Krankhaft schwitzen: Wenn das normale Deo nicht mehr hilft
Menschen, die übermäßig – also über das physiologisch für die Thermoregulation erforderliche Maß hinaus – schwitzen, leiden an einer Hyperhidrose. Welche Therapien kommen zum Einsatz? AMIRA hat eine Dermatologin gefragt.
Bei einer Hyperhidrose produzieren die ekkrinen Schweißdrüsen übermäßig Schweiß. Die Fachwelt spricht von einer Dermatose, die sich durch pathologisch übermäßiges, fokales oder generalisiertes Schwitzen äußert. Das krankhafte Schwitzen der Achselhöhlen, Handflächen, Fußsohlen, des Gesichts etc. beeinträchtigt oftmals die Lebensqualität der Betroffenen, führt zu sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen sowie emotionalem Stress. Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden unter der unkontrollierbaren Schweißproduktion. Zum Glück stehen verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung.
Welche Arten von Hyperhidrose gibt es?
„Hyperhidrose wird in primäre und sekundäre Formen unterteilt“, erklärt Dr. med. Parnian Firouzi-Memarpuri, Oberärztin der Klinik für Dermatologie und Leiterin der Lichtabteilung in der Hautklinik am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD). Zu den primären Ursachen zählt sie Malignome (z.B. gynäkologische oder gastrointestinale Tumoren), Phäochromozytom (Tumor des Nebennierenmarks), Diabetes mellitus, Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse) und arterielle Hypertonie. Die Ursache der primären Hyperhidrose seien nicht genau geklärt. Eine sekundäre Hyperhidrose könne fokal oder generalisiert auftreten und werde durch eine zugrunde liegende Erkrankung oder die Einnahme von Medikamenten verursacht.
Die Hautklinik des UKD bietet Betroffenen an, sich ärztlich zu dem Thema beraten und untersuchen zu lassen. „Pro Jahr betreuen wir in unserer Hyperhidrose-Sprechstunde ca. 1.700 Patient:innen“, so die Expertin. Die Sprechstunde werde seitens der Patient:innen sehr gut angenommen, viele von ihnen würden seit vielen Jahren in die Hautklinik kommen. „Da wir ein Spezialzentrum sind, sehen wir Patient:innen aus ganz Deutschland”.
Frauen und Männer leiden unterschiedlich – wie werden Betroffene behandelt?
Geschlechterunterschiede bei Erkrankungen und Therapien kommen nicht selten vor, auch bei der Hyperhidrose ist dies bekannt. „Männer schwitzen in der Regel intensiver und schneller als Frauen. Jedoch kommt es bei Frauen in den Wechseljahren zu Veränderungen des Hormonhaushaltes und des Stoffwechsels, was großen Einfluss auf den Wärmehaushalt des Körpers hat. Da die weiblichen Geschlechtshormone abnehmen, kommt es zu einem Überschuss an Stresshormonen, dies ruft Schweißattacken und nächtliche Hitzewallungen hervor”, klärt die Expertin auf.
Und welche Therapien kommen zum Einsatz? „Je nach Schweregrad und Lokalisation der primären Hyperhidrose stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, diese kommen stufenförmig zur Anwendung. Begonnen wird meist mittels Aluminiumchlorid- oder Glycopyrroniumbromid-haltigen Externa, gefolgt von der Leitungswasser-Iontophorese, der Injektion von Botulinumtoxin A sowie verschiedener operativer Möglichkeiten. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer systemischen Therapie beispielsweise mit Anticholinergika (Methantheliniumbromid oder Bornaprinhydrochlorid). Bei der sekundären Hyperhidrose steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund”, erklärt die Oberärztin.
