Wochenrückblick: Protestmonat biegt auf Zielgerade ein, Diskussion um Zuckersteuer

Am Mittwoch gingen dieses Mal die Apotheker aus Süddeutschland auf die Straße. Eine neue Studie zeigt die möglichen Vorteile einer Zuckersteuer auf, während es in Bezug auf eine neue Krankheitswelle in China Entwarnung gibt.

Protestmonat November: Branche macht ihrem Ärger dieses Mal in Stuttgart Luft 

Der von der ABDA zum Protestmonat ausgerufene November neigt sich dem Ende entgegen. Am Mittwoch machten Apotheken in Baden-Württemberg und Bayern dicht, aus Protest gegen die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Mehrere Tausend Beschäftigte aus Apotheken folgten zudem dem Aufruf, in Stuttgart gegen unzumutbare Zustände in der Arzneimittelversorgung, darunter massive Lieferengpässe, überbordende Bürokratie, steigende Anforderungen der Krankenkassen, einen eskalierenden Fachkräftemangel und vor allem gegen die mangelnde Honorierung ihrer Leistungen auf die Straße zu gehen. Die Demo begann, um die Lage auch symbolisch vor Augen zu führen, um 12:05 Uhr.

Ein Bericht zum Protesttag im Süden Deutschlands findet sich unter anderem auf tagesschau.de. Die Proteste begannen bereits am 1. November in Erfurt und werden am 29. November mit einer Kundgebung in Dresden und Berlin fortgesetzt. Schließungen sind in weiteren Bundesländern geplant. 

BW-Landesgesundheitsminister unterstützt Forderungen der Apothekerschaft 

Trotz der anhaltenden Proteste blieben die Forderungen der Apothekerschaft bislang unbeantwortet. Nun hat sich mit dem baden-württembergischen Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) erstmals ein Politiker gefunden, der die Apothekerinnen und Apotheker in Bayern und Baden-Württemberg deutlich unterstützt. In einem Interview mit der Deutschen Presseagentur betonte Lucha in dieser Woche die Notwendigkeit eines soliden wirtschaftlichen Fundaments für niedergelassene Apotheken. Nur so sei eine hochwertige Versorgung sicherzustellen.

Lauterbach müsse ernsthafte Gespräche mit den Ländern führen, um die bestehenden Probleme der deutschen Apotheken konstruktiv anzugehen. Lucha forderte eine Apothekenreform in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsminister, um neue Finanzierungskonzepte zu entwickeln, die auf Inflation und Lohnsteigerung reagieren können. Im Gespräch nannte er die Kritik der Apothekerinnen und Apotheker berechtigt, weil sie über zehn Jahre lang ohne Anpassungen an die wirtschaftliche Entwicklung auskommen mussten. Dabei betonte der Landesminister auch die bewährte Rolle der Inhaber-geführten Apotheken im deutschen Gesundheitsversorgungssystem und warnte vor Ansätzen, dieses System zu lockern, da dies das Apothekennetz gefährden würde. 

Vom Süden in den hohen Norden: Landtag von Schleswig-Holstein debattiert über Lage der Apotheken

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wurden am Mittwoch zentrale, die Apothekenbranche betreffende Themen diskutiert. Der Fokus lag dabei auf Anträgen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung und der Unterstützung von Apotheken. Sowohl CDU als auch FDP befürworteten die Überweisung beider Anträge an den Sozialausschuss, um die Wertschätzung für Patient:innen und Apotheker:innen zu betonen.

In der Diskussion wurde die Bedeutung der Apotheken unterstrichen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Schleswig-Holstein ab Januar 2024 den Vorsitz der Konferenz der Gesundheitsminister übernimmt. FDP und SSW forderten klare Schwerpunkte in der Versorgungspolitik, einschließlich der langfristigen Sicherung der Arzneimittelversorgung und der Stärkung von Präsenzapotheken. Maßnahmen könnten die Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung, die Reduzierung von Retaxationsverfahren und die Einführung eines Engpassausgleichs umfassen.

Gesundheitspolitiker wiesen auf die anhaltenden Probleme bei der Medikamentenversorgung, den Beitrag der Apotheken während der Pandemie und die Herausforderungen durch Online-Apotheken hin. Die Grünen forderten eine Überprüfung des Vergütungssystems und die Anpassung des Packungshonorars. Die SPD sprach sich für eine Neugestaltung der Gesundheitspolitik aus, und der SSW betonte die Notwendigkeit von mehr Handlungsfreiheit für Apotheken.

Die Ministerin für Justiz und Gesundheit kritisierte die schlechten Rahmenbedingungen, darunter Kostensteigerungen und bürokratische Hürden, die die finanzielle Situation der Apotheken belasten. Sie möchte sich auf Landesebene für verbesserte Ausbildungsbedingungen und eine bessere Fachkräftesituation für Apotheker einsetzen. 

Neues Medikament zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen 

Mit Mounjaro (Tirzepatid) wurde kürzlich ein neues Medikament zugelassen, das – ergänzend zu Diät und Bewegung – zur Behandlung von unzureichend kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen eingesetzt wird. Es kann als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antidiabetika, einschließlich Insulin, verwendet werden, insbesondere wenn Metformin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die Zulassung im Juli 2022 empfohlen, und die EU-Kommission stimmte im September 2022 zu. In den USA ist Mounjaro seit Juni 2022 zugelassen.

