMARD-Basistherapie bei neu aufgetretener RA signifikant verbessern konnte.
Können Phytotherapeutika helfen?
Ausführliche systematische Übersichtsarbeiten legen eine mögliche Evidenz (moderate Qualität) für Gamma-Linolensäure-haltige Öle (Nachtkerzenöl, Johannisbeer-, Borretsch-Samenöl) zur Symptomlinderung nahe, wie aus „Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis“ ersichtlich wird. Den Expert:innen zufolge stellt die Dreiflügelfrucht (lat. Tripterygium wilfordii HOOK.F.) einen Spezialfall dar. Die Inhaltsstoffe wirken stark entzündungshemmend und immunsuppressiv. Die Pflanze wird in China häufig zur Behandlung der RA eingesetzt und wird auch hierzulande bekannter. Allerdings bemängeln die Leitlinienautoren eine unzureichende Studienlange und schlechte Studienqualität. In anderen Studien war die Dreiflügelfrucht Sulfasalazin und Placebo, im indirekten Vergleich noch anderen Entzündungshemmern oder Immunmodulatoren überlegen.
Da die Dreiflügelfrucht eine Giftpflanze ist, können unerwünschte Wirkungen auftreten. Den Leitlinienautoren zufolge bleiben diese jedoch im Allgemeinen hinter denen der synthetischen DMARDs [Anm. d. Red.: Disease-modifying anti-rheumatic drugs; progressionsverlangsamende Antirheumatika] zurück. In Deutschland gibt sind nur Nahrungsergänzungsmittel mit dem Extrakt verfügbar, Fertigarzneimittel gibt es nicht.
Curcumin: Risiken und Wechselwirkungen
Curcumin wird peroral schlecht vom Körper resorbiert. Es kann zu Leberschäden führen, vor allem wenn zusätzlich Piperin zur verbesserten Bioverfügbarkeit zugesetzt wurde. Maximal sollten laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) täglich 180 bis 200 mg Curcumin eingenommen werden, einigen Experten zufolge liegt die Grenze sogar bei 130 mg/Tag. Die empfohlene tägliche Aufnahmemenge sollte nicht überschritten werden, da gesundheitsschädliche Wirkungen wie Leberschäden auftreten können.
Zu den Symptomen einer Intoxikation gehören beispielsweise Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, Übelkeit, Erbrechen, ungewöhnliche Müdigkeit, Schwäche, Magen- oder Bauchschmerzen sowie Appetitverlust. Um gesundheitliche Risiken zu reduzieren, sollte bereits bei den ersten Anzeichen die Einnahme des Präparates abgebrochen werden.
Zudem sieht die Behörde einen „grundsätzlichen Forschungsbedarf“ hinsichtlich der Toxizität von Curcumin-haltigen Zubereitungen mit verbesserter Bioverfügbarkeit. Hintergrund ist unter anderem, dass die Substanz dann zu einem größeren Anteil in die Blutbahn gelangt und dadurch prinzipiell die Toxizität erhöhen kann. Zudem könnten auch nicht nur Piperin – sondern auch weitere Bestandteile dieser Nahrungsergänzungsmittel – ebenfalls die Gesundheit gefährden.
Curcumin kann zudem die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinflussen und zu Wechselwirkungen mit Gerinnungshemmern, Chemotherapeutika und Medikamenten gegen Lebererkrankungen führen. Für Schwangere und Stillende sind diese Zubereitungen tabu. Auch Menschen mit Gallensteinen sollten auf die Einnahme verzichten, da Gallenkoliken verursacht werden können.
Sind Curcuma-Extrakte aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert?
In einer Metaanalyse gab es keinen signifikanten mittleren Unterschied in der visuellen Analogskala zur Schmerzbewertung zwischen Curcumin und Schmerzmitteln. Randomisiert, kontrollierte Studien liefern wissenschaftliche Beweise, die die Wirksamkeit von Kurkuma-Extrakt (ca. 1000 mg/Tag Curcumin) bei der Behandlung von Arthritis unterstützen. Allerdings reichten die Gesamtzahl der in die Analyse einbezogenen RCTs, die Gesamtstichprobengröße und die methodische Qualität der Primärstudien jedoch nicht aus, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Forschenden zufolge sind daher strengere und größere Studien notwendig, um die therapeutische Wirksamkeit von Curcumin bei Arthritis zu bestätigen. Die Leitlinie spricht für die Anwendung von Curcumin bei Arthritis keine Empfehlung aus.
AMIRA fragt: Wie werdet ihr in der Beratungspraxis verfahren: Curcuma-Präparate empfehlen und auf die Dosisbeschränkung hinweisen? Oder werdet ihr von Empfehlungen jetzt Abstand nehmen?