Wochenrückblick: „Größter jährlicher Verlust an Apotheken in der Geschichte“

Das Apothekensterben in Deutschland geht unvermindert weiter. Für Teilmengenabgaben gibt es ein neues Kürzel. Mehr dazu und weitere Meldungen in unserem Wochenrückblick.

Apothekenzahl sinkt auf Minusrekord

In Deutschland ist die Zahl der Apotheken nach Angaben der ABDA zum Jahresende 2023 auf das Allzeittief von 17.571 gesunken. Das seien 497 Apotheken weniger gewesen als zum Jahresende 2022 (18.068). Der Bundesverband spricht vom „größten jährlichen Verlust an Apotheken in der Geschichte der Bundesrepublik“. Den 559 Schließungen standen demnach 62 Neueröffnungen gegenüber. Einen Rückgang in der Apothekenzahl habe es sowohl bei den Haupt- und Einzelapotheken (minus 405) als auch bei den Filialen (minus 92) gegeben. Die Zahl der Einzelapotheken ohne Filialstrukturen sei sogar erstmals unter die Marke von 10.000 gefallen (9.645). Mit nun 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnern liege die hiesige Apothekendichte weit unter dem europäischen Durchschnitt (32). 
 
„Die Apotheken sichern die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der gesamten Bevölkerung zwischen Ostsee und Alpen, sie sind zudem ein unverzichtbarer Teil jeder lokalen Infrastruktur“, sagt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: „Jede Apotheke, die schließt, ist ein herber Verlust für die Patientinnen und Patienten. Immer häufiger entstehen weitere Wege zur nächsten Apotheke. Ohne die Apotheken wäre die Lieferengpass-Krise nicht zu schultern, auch die erklärungsbedürftige Einführung des E-Rezeptes würde die Gesellschaft ohne die Expertise der Apothekenteams überfordern. Viele Inhaberinnen und Inhaber müssen dennoch aufgeben, weil ihnen die wirtschaftliche Basis wegbricht. Und für den pharmazeutischen Nachwuchs wird die Neugründung einer Apotheke wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektiven immer unattraktiver.“ Die ABDA-Präsidentin erneuerte daher ihre Aufforderung an die Ampel-Koalition, endlich zu handeln.

Neues Kürzel für Teilmengenabgaben

Das Arzneimittellieferengpassgesetz (ALBVVG) ist seit fast einem halben Jahr in Kraft, aber einige Neuerungen werden erst jetzt richtig umgesetzt. So gab es anfangs Verwirrung über die Teilmengenregelung: Wird die benötigte Menge aus einer größeren Packung entnommen, soll die entsprechende kleinere Packung abrechenbar sein. Eine klare Dokumentation ist erforderlich. 
 
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband haben sich nun auf ein gemeinsames Verständnis zur Abrechnung von Teilmengen geeinigt, wobei das Kürzel TMA verwendet wird, um Teilmengenabgaben zu kennzeichnen. 
 
Bei Muster-16-Verordnungen wird ein Sonderkennzeichen für Nichtverfügbarkeit aufgedruckt, zusammen mit dem Kürzel TMA für Teilmengenabgaben. Beim E-Rezept wird vorübergehend auf Z-Daten verzichtet, aber das Kürzel TMA muss im Freitext für Rezeptänderungen hinterlegt werden. 
 
Teilmengenabgaben unterhalb der N1-Packungsgröße und BtM-Verordnungen sind nicht Teil dieser Regelung. Das Fehlen des Kürzels TMA auf dem Rezept führt nicht automatisch zu Retaxationen, kann aber Rückfragen von Kassen auslösen. 
 
Apotheken seien nicht verpflichtet, Teilmengen abzugeben, es bestehe auch kein Kontrahierungszwang, teilte der DAV mit. Auch das wirtschaftliche Risiko müssten sie nicht tragen. 

Wegfall der Präqualifizierung naht

Der Wegfall des Präqualifizierungsverfahrens bei apothekenüblichen Hilfsmitteln rückt näher: Am vergangenen Freitag haben der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband die Verhandlungen dazu erfolgreich abgeschlossen. In dem im Juli in Kraft getretenen ALBVVG ist festgehalten, dass die Präqualifizierung für Apotheken bei „apothekenüblichen Hilfsmitteln“ entfallen soll. Die beiden Verhandlungsparteien mussten allerdings unter anderem noch festlegen, welche Hilfsmittel als „apothekenüblich“ zu deklarieren sind. 
 
