Vergiftungsgefahr: Ätherische Öle bei erkälteten Kindern
Mit Beginn der kälteren Jahreszeit häufen sich Erkältungskrankheiten, insbesondere bei Kindern. Präparate mit ätherischen Ölen zur Linderung der Beschwerden sind beliebt, bergen aber Gefahren. Worauf ist zu achten?
Ätherische Öle finden in der Pharmazie vielerlei Verwendung und sind beispielsweise in Erkältungspräparaten wie Babix® Inhalat N (bereits für Säuglinge), Pinimenthol® Erkältungsbalsam mild, Wick Vaporub (beides ab zwei Jahren), Transpulmin® (ab sechs Jahren) und Bronchoforton® (ab vier Jahren) zu finden. Aber auch außerhalb der Indikation der Erkältungskrankheiten werden die ätherischen Öle erfolgreich eingesetzt (z. B. Pfefferminzöl bei Spannungskopfschmerzen, Kamillenöl bei Magen-Darm-Beschwerden). Weiterhin können ätherische Öle auch das Wohlbefinden beeinflussen (Aromatherapie).
Charakteristika der ätherischen Öle
Ätherische Öle bestehen aus unterschiedlich zusammengesetzten Stoffgemischen mit 20 bis 200 flüssigen, flüchtigen und fettlöslichen pflanzlichen Einzelsubstanzen, die zu 90 Prozent zu den Terpenen zählen. Je nach Konzentration der Einzelsubstanzen in den Ölen werden sie grob in Hauptkomponenten (20–95 Prozent), Nebenkomponenten (1–20 Prozent) und Spurenkomponenten (unter 1 Prozent) eingeteilt.
Sie haben einen charakteristischen Geruch und verdunsten im Gegensatz zu fetten Ölen vollständig. Je nach Öl haben sie unterschiedliche Eigenschaften, so können sie beispielsweise antimikrobiell (z. B. Teebaumöl), auswurffördernd (z. B. Thymian), verdauungsfördernd (z. B. Anis, Fenchel, Kümmel), krampflösend (z. B. Kamille) und beruhigend (z. B. Lavendel) wirken. Außerdem haben sie ein geringeres spezifisches Gewicht als Wasser und sind leicht entflammbar.
Hergestellt werden sie üblicherweise mithilfe einer Wasserdampfdestillation aus Blüten, Blättern oder Früchten bestimmter Pflanzen, werden aber teilweise auch durch Auspressverfahren, Mazeration, Ölextraktionsverfahren oder Lösungsmittelextraktion gewonnen. Die Familien der Apiaceae, Lamiaceae, Lauraceae, Myrtaceae, Pinaceae, Piperaceae, Rutaceae und Zingiberaceae führen ätherisches Öl, das in Exkretbehältern (z. B. Ölzellen, Drüsenhaare, Drüsenschuppen) gespeichert wird. Ätherische Öle können aber auch aus synthetischen Aromastoffen hergestellt werden.
Gut zu wissen: Die Zusammensetzung der ätherischen Öle in den Pflanzen ändert sich während Jahres- und Tageszeiten und je nach klimatischen Bedingungen.
Resorption und Gefahren
Ätherische Öle werden über unterschiedliche Orte vom Körper resorbiert (Schleimhäute, Haut, Magen-Darm-Trakt, Nase). Nach der Resorption werden sie auf alle Organe verteilt. Es wird davon ausgegangen, dass ätherische Öle – genauer genommen die enthaltenen Terpene und Terpenoide – aufgrund ihrer Lipophilie auch in das Zentralnervensystem gelangen. Die ätherischen Öle werden unverändert über die Nieren eliminiert, teilweise auch über die Lungen mit der Atemluft. Wie bei allen Natursubstanzen gibt es auch bei ihnen ein gewisses Allergierisiko.
Die Vergiftungsgefahr hängt eng mit der Lipophilie dieser Stoffe zusammen. Denn sie können die Blut-Hirn-Schranke passieren und schnell auf bestimmte Rezeptoren im Gehirn wirken. Eine Überdosierung, insbesondere bei Kindern, kann lebensgefährlich werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt daher: „Unverdünnte ätherische Öle sind nicht für Säuglinge und Kleinkinder geeignet“.
Die Behörde erklärt, dass schon kleinste Mengen (z.B. wenige Tropfen), die in Mund oder Nase geraten, bei Säuglingen und Kleinkindern zu lebensbedrohlichen Verkrampfungen des Kehlkopfs und zu Atemstillstand führen können. Weiterhin sind Haut- und Schleimhautreizungen, Erbrechen, Bewegungsstörungen oder sogar Krampfanfälle möglich. Bei Kindern unter drei Jahren sind bei der Anwendung von Kampfer, Eukalyptus-, Thymian- und Pfefferminzöl besondere Vorsicht geboten, teilt das BfR mit.
Was ist mit ätherischen Ölen in Inhalationslösungen, Salben & Co.?
Die ätherischen Öle in den Erkältungspräparaten für Kinder sind in der Regel als Fertigarzneimittel zugelassen. Dementsprechend wurden Studien unter anderem zur Wirksamkeit und Toxikologie durchgeführt. Die empfohlene Dosierung sollte eingehalten werden und auch hier gilt wie immer: Die Dosis macht das Gift.
Um eine Zulassung bei Säuglingen als Beispiel zu nehmen, darf Babix® laut Packungsbeilage bei Säuglingen und Kindern unter zwei Jahren angewendet werden. Allerdings darf das Öl auf keinen Fall auf die Haut, sondern lediglich auf die Bettwäsche getropft werden. Und auch da ist darauf zu achten, dass nicht in die Nähe der Atmungsorgane getropft wird. Einige Expert:innen monieren allerdings, dass bei derartigen Präparaten der Hinweis „Auf Bettwäsche und nicht in die Nähe der Atmungsorgane tropfen“ nicht genau genug ist. Die „Nähe“ sei nicht weiter definiert und somit das Risiko für unerwünschte Wirkungen bei Säuglingen erhöht.
Bei Kindern ab zwei Jahren kann das Präparat laut Zulassung bereits auf die Kleidung in der Nähe der Atmungsorgane getropft werden, ab sechs Jahren ist eine Inhalation mit heißem Wasser möglich. Babix® enthält Eukalpytus- und Fichtennadelöl. Eukalyptusöl wird von der Europäischen Gesundheitsagentur (EMA) nicht bei Kindern unter vier Jahren empfohlen. Bei Kindern unter 30 Monaten (= 2,5 Jahre) spricht sie sogar von einer Kontraindikation.
Weiterhin ist es wichtig, Eltern von Säuglingen darauf hinzuweisen, dass durch den engen Körperkontakt mit den Babys (z. B. in der Trage) die ätherischen Öle zum Kind gelangen können. Wenn nötig, sollten Eltern daher die gleichen Präparate wie ihre Kinder anwenden.
Gibt es Alternativen zu Eukalyptus & Co.?
Es muss nicht immer Eukalyptus (etc.) in der Erkältungszeit sein – es gibt auch ätherische Öle, die besser für Kinder geeignet sind und mit einem geringeren Risiko einhergehen. Beliebt bei Eltern sind beispielsweise die Präparate der Bahnhof-Apotheke Kempten, die übrigens auch bei Säuglingen angewendet werden können. Beispielsweise gibt es den Engelwurzbalsam (enthält Angelikawurzel, Majoran, Thymian) zur Pflege von Schnupfnasen sowie den Thymian-Myrte Balsam für Kinder (enthält Myrte, Zirbelkäfer, Ysop, Salbei, Thymian, Niaouli), dass das Durchatmen und die Durchblutung fördert. Auch hier gilt, dass der Balsam sparsam aufgetragen wird, insbesondere bei Säuglingen unter sechs Monaten. Wichtig ist weiterhin zu wissen, dass es sich bei diesen Produkten nicht um Arzneimittel handelt.
Aktuell: Fencheltee nicht für Kinder unter vier Jahren
Süßer Fenchel (Foeniculum vulgare) wirkt auswurffördernd, krampflösend sowie schleimlösend und wird unter anderem bei Blähungen und Bauchschmerzen bei Säuglingen angewendet. Das darin vorkommende Fenchelöl enthält unter anderem die Phenylpropanoide Anethol und Estragol. Letztere Substanz kann das Risiko für Krebs zu erhöhen, wie Tierversuche zeigen. In Fencheltees schwankt der Gehalt der Substanz je nach Produkt stark. Aus diesem Gründen rät die EMA in ihrer aktuellen Richtlinie nach einer Neubewertung von der Anwendung von Fencheltee bei Kindern unter vier Jahren und bei Stillenden ab. Das BfR warnte bereits im Jahre 2002 vor einem unkritischen Konsum von Fencheltee bei Kindern.
Fazit
Ätherische Öle kommen in verschiedenen Pflanzenfamilien vor und enthalten stark wirksame Substanzen, die Allergien auslösen können. Sie sind nicht für alle Altersklassen geeignet und manche sind bei (Klein-)Kindern kontraindiziert. Mit Hinblick auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis sollten ätherische Öle mit Bedacht eingesetzt werden.