Das Medikament, das den Wirkstoff Tirzepatid enthält, ist als Injektionslösung in einem vorgefüllten Pen verfügbar. Die subkutane Anwendung erfolgt im Bauch, Oberschenkel oder Oberarm, wobei die Injektionsstelle bei jeder Dosis gewechselt werden sollte. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 2,5 mg einmal wöchentlich, die auf 5 mg erhöht werden kann. Die Erhaltungsdosis beträgt 5, 10 oder 15 mg einmal wöchentlich, die maximale Dosis 15 mg.

Tirzepatid ist ein dualer Agonist an den Rezeptoren der Inkretine GLP-1 und GIP, der die Insulinmenge in Reaktion auf Nahrung glukoseabhängig erhöht. Dies verbessert die glykämische Kontrolle bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Nebenwirkungen können sich in Form von Hypoglykämie, gastrointestinalen Probleme, vermindertem Appetit, Überempfindlichkeitsreaktionen und Fatigue äußern.

Besondere Vorsicht ist bei der Anwendung von Mounjaro geboten, da es die Magenentleerung verzögern kann, was Dosisanpassungen bei gleichzeitiger Anwendung von bestimmten oralen Arzneimitteln erfordern kann. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko für akute Pankreatitis, insbesondere bei Patienten mit Pankreatitis in der Anamnese.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Mounjaro wurden in umfangreichen klinischen Studien untersucht. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) hat im November 2023 eine mögliche Erweiterung der Marktzulassung für die Verwendung von Mounjaro zur Gewichtskontrolle bei Erwachsenen mit Adipositas oder Übergewicht und Begleiterkrankungen empfohlen. In den USA ist Tirzepatid bereits für diese Indikation zugelassen.

Atemwegserkrankungen von Kindern in China: Lauterbach entspannt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht derzeit keine Gefahr für Deutschland im Zusammenhang mit einer Häufung von Atemwegserkrankungen bei Kindern im Norden Chinas. Er betonte, dass es sich wahrscheinlich um eine saisonale Zunahme mit bekannten Erregern handele und keine neuen oder besorgniserregenden Erreger involviert seien. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte nach Rücksprache mit chinesischen Behörden ebenfalls Entwarnung gegeben. Die chinesische Gesundheitsbehörde habe betont, dass keine ungewöhnlichen oder neuen Krankheitserreger entdeckt wurden.

Die Nationale Gesundheitskommission Chinas hatte die erhöhte Zahl der Erkrankungen auf die Verbreitung bekannter Erreger nach Aufhebung der Corona-Maßnahmen zurückgeführt. In anderen Ländern, einschließlich Deutschland, gab es in den letzten Wochen ebenfalls starke Wellen von Erkältungskrankheiten. 

Forscher: Zuckersteuer würde Gesundheitskosten senken

Eine Zuckersteuer auf Erfrischungsgetränke könnte in Deutschland laut einer neuen Studie von Forschern der Technischen Universität München und der Universität Liverpool innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte bis zu 16 Milliarden Euro sparen und zahlreiche Erkrankungen vermeiden. Die Teams betonten, dass eine Softdrink-Steuer positive Auswirkungen hätte, den Zuckerkonsum reduzieren und volkswirtschaftliche Kosten senken könnte. Während die Weltgesundheitsorganisation eine Steuer von mindestens 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke empfiehlt, verfolgt Deutschland bislang eine freiwillige Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie, die laut Studien aber nur mäßige Ergebnisse zeigt. 

Die Münchner Studie legt dar, dass eine Steuer hierzulande das Risiko für Übergewicht und Erkrankungen senken würde. Untersucht wurden unterschiedliche Szenarien, die den Softdrink-Konsum generell senken oder Rezepturänderungen herbeiführen. So würde eine pauschale 20-prozentige Anhebung der Preise in Form einer Zuckersteuer den Zuckerkonsum pro Person und Tag um ein Gramm reduzieren. Eine 30-prozentige Reduktion des Zuckers in den Rezepturen, wie in Großbritannien, könnte den Pro-Kopf-Konsum in Deutschland täglich um 2,3 Gramm senken. Die Einführung einer gestaffelten Herstellerabgabe könnte bis 2043 volkswirtschaftliche Einsparungen von rund 16 Milliarden Euro bewirken, darunter etwa 4 Milliarden Euro an Gesundheitskosten. Bei einer 20-prozentigen Steuer wären es etwa 9,5 Milliarden Euro. 

Rückschlag für Bayer

Bayer hat eine Studie mit einem vielversprechenden Medikament aufgrund mangelnder Wirksamkeit abgebrochen. Die Phase-III-Studie zu Asundexian, einem Gerinnungshemmer für Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko, wird vorzeitig beendet. Asundexian enthält einen Wirkstoff, der geringere Blutungsrisiken als aktuelle Mittel versprach. Bayer hatte große Hoffnungen auf Asundexian als Nachfolger von Xarelto gesetzt, dessen Patentschutz demnächst ausläuft und mit einem geschätzten Jahresumsatz von über fünf Milliarden Euro gerechnet. Allerdings zeigte sich nun eine unterlegene Wirksamkeit im Vergleich zur Standardbehandlung. Die Daten werden von Bayer weiter analysiert. Infolge des Studienabbruchs und weil Bayer weitere Klagen gegen sein Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat erwartet, dessen Nutzung in der EU jüngst verlängert wurde, brach die Bayer-Aktie um über 25 Prozent ein.