Der DAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann dazu: „Wir freuen uns sehr, dass wir noch vor Ablauf der Verhandlungsfrist und ohne Einbeziehung der Schiedsstelle eine wirklich gute Lösung für die Apotheken aushandeln konnten. Dies ist ein Erfolg der Selbstverwaltung. Wenn die Gremien beider Verbände dem Verhandlungsergebnis zustimmen, ist die Präqualifizierung bei den allermeisten Hilfsmitteln schon bald Geschichte.“ Hubmann erklärte weiter, dass die Details der Verhandlungslösung derzeit noch nicht mitgeteilt werden könnten. Denn: „Wir müssen jetzt noch abwarten, dass die Gremien des GKV-Spitzenverbandes und des DAV das Ergebnis bestätigen. Anfang Februar dürfte dann aber Klarheit da sein“, so Hubmann. 
 
Auch ABDA-Präsidentin Overwiening ist sehr erfreut über die erwarteten Erleichterungen für die Apothekenteams: „Durch den längst überfälligen Wegfall der Präqualifizierung haben die Apotheken nun wenigstens ein Ärgernis weniger. Und in den kommenden Monaten werden wir in der ABDA weiter für unseren Berufsstand kämpfen: Wie alle anderen Leistungserbringer haben auch wir das Recht auf einen Inflationsausgleich und eine damit verbundene, deutliche Honoraranpassung. Außerdem können wir es nicht zulassen, dass das Bundesgesundheitsministerium mit seinen Plänen durchkommt, die die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten sofort und spürbar ausdünnen würden.“ 

Organspende: 10 Euro Strafgebühr für fehlenden Eintrag ins Spenderegister gefordert

In Deutschland wird die Debatte um den Mangel an Spenderorganen durch einen neuen Vorschlag der CSU belebt. Die Idee besteht darin, dass Bürger ihre Haltung zur Organspende verpflichtend in das geplante Organspenderegister eintragen müssen. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, soll laut dem CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger einen monatlichen Zusatzbeitrag von 10 Euro zu seinem Krankenkassenbeitrag zahlen, bis die Eintragung erfolgt ist. 
 
Die Einführung des Organspenderegisters wurde 2020 beschlossen und soll voraussichtlich im ersten Quartal 2024 starten. Pilsinger schlägt vor, dass alle Krankenkassen ihre Versicherten zweimal schriftlich auffordern sollen, ihren Willen zur Organspende zu dokumentieren. Die Eintragung ins Register soll auch online bei Apotheken, Ärzten und Zahnärzten sowie zu Hause möglich sein. 
 
Die Reaktionen auf die vorgeschlagene Sanktionierung sind jedoch skeptisch. Krankenkassen lehnen monatliche Strafzahlungen ab, und die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert stattdessen die Umsetzung bereits gefasster Beschlüsse. Derzeit warten rund 8400 Menschen in Deutschland auf ein oder mehrere Organe. Wie hoch der Bedarf tatsächlich ist, zeigt die Zahl der Menschen, die im vergangenen Jahr nach ihrem Tod Organe gespendet haben: es waren 965. 
 
AMIRA fragt: Organspende ist ein heikles Thema. Findet ihr den Vorschlag des CSU-Gesundheitspolitikers zielführend, um mehr Menschen zur Organspende zu bewegen?

Immer mehr Diagnosen „Alkoholabhängigkeit“

Immer mehr Menschen in Deutschland werden laut einer Hochrechnung der Krankenkasse Barmer wegen Alkoholabhängigkeit ärztlich diagnostiziert. Die Zahlen zeigen einen stetigen Anstieg über die Jahre, wobei 1,06 Millionen Männer und 467.000 Frauen zuletzt diese Diagnose erhielten. Die regionalen Unterschiede zwischen dem Süden und Norden Deutschlands sind dabei signifikant. 
 
Die jüngsten Daten von 2022 zeigen im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Diagnosen von 1,04 Millionen Männern und 462.000 Frauen auf die aktuellen Werte. Die regionalen Unterschiede zeigen, dass Mecklenburg-Vorpommern mit 2,35 Prozent der Bevölkerung den höchsten Anteil an Alkoholabhängigkeit aufweist, gefolgt von Bremen, Berlin, Sachsen und Hamburg. In den südlichen Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg sind die Anteile niedriger. 
 
