„Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht“ – Personalmangel in der Apotheke

Der Personalmangel macht mittlerweile auch vor den Apotheken nicht mehr Halt. Laut aktuellen Aposcope-Umfragen sind in zwei von drei Apotheken Stellen unbesetzt. Wie kommt‘s? Und was ist zu tun?

Sowohl Apotheker:innen, als auch PTA und PKA werden – wie heißt es so schön? – „händeringend“ gesucht. Auf Jobbörsen, Internetplattformen und in Fachmedien (DAZ, PZ, etc.) wird man regelrecht von Stellenangeboten für pharmazeutisches Personal erschlagen. Übrigens: Schon bald werdet ihr auch in der AMIRA-Welt Stellenausschreibungen finden. Wir halten euch auf dem Laufenden und werden euch rechtzeitig zum Start unserer Jobbörse informieren. Zunächst aber noch einmal zurück zur aktuellen Situation.

Nachwuchsmangel in den Apotheken

Personalnot und „Apothekensterben“ haben denselben Grund: Nachwuchsmangel. Eigentlich eine paradoxe Situation, denn die Absolventenzahlen steigen, während gleichzeitig die Anzahl der Betriebe abnimmt. Der Arbeitsplatz Apotheke hat jedoch deutlich an Attraktivität eingebüßt. Ein Grund dafür sind sicherlich die Arbeitszeiten (Sechs-Tage-Woche und lange Öffnungszeiten) sowie die ausbaufähigen Entgelte. Das Gehalt der PTA liegt knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn, die Ausbildung wird gar nicht vergütet (immerhin muss mittlerweile kein Schulgeld mehr bezahlt werden!) und nach Abschluss der Ausbildung sind die Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Gesundheitsberufen eher gering.

Auch zunehmende Bürokratisierung, gestiegene Anforderungen, viele neue Vorschriften, die alles immer komplizierter machen – QMS, Präqualifizierung, E-Rezept, Rücksprache mit Ärzten wegen fehlender Dosierungsangaben, etc. – erschweren den sogenannten „Fronttäter:innen“ das Leben immer mehr.

Und last but not least: die Pandemie. Die Corona-Pandemie hat das Ganze ordentlich angeheizt. Die Apotheken mussten in den letzten drei Jahren Extremes leisten. Beschaffung, Herstellung und Verteilung von Desinfektionsmitteln, Masken, Kita-Tests, Covid-Impfstoffen, die Durchführung von Antigen-Schnelltests sowie PCR-Tests – und das alles zusätzlich zum „normalen Geschäft“. War die Personalsituation vorher bereits angespannt, kam es in der Pandemie oft zur Eskalation. Eine Schwangerschaft zum Beispiel führte zum sofortigen Beschäftigungsverbot der Angestellten, die Covid-Erkrankung einer angestellten Person oder eines Angehörigen mindestens zu längerer Quarantäne. Und vergessen wir nicht: Auch unter dem Apothekenpersonal gab es in der Zeit, in der die Delta-Variante samt Subtypen dominierte, schwere Verläufe – manchmal sogar bis zur Berufsunfähigkeit oder zum Tode.

Folgen des Personalmangels

Viele Inhaber:innen ordnen Überstunden für das bestehende Personal an, die vorerst nicht abgebaut werden können. Das geht aber nur in einem begrenzten Maß und ist mitunter eine enorme Belastung für die Mitarbeiter:innen und deren Familien. Häufig werden Kolleg:innen, die bereits in Rente waren, wieder zurück geholt oder fachfremde Aushilfskräfte für Backoffice-Arbeiten angestellt. Vorübergehende Notschließungen und reduzierte Öffnungszeiten sind Maßnahmen, die für eine kurzfristige Entlastung sorgen, aber das Problem nur verlagern.

Was muss geschehen?

Der Arbeitsplatz Apotheke muss wieder attraktiver werden. Dies kann durch eine nachhaltige Erhöhung der Apothekenhonorare erreicht werden. Gesetze wie das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verringern die Erlösbasis der Apotheken, was den Spielraum für Gehaltserhöhungen weiter beschneidet. Zudem wäre für PTA eine duale Ausbildung mit Vergütung wünschenswert. Langfristig sei darüber nachzudenken, den PTA-Beruf an ein Fachhochschulstudium mit Bachelor-Abschluss zu knüpfen, weil der Beruf sich so neue Interessenten erschließen könne. So lautete jedenfalls die Empfehlung von Experten im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der Expopharm 2022 in München.

Die begrenzte Anzahl an Studien- und Ausbildungsplätzen für pharmazeutisches Personal muss erhöht werden, damit jeder, der möchte, zeitnah seine Wunschausbildung beginnen kann und keine Wartezeit überbrücken muss.

Gezielte Imagekampagnen sollten zeigen, wie viel die Vor-Ort-Apotheken für jeden Einzelnen im Vergleich zu den Versandapotheken leisten. Na gut, zumindest in diesem Punkt hat sich in letzter Zeit einiges getan, denn sowohl Apothekerverbände als auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller haben Werbekampagnen mit dieser Stoßrichtung gestartet.

Die Apotheken vor Ort sollten bei der Personalsuche wirklich alle Möglichkeiten (Internet, Social Media, Headhunter) ausschöpfen und besonders die Eigenschaften hervorheben, die den eigenen Betrieb von anderen abheben.

Auch sollten Famulaturen und Schülerpraktika angeboten werden, um den potenziellen Nachwuchs frühzeitig für die Apotheke zu begeistern.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Und das Fazit? Trotz aller Belastung, trotz des Nase-voll-Gefühls, das uns alle hin und wieder überkommt: Bleiben wir optimistisch. Erinnern wir uns daran, was unseren Beruf ausmacht und warum wir uns einst dafür entschieden. Und machen wir uns bewusst, was die Vor-Ort-Apotheken in der Pandemie geleistet haben – sind wir nicht wahre Superhelden? Wir schaffen alles! Aufgeben ist keine Option! Oder sagen wir es etwas weniger martialisch: Irgendwie geht es immer weiter und es kommen auch wieder andere Zeiten.

AMIRA möchte wissen: Stimmst du uns bei der Ursachenforschung und den Vorschlägen zur Behebung der Misere zu? Oder hast du ganz andere Ansichten und Erkenntnisse? Was ist deiner Ansicht nach erforderlich, um der Personalnot zu begegnen? Wir sind gespannt auf deine Meinung.