Wochenrückblick: Organspende-Tattoo, Bundes-Klinik-Atlas und WHO fordert mehr Forschung

Gleiches Tattoo für Engelhard-Mitarbeiter und Abgeordnete des Deutschen Bundestages zum Thema Organspende? Was es damit auf sich hat, liest du hier. Außerdem liefern wir noch weitere spannende Themen, die für hitzige Diskussionen in der Welt der Pharmazie sorgen: Kritik an Krankenkassen, Neuzugang durch den Bundes-Klinik-Atlas und niedrigere Lebenserwartung in Deutschland.

Engelhard unterstützt Opt.Ink-Tattoo für mehr Organspender

Was haben einige Abgeordnete des Deutschen Bundestags mit gut fünf Prozent der Belegschaft von Engelhard Arzneimittel gemeinsam? Kommt ihr nie drauf: Sie tragen dasselbe Tattoo, nämlich das sogenannte Opt.Ink-Tattoo. Während sich mehrere Abgeordnete das Zeichen am Donnerstag vergangener Woche stechen ließen, tätowierten Künstler aus Frankfurt die Engelhard-Mitarbeiter am hessischen Standort in Niederdorfelden schon einige Zeit zuvor.

Zum Hintergrund der Aktion: In Deutschland warten zu viele Patienten vergeblich auf ein lebensrettendes Organ, nur 0,001 Prozent der Menschen in Deutschland sind registrierte Organspender. Um auf diesen Mangel hinzuweisen und Menschen eine Möglichkeit zu geben, ein Zeichen für Organspende zu setzen, entwickelte der Verein Junge Helden das Opt.Ink-Tattoo, das die Bereitschaft zur Organspende signalisieren soll. Das Tattoo ist zwar keine rechtsverbindliche Erklärung, aber es kann Angehörigen die Entscheidung zur Organspende erleichtern, wenn der Spender zu Lebzeiten keinen Organspendeausweis ausgefüllt hat. Über 700 Studios in Deutschland haben das Opt.Ink-Tattoo seit rund einem Jahr im Angebot.

Nun die Steigerung des Engagements, denn zum 1. Juni, dem Tag der Organspende, haben sich mehr als 80 Tattoo-Studios in ganz Deutschland einem „Walk-In-Day“ angeschlossen und tätowieren das Organspende-Tattoo an diesem Tag kostenlos. Den Aktionstag unterstützt Engelhard nicht nur mit der erwähnten Tätowier-Aktion am Firmensitz, sondern auch mit seiner Marke Tyrosur®: Teilnehmende Studios können sich auf der Instagramseite von Tyrosur® unter www.instagram.com/tyrosur melden und erhalten kostenlos ein Tyrosur®-Starter-Paket bestehend aus Gratis-Proben des bei frischen Tattoos gerne benutzten Medizinproduktes Tyrosur® CareExpert Wundgel, außerdem Postkarten zu Opt.Ink – und ein Kosmetiktäschchen gefüllt mit allerhand kleinen Überraschungen obendrauf.  Doch nicht nur Tattoo-Studios können mitmachen! Jeder, der sich ein Tattoo stechen lässt, ein Bild davon bei Instagram postet und Tyrosur® verlinkt, bekommt ebenfalls ein kleines Goodie-Bag von und mit Tyrosur® CareExpert Wundgel geschenkt. Julia Feldmann, Brand Managerin der Marke Tyrosur®, hofft auf möglichst viele Teilnehmer, denn das Hydrogel spendet der Wunde Feuchtigkeit, ist luftdurchlässig und gewährleistet dadurch eine ausreichende Sauerstoffzufuhr.

Auf der Instagram-Seite von Jungen Helden e.V. unter www.instagram.com/junge_helden lässt sich nachschauen, welche Tattoo-Studios am Walk-In-Day teilnehmen – und wo sich Interessierte kostenlos Opt.Ink tätowieren lassen können.

AMIRA findet: Tolle Aktion, die möglichst viele Teilnehmer finden möge! Dank an Engelhard für die Unterstützung.

Hubmann ledert gegen Krankenkassen

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Dr. Hans-Peter Hubmannnahm sich am Dienstag der Woche ein aktuelles Statement des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Bezug auf eine mögliche Apothekenreform zur Brust: „Der Umverteilungsvorschlag des GKV-Spitzenverbandes zeigt, wie wenig den Krankenkassen an einer guten Versorgung ihrer eigenen Versicherten gelegen ist. Dass es den Stadtapotheken besser gehe als den Landapotheken ist schlichtweg falsch. In Berlin-Lichtenberg gibt es beispielsweise eine Apothekendichte von 14 Apotheken, die 100.000 Menschen versorgen müssen. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt versorgen rund 21 Apotheken 100.000 Bürgerinnen und Bürger – im EU-Vergleich sind es sogar 32. In den Großstädten Deutschlands sinkt die Apothekenzahl schon seit Jahren – teilweise sogar schneller als im Bundesdurchschnitt. Für die Menschen in den Kiezen bedeutet dies, dass jedes Mal ein Stück wohnortnahe Versorgung wegfällt und somit weitere Wege anfallen.“

Hubmann weiter: „…Eins ist klar: Die Apotheken sind durch den mittlerweile seit elf Jahren andauernden Honorarstillstand in einer wirtschaftlichen Krisensituation. Mehr als 10 Prozent der Betriebsstätten verzeichnen inzwischen defizitäre Betriebsergebnisse. Die weitere Absenkung des Apothekenhonorars – ganz egal an welcher Stelle – wäre fatal und würde den Wegfall vieler weiterer Apotheken bedeuten. Die rund 100 Krankenkassen sollten Ihren Versicherten vielmehr davon berichten, wie viel Geld sie pro Jahr in ihre eigenen Verwaltungsausgaben investieren. Mehr als 4 Prozent der GKV-Einnahmen werden inzwischen für unnötige Investitionen wie beispielsweise massive Werbekampagnen der Krankenkassen verwendet. Zum Vergleich: Für das Apothekenhonorar geben die Kassen nur halb so viel aus – nämlich rund 2 Prozent der GKV-Einnahmen. Daran sieht man, worum es dem GKV-Spitzenverband wirklich geht: nicht um eine qualitativ hochwertige Versorgung der Menschen in Deutschland, sondern um den reinen Sparwahn