Die Barmer-Abrechnungsdaten, die Verdachtsfälle ausschließen, wurden auf den Bund hochgerechnet. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tranken etwa 1,4 Millionen Menschen missbräuchlich viel Alkohol, während 1,6 Millionen als alkoholabhängig gelten. Jährlich sind etwa 20.000 Todesfälle auf Alkoholkonsum zurückzuführen. 
 
Die Barmer-Daten zeigen, dass vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte ambulant oder stationär wegen Alkoholsucht behandelt werden, insbesondere bei den 55- bis 64-Jährigen.

Cannabis-Gesetz: Bürokratiemonster wegen rückwirkender Straffreiheit?

In den zurückliegenden Tagen berichtete Karl Lauterbach der „Bild“ erst von seiner neuen Liebe, und kündigte dann das Inkrafttreten des seit langem diskutierten Cannabis-Gesetzes zum 1. April an, vorausgesetzt, die parlamentarischen Lesungen würden spätestens im Februar über die Bühne gehen. Letztere Ankündigung führte in der laufenden Woche noch einmal zu verstärktem Widerspruch, etwa durch die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD). Denn: Nach dem aktuellen Stand soll der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis oder der Anbau von bis zu drei Pflanzen nicht nur zukünftig, sondern auch rückwirkend straffrei sein, ohne eine Übergangsregelung vorzusehen. Die rückwirkende Straffreiheit würde zu einem kaum zu bewältigenden Mehraufwand für die Justiz führen, warnte Wahlmann. Staatsanwaltschaften müssten eine massive Flut an Akten händisch auswerten, um festzustellen, ob die weitere Strafverfolgung einzustellen ist. Dies betreffe nicht nur wenige Fälle, sondern Hunderttausende von Akten. Gerichte und Justizvollzugsanstalten würden ebenfalls vor einer erheblichen Mehrbelastung stehen. Die Gerichte müssten Gesamtstrafen überprüfen und gegebenenfalls neu fassen, während Justizvollzugsanstalten Menschen innerhalb kürzester Zeit aus der Haft entlassen müssten, ohne angemessene Vorbereitung auf die Entlassung.

Die Justizministerin bezeichnete die möglichen Aufgaben als „unsinnig“ und betonte, dass die Justiz bereits an ihrer Grenze und darüber hinaus arbeite. Sie habe bereits konstruktive Gespräche mit der Bundesebene geführt und sei zuversichtlich, dass entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. 

Enormer Mangel an Pflegekräften befürchtet

In dieser Woche prognostizierte das Statistische Bundesamt Destatis einen gewaltigen Mangel an Pflegefachkräften bis 2049. Aufgrund seiner alternden Gesellschaft könnte Deutschland laut einer Prognose des Statistischen Bundesamts bis 2049 einen Mangel von 280.000 bis 690.000 Pflegekräften erleben. Die Wiesbadener Behörde Destatis gab bekannt, dass der Bedarf an Pflegekräften bis 2049 im Vergleich zu 2019 voraussichtlich um ein Drittel auf insgesamt 2,15 Millionen steigen wird. Im Jahr 2019 prognostizierte Destatis einen Bedarf von 1,62 Millionen Pflegekräften.

Zur Vorhersage der Entwicklung der Pflegekräftezahlen wurden zwei Varianten mit unterschiedlichem Fokus auf demografische und gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt:

In der „Trend-Variante“ berücksichtigte Destatis neben der demografischen Entwicklung auch die positiven Trends auf dem Pflegearbeitsmarkt aus den 2010er Jahren. Danach würde die Zahl der erwerbstätigen Pflegekräfte bis 2049 auf 1,87 Millionen steigen, was eine Lücke von 280.000 Pflegekräften ergibt. Die „Status quo-Variante“ zeigt dagegen ausschließlich die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die zukünftige Anzahl von Pflegekräften. Nach dieser Variante würde die Zahl der Pflegekräfte von 1,62 Millionen im Jahr 2019 bis 2049 auf 1,46 Millionen sinken. Haupttreiber dieser Entwicklung ist das verstärkte Erreichen des Renteneintrittsalters der Babyboomer-Generation in den nächsten zehn Jahren, wodurch dem Arbeitsmarkt alleine aus Altersgründen benötigte Pflegekräfte fehlen werden.