Erhöhte Schweißproduktion als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW)
Auch Medikamente können Hyperhidrose verursachen oder diese begünstigen. Folgende Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen können zu übermäßigem Schwitzen führen (Häufigkeit laut Fachinformation):
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI): z. B. Fluoxetin (häufig), Citalopram (sehr häufig), Sertralin (sehr häufig); UAW ist gelistet als „Hyperhidrose”
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRI): z. B. Venlafaxin (sehr häufig), Duloxetin (häufig); UAW gelistet als „Hyperhidrose”
Hypoglykämika:
Insulin: Schwitzen als Teil einer generalisierten Unverträglichkeitsreaktion (sehr selten)
Pioglitazon in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff (gelegentlich); UAW gelistet als „Schwitzen”
Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren: Tamoxifen (sehr häufig), Raloxifen (sehr häufig); UAW gelistet als „Hitzewallungen“ (geht zum Teil auf die antiöstrogene Wirkung zurück)
Sonstige:
Infliximab (häufig)
Sildenafil zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie; UAW gelistet als „nächtliche Schweißausbrüche“ (häufig)
Sildenafil bei sexueller Dysfunktion; UAW gelistet als „Hitzewallung“ (häufig)
Antitranspirant aus der Apotheke
Bei übermäßigem Schwitzen können zudem hydrophile Zubereitungen aus der Rezeptur Abhilfe schaffen. Sie fungieren als Antitranspirans, indem sie die die Aktivität der Schweißdrüsen hemmen. Zum einen gibt es das hydrophile Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Gel 15 % / 20 % (NRF 11.24.) und die viskose Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Lösung 15 % / 20 % (NRF 11.132.). Zu den sonstigen Bestandteilen gehören lediglich Hydroxyethylcellulose 250 und Wasser. Die beiden Rezepturen unterscheiden sich in der eingesetzten Menge der Hydroxyethylcellulose: Beim Gel werden 2 g des Hilfsstoffs (NRF 11.132.) eingesetzt, es wird empfohlen diese Rezeptur in ein Roll-on-Glas umzufüllen. Bei der viskosen Lösung hingegen finden 5 g Hydroxyethylcellulose (NRF 11.24.) Verwendung – diese Rezeptur kann in ein Weithalsglas aus Braunglas oder in eine Spenderdose abgefüllt werden.
Gut zu wissen: Zur Anwendung auf der Haut und auf Schleimhäuten eignet sich weiterhin NRF 11.1 – hier handelt es um eine 2-Propananol-haltige, alkoholische Lösung mit Aluminiumchlorid-Hexahydrat.
Rezepturtipp: So stellst du einen Deo-Roll-on her
- In einer mit Pistill tarierten Fantaschale werden 15,0 g (für 15 %) oder 20,0 g (für 20 %) Aluminiumchlorid-Hexahydrat und 2,0 g Hydroxyethylcellulose gemischt.
- Das Gereinigte Wasser wird zu 100,0 g hinzugefügt und der Ansatz gerührt. Inprozessprüfung: Der Ansatz muss frei von Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Kristallen sein. Hydroxyethylcellulose-Fasern dürfen noch zu erkennen sein. Der Ansatz darf Luftblasen enthalten.
- Das Gel wird unter gelegentlichem Rühren etwa eine Stunde lang stehen gelassen.
- Verdunstungsverluste werden mit Gereinigtem Wasser ersetzt, und der Ansatz wird nochmals gerührt. Inprozessprüfung: Das Gel muss gleichmäßig sein, klar und farblos aussehen. Es darf noch wenige Luftblasen und fein verteilte Hydroxyethylcellulose-Fasern enthalten.
- Als Packmittel eignet sich ein Roll-on-Glas.
Wichtig ist, dass Gegenstände aus Metall nicht zur Herstellung verwendet werden dürfen. Hintergrund ist, dass das Gel korrosiv wirkt und Metalle angreift. Deshalb sind Metallgegenstände sowohl für die Herstellung und als auch als Packmittel nicht geeignet. Der kurzfristige Kontakt mit den Werkzeugwellen der automatischen Rührsysteme ist jedoch laut DAC/NRF als unkritisch zu bewerten.
Weiterhin gibt es auch ein Aluminium-haltige Roll-on (10% und 20%), Spray (15%) und eine Creme (20%) der Firma Fagron zu beziehen. Diese eignen sich ebenfalls bei übermäßiger Schweißbildung und verhindern unangenehme Körpergerüche. Das hergestellte Deo und auch die Fertigpräparate werden drei- bis fünfmal pro Woche vor dem Schlafengehen aufgetragen, z. B. anfangs jeden zweiten Tag ein bis zwei Wochen lang, später einmal wöchentlich.
AMIRA fragt: Wie oft kommt es in deiner Apotheke vor, dass Hyperhidrose-Betroffene Rat suchen? Hast du weitere Tipps? Wir sind gespannt, sie zu hören. Nur zu!