„Man darf die Freude an der Berufung nicht verlieren“
Die Zeiten der Apotheken sind nicht rosig. Eine frischgebackene, junge Apothekeninhaberin verrät uns im Interview, warum sie es trotzdem gewagt hat, eine Apotheke zu übernehmen.
Dynamisch, turbulent, chaotisch: Die aktuelle Situation in den Apotheken lässt sich mit diesen drei Wörtern bestens beschreiben. Neben Personalmangel, Honorarkürzungen und Bürokratiewahnsinn hat sich nun auch das E-Rezeptes offiziell dazugesellt, was für viele Apothekenteams eher unbefriedigende Folgen hatte. Während deshalb nicht wenige Pharmazeutinnen und Pharmazeuten nach der Approbation oder allgemein in ihren jungen Jahren in die Industrie wechseln (wollen), weil ihnen der Apothekenalltag nicht gefällt, ist das für Germin Media Turanli nicht infrage gekommen.
Die 34-jährige Apothekerin hat Pharmazie in Marburg studiert und ihre Famulatur an der Pharmazeutischen Fakultät der Istanbul Universität („İstanbul Üniversitesi Eczacılık Fakültesi“) gemacht. Auch konnte sie Erfahrungen in einer großen Klinikapotheke in Düsseldorf sammeln. 2020 hat sie auch zusätzlich die Approbation für Apotheker:innen in der Türkei erlangt. Dennoch stand bereits früh für sie fest, dass sie in einer öffentlichen Apotheke arbeiten möchte. „Gesundheit ist Vertrauenssache“, sagt sie und will ihre Kundschaft dementsprechend auf diesem Wege gut begleiten.
Auch wenn nicht alles wie geplant läuft, ist sie dennoch zufrieden mit ihrer Entscheidung, zum 1. Januar 2024 die Apoland Apotheke in Hilden (NRW) samt zehn Mitarbeitenden übernommen zu haben. Im Gespräch mit AMIRA-Welt erzählt sie von Mut, Motivation und Herausforderungen, die so eine Apothekenübernahme mit sich bringt.
Germin Media Turanli hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt – zum 1. Januar 2024 hat sie die Apoland Apotheke in Hilden übernommen. (Foto: privat)
AMIRA: Hallo Germin! Du bist seit 2015 approbierte Apothekerin. Was hat dich bewogen, eine Apotheke zu übernehmen? Wolltest du schon immer eine haben?
Germin: Bereits früh in meiner Kindheit bin ich aufgrund der Ärzte und Apotheker in meiner Familie mit medizinischen Fragestellungen in Berührung gekommen. Besonders prägend war der Kontakt zu meinem Onkel, der selbst eine Apotheke besaß. Der Apothekenalltag und der Beruf des Apothekers haben mich früh fasziniert und so stand meine Berufswahl fest. Die Vielfältigkeit des Berufes und der tägliche Kontakt zu den Kundinnen und Kunden haben mich in meinem Wunsch nach der Selbstständigkeit bestärkt.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?
Meine Familie und Freunde haben sich gefreut und mich dabei unterstützt. Selbstständige Apotheker haben mir dagegen eher abgeraten, eine Apotheke zu übernehmen. Sie sagten mir Sachen wie „bei der Investitions-Summe und wegen der ganzen Gesetze würde ich mich nicht mehr selbstständig machen“. Aber mir waren solche Reaktionen egal! „Ich mache das jetzt“, habe ich mir gesagt. Es ist eine neue Herausforderung, ich möchte es ausprobieren. Gerade in den schwierigen Zeiten darf man den Mut und die Freude an der Berufung nicht verlieren.
In diesen turbulenten Zeiten ist die Selbstständigkeit tatsächlich ein mutiger Schritt. Welche Dinge haben zur Entscheidungsfindung beigetragen?
Die Selbstständigkeit bietet neben den bekannten Risiken auch eine enorme Chance, die Arzneimittelversorgung vor Ort nachhaltig mitzugestalten. Als Inhaberin habe ich die Möglichkeit, Schwerpunkte in der Beratung zu setzen und die Position der Apotheken zu stärken. Jeden Tag leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken eine wichtige Aufgabe in der Gesundheitsversorgung. Die Kompetenz in der Beratung, die Überprüfung von Wechselwirkungen und die Kommunikation mit den Ärztinnen und Ärzten sind nur einige Beispiele.
Vor, während und nach der Apothekenübernahme gibt es immer wieder große Herausforderungen zu bewältigen. Welche Probleme gab es am Anfang in deiner Apotheke?
Zu Beginn gab es etliche Verhandlungsgespräche und Behördengänge zu erledigen. Nebenbei sind die Themen wie Präqualifizierung sehr zeitintensiv und noch nicht vollständig abgeschlossen. Besonders ärgerlich war die Thematik mit der IK-Nummer, da diese noch nicht eingepflegt und auf den Papierrezepten noch die IK-Nummer des Vorgängers abgedruckt wurde. Die Übertragung der E-Rezepte an das Rechenzentrum verlief ebenfalls nicht reibungslos.
Die offizielle Neueröffnung mit einem Glücksrad, Ballons und einer Hautanalyse für die Kundinnen fand am 27. Januar 2024 statt.
Gibt es spezielle Dienstleistungen oder Produkte, die du in deiner Apotheke aktuell anbietest oder anzubieten planst?
Wir wollen uns künftig auf Themen wie Darmgesundheit, Ernährungsberatung, Wundversorgung, orthomolekulare Medizin, Pharmazeutische Dienstleistung, Impfen und Milchpumpenverleih spezialisieren.
Kann man sich damit von anderen Apotheken in der Umgebung abheben?
Zunächst möchte ich betonen, dass jede Apotheke einen unerlässlichen Beitrag zur Versorgung der Gesellschaft leistet. Angesichts dieser Aufgabe tragen Authentizität, vielseitige Beratungsschwerpunkte und Freude im täglichen Umgang mit den Kundinnen und Kunden dazu bei, der Apotheke ein eigenständiges Gesicht zu verleihen. Da sind wir auf einem guten Weg.
Welche Rolle wird dabei die Digitalisierung spielen?
Die ist natürlich ein fester Bestandteil meiner künftigen Schwerpunktsetzung in der Apotheke. Dazu müssen wir die Ansprüche und Bedürfnisse der Kunden herausfinden und in den Alltag einbinden. Bereits jetzt sind Bestellungen über unsere Homepage möglich. Eine unkomplizierte Bestellung per App ist ein fest eingeplanter nächster Schritt. Und über unseren Social-Media-Auftritt wollen wir neue Kunden gewinnen und Gesundheits-Informationen in die Gesellschaft tragen.
Auch durfte die Popcorn-Maschine nicht fehlen – die Kundschaft wurde mit frischem Popcorn begrüßt. (Foto: privat)
Wie wirst du deine Apotheke in der Gemeinde/Stadt bekannt machen?
Indem ich mir als Inhaberin über die Verantwortung für die Gemeinde bewusst bin. Und das bin ich. Dieser Gedanke bezieht sich übrigens nicht nur auf die Gesundheitsfürsorge, sondern auch auf das Unterstützen von örtlichen Initiativen und Vereinen. Es ist für mich selbstverständlich, auch dabei Präsenz zu zeigen. Dazu gehört auch, dass wir die neuen Ansätze unserer Apotheke zur Übernahme mit vielen Aktionen zum Mitmachen vorgestellt haben.
Germin, wir wünschen dir und deinem Team viel Erfolg!