Melatonin – die Lösung aller Schlafprobleme?
In Super- und Drogeriemärkten, aber auch in den Apotheken werden melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Auch können rezeptpflichtige Arzneimittel verordnet werden. Was ist davon zu halten?
Der globalen Datenbank statista zufolge klagen rund 43 Prozent der Menschen in Deutschland über Schlafstörungen. Dabei sind Frauen häufiger davon betroffen als Männer. Viele Menschen kämpfen regelrecht darum und wünschen sich nichts mehr, als einen erholsamen durchgängigen Schlaf, um am nächsten Morgen wieder fit und vital in den nächsten Tag starten zu können. Schlafmangel kann zudem Erkrankungen begünstigen und das Immunsystem schwächen. Im OTC-Bereich können verschiedene Präparate eingesetzt werden. Neben apothekenpflichtigen Antihistaminika wie Doxylamin und Diphenhydramin sind auch Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin zunehmend beliebt.
Was genau ist Melatonin?
Melatonin ist als Metabolit des Tryptophanstoffwechsels ein körpereigenes Hormon, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Es zählt zu den Neurotransmittern und wird umgangssprachlich auch als das „Schlafhormon“ bezeichnet. Allerdings werden nicht nur der Schlaf, sondern auch andere Bereiche im Körper beeinflusst. Gebildet wird Melatonin aus dem Ausgangsstoff Serotonin, hauptsächlich in der Zirbeldrüse (Epiphyse) unseres Gehirns, aber auch in geringeren Mengen im Darm oder der Netzhaut des Auges.
Wie wirkt das Schlafhormon in unserem Körper?
Melatonin ist der Gegenspieler des Stresshormons Cortisol, das uns tagsüber wach und aufmerksam hält. Sobald es dunkel wird, fällt weniger Licht in die Pupille und die Zirbeldrüse fährt die Melatonin-Produktion hoch, was unseren Körper wiederum herunterfährt. Der Energieverbrauch wird gedrosselt, Körpertemperatur und Blutdruck sinken. Der Körper wird müde und schlafbereit. Fällt wieder Licht in die Pupille (Tageslicht, Fernseher, Scheinwerfer, Lampe) wird die Melatonin-Synthese wieder gestoppt. Tagsüber ist der Melatonin-Spiegel bis zu zwölfmal niedriger als nachts.
Aufgrund eines sehr ausgeprägten First-Pass-Effekts hat das Schlafhormon eine sehr kurze Halbwertszeit, bei retardierten Arzneiformen von 3,5 bis vier Stunden und bei nichtretardierten Präparaten von lediglich 20 Minuten. Das heißt, dass die Wirkung nicht sehr lange anhält.
Welche Arzneimittel gibt es?
In Deutschland gibt es die verschreibungspflichtigen Präparate circadin® 2mg Retardtabletten von Infectopharm, sowie das Generikum Melatonin-ratiopharm® 2mg Retardtabletten von ratiopharm. Es kann ab 55 Jahren ärztlich zur Verbesserung der Schlafqualität verordnet werden, wenn die Schlafstörung keine körperliche oder psychiatrische Ursache hat.
Um Jetlag-Probleme zu kurzzeitig zu verbessern, muss das verschreibungspflichtige Lifestyle-Arzneimittel Melatonin Vitabalans 3 mg oder 5 mg von Blanco Pharma auf Privatrezept verordnet werden, da diese Indikation nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird.
Für Kinder ab zwei Jahren und Jugendliche gibt es das ebenfalls verschreibungspflichtige Medikament slenyto® 1 mg oder 5 mg Retardtabletten von Infectopharm. Es ist zugelassen zur Behandlung von Schlafstörungen, die bei einer Autismus-Spektrums-Störung oder beim Smith-Magenis-Störung auftreten und wenn zuvor andere Maßnahmen zur Schlafhygiene nicht geholfen haben.
In retardierten Arzneiformen ist Melatonin laut Expertinnen und Experten durchaus wirksam, es kann den Schlaf aber nicht erzwingen, sondern lediglich regulieren. Bis eine Wirkung spürbar ist, kann es zwei bis drei Wochen dauern. Es sollte zu einem Zeitpunkt genommen werden, an dem man üblicherweise schläft. Aber nie zu wechselnden Zeiten, da sonst die innere Uhr durcheinandergerät.
Frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel – wirken die auch?
In Deutschland und Österreich wird der Markt mit melatoninhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln regelrecht überschwemmt (Cave: in der Schweiz sind sie verboten). Es gibt sie in Hülle und Fülle, in verschiedenen Darreichungsformen (Sublingualtabletten und -sprays, Tabletten, Kapseln, Direkt-Granulat, Teegetränk) retardiert und unretardiert, in verschiedenen Stärken und mit oder ohne zusätzliche Wirkstoffe (Lavendel, Melisse, Goldmohn, Baldrian, Ashwaganda, etc.).
Um nur eine kleine Auswahl an Nahrungsergänzungsmitteln beispielhaft zu nennen: Es gibt Oyono® Nacht (intens) von Klosterfrau mit einer 3-Phasen-Technologie, die die Inhaltsstoffe zeitversetzt freisetzt. Lunalaif® von Bayer hat neben Einschlaftabletten mit 1 mg Melatonin und Passionsblumenextrakt auch ein Heißgetränk (Lunalaif® Guter Schlaf Heißgetränk mit Melatonin und 5 pflanzlichen Inhaltsstoffen) sowie die Lunalaif® Guter Schlaf Kombi Depot im Sortiment, ein Ein- und Durchschlafmittel mit 1,9 mg Melatonin mit zeitversetzter Freisetzung und zusätzlich Goldmohn und Baldrian.
Cefanight® von Cefak bietet Kapseln, Schmelztabs, Spray und Direktgranulat mit 1 oder 2 mg an in einer veganen Formulierung ohne unnötige Zusatzstoffe. Die Produkte von Hoggar® Melatonin von Stada gibt es als Spray, Kapseln und neu als Duo Kapsel. Eine kleine Innenkapsel enthält 1 mg Melatonin, Passionsblume und Vitamin B6. In der äußeren Kapsel ist Lavendelöl enthalten, das entspannungsfördernd wirkt. Die Wirkstoffe der inneren Kapsel sollen laut Hersteller erst kurz vor dem Einschlafen freigesetzt werden.
Weiterhin bekannt ist das Wick ZzzQuil (intens) Gute Nacht® von Wick Pharma. Die Weichgummis enthalten 1,0 bzw. 1,7mg (intens) Melatonin sowie auch Baldrian, Kamille, Lavendel und Vitamin B6 und sind in den zwei Geschmacksrichtungen Mango-Banane oder Cassis erhältlich. Das Mittel soll vor dem Schlafengehen gekaut werden, danach sollte man noch einmal die Zähne putzen.
Wirkung nicht eindeutig belegt
Um gesicherte Empfehlungen bezüglich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Unbedenklichkeit von Melatonin abgeben zu können, fehlen immer noch große Langzeitstudien. Eine deutsche Übersichtsarbeit, in der Ergebnisse von verschiedenen Studien zusammengefasst wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass die Datenlage zur Wirksamkeit von Melatonin bei Schlafstörungen bislang noch nicht eindeutig ist. Lediglich deuten Hinweise darauf hin, dass Melatonin bei älteren Leuten die Einschlafzeit verkürzen und die Schlafqualität verbessern kann.
Auch aufgrund der kurzen Halbwertszeit kam eine US-amerikanische Übersichtsarbeit zu dem Ergebnis, dass unretardierte Präparate mit weniger als 3 mg Melatonin nicht besser als ein Placebo wirken. Vermutlich wird eine Wirkung eher durch die beruhigenden Wirkstoffe wie Kamille, Baldrian, Lavendel, Passionsblume, Vit. B 6, etc., die zusätzlich in den Präparaten enthalten sind, erzielt.
Zur Verbesserung der Schlafhygiene können Entspannungstechniken oft die Schlafprobleme verbessern. Wer die ganze Nacht in seinem Gedankenkarussell gefangen ist und Probleme wälzt, wird mit Hilfe von Melatonin auch nicht „wie ein Baby“ schlafen. Gegebenenfalls sollten daher zunächst die Ursachen hierfür in Erfahrung gebracht und eventuell behandelt werden. Melatonin kann dem Körper lediglich signalisieren, jetzt müde zu werden und sich bereit zu machen für den Schlaf.