Wochenrückblick: Neue Therapeutika für Migräne- und HIV-Patienten und angepasster Corona-Impfstoff
Nicht nur Migränepatienten, sondern auch HIV-Erkrankte dürfen sich über neue Therapiemöglichkeiten freuen: Neue Arzneimittel auf dem Markt spenden Hoffnung. Moderna hat außerdem einen angepassten Corona-Impfstoff ausgeliefert.
Moderna liefert neuen Impfstoff mit abweichender Bezeichnung
Damit die Belieferung möglichst schnell nach der Zulassung vonstattengehen kann, hat Moderna die ersten Vials des omikron-optimierten Impfstoffes bereits vorproduziert. Der Inhalt und die Qualität entsprechen selbstverständlich genau dem Impfstoff, der später ausgeliefert werden wird. Das Etikett sieht allerdings etwas anders aus und auch der Name weicht ab. Statt „Spikevax bivalent Original/Omicron BA.1 (50 Mikrogramm/50 Mikrogramm) /mL Injektionsdispersion“ steht auf den Vials in der ersten Zeit: „Spikevax 0 (Zero)/O (Omicron) 0.10 mg/mL dispersion for injection“, ein Name, der an die zu diesem Zeitpunkt gültigen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst ist. Die Beschriftung der Impfstoffe erfolgt außerdem auf Englisch. Der Hersteller empfiehlt außerdem, den zu impfenden Personen eine Gebrauchsinformation des verabreichten Impfstoffs bereitzustellen. Diese kann auch in deutscher Sprache elektronisch in der Apotheke abgerufen werden indem der QR-Code gescannt wird, der auf der Faltschachtel aufgebracht ist.
Neue Hoffnung für Migränepatienten
Erwachsene, die mindestens vier Migräneanfälle im Monat erleiden, haben nun eine neue Therapieoption, denn am 1. September 2022 wurde ein neues Migränetherapeutikum auf dem deutschen Markt zugelassen. Es handelt sich um den humanisierten monoklonalen Migräne-Antikörper “VYEPTI” mit dem Wirkstoff Eptinezumab des Herstellers Lundbeck Seattle BioPharmaceuticals. Der Antikörper blockiert die Bindung des vasoaktiven Neuropeptids Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) an seinen Rezeptor. Diese Rezeptorenstimulation durch CGRP löst unter anderem eine Vasodilatation aus, die vermutlich einen wichtigen pathogenetischen Mechanismus bei der Entstehung der Migräne darstellt. VYEPTI muss durch medizinisches Personal alle 12 Wochen mittels intravenöser Infusion in einer Dosis zwischen 100 mg und maximal 300 mg verabreicht werden. Hast du in deiner Apotheke Kunden, die diese Möglichkeit ergreifen, weil sie mit den Triptanen nicht auseichend versorgt sind und immer wieder unter Migräneattacken leiden? Dann kannst du ihnen raten, sich mit ihrem behandelnden Arzt darüber zu unterhalten!
Neues HIV-Therapeutikum seit Ende August
Ebenfalls erst vor kurzem auf dem deutschen Markt erhältlich ist ein neues HIV-Medikament, das nur noch 2x jährlich injiziert werden muss. Das Therapeutikum ist vor allem für die Patientengruppe gedacht, die multiple Resistenzen gegen andere Wirkstoffe ausgebildet haben. Es handelt sich um das Medikament „Sunlenca“ mit dem Wirkstoff Lenacapavir, hergestellt vom US-Pharmaunternehmen Gilead. Der Kapsid-Inhibitor bindet sich irreversibel an das HIV-Kapsid (eine aus Proteinbausteinen bestehende Struktur, die das Genom eines Virus umgibt) und verhindert dessen Zusammenbau, was die Virenlast bedeutend senkt. “Sunlenca” ist auch in Tablettenform erhältlich. Diese werden zu Beginn der Therapie acht Tage lang gegeben, bevor sich die subkutane Injektion in den Gesäßmuskel alle 26 Wochen anschließt. Bislang scheinen sich bei dieser Therapieform noch keine Resistenzen zu entwickeln. Eine gute Nachricht für all jene, deren Virenlast sich trotz täglicher Medikamentengabe nicht mehr verringern lässt.
Vitamin-D3-Überdosierung bei Säugling
In der vergangenen Woche meldete die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) den Fall eines sieben Monate alten Säuglings, der wegen einer ausgeprägten Vitamin-D3-Überdosierung intensivmedizinisch behandelt werden musste. Die Konzentration von 25-Hydroxycholecalciferol im Serum des Säuglings war mit über 600 µg/l (Referenzbereich 20–70 µg/l) extrem erhöht. Die Eltern hatten im Internet ein hochkonzentriertes Vitamin-D-haltiges Nahrungsergänzungsmittel bestellt und ihrem Säugling über fünf Monate hinweg verabreicht. Er wurde auf die Intensivstation eines Krankenhauses gebracht wegen einer Gewichtsabnahme (-7 % in drei Wochen), Exsikkose und Vigilanzminderung. Festgestellt wurde dort zudem eine ausgeprägte Elektrolytstörung (Kalium 6,6 mmol/l, Natrium 105 mmol/l, Kalzium 4,18 mmol/l) sowie eine Nephrokalzinose Grad II. Ein Arzneimittel in der Dosierung des Nahrungsergänzungsmittels wäre verschreibungspflichtig gewesen. Das macht noch einmal sehr deutlich, dass auch Nahrungsergänzungsmittel stark beratungsbedürftig sind und in diesen Konzentrationen besser dem Arzneimittelrecht unterstehen sollten. Hast du dich auch schon das ein- oder andere Mal darüber gewundert, dass man Tabletten oder Tropfen in solch hohen Dosierungen problemlos über das Internet beziehen kann, in der Apotheke aber ein Rezept dafür benötigt?
SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verlängert
Am Donnerstagnachmittag beschloss der Bundestag die Verlängerung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung. Das bedeutet für die Apotheken, dass die erleichterten Abgabe-Regelungen bei Kassenrezepten, die während der Pandemie zur schnelleren Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln per Eilverordnung erlassen wurde, bis zum 7. April 2023 verlängert wurden. Ebenfalls auf den gleichen Tag verlängert wurden die Verordnungen zum Impfen und Testen, die Honorare für Impfstoff-Lieferungen sowie die Ermächtigung der Apotheker, Covid-19-Impfungen durchführen zu können. Zusätzlich wurden auch Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung beschlossen, die dabei helfen sollen, die Corona-Wellen des Herbsts und des Winters gut zu überstehen:
• FFP2-Maskenpflicht in Fernzügen, Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen
• Wegfall der FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen
• vor dem Zutritt zu Pflegeheimen und Kliniken muss ein negativer Test vorgelegt werden
• Möglichkeit einer Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, in Restaurants und anderen Innenräumen ab Oktober im Ermessen der einzelnen Länder
• Möglichkeit, in Schulen und Kitas Tests vorzuschreiben bzw. ab Klasse 5 auch Maskenpflichten
• weitere Vorgaben und Steuermöglichkeiten für die Länder bei einer regional kritischeren Corona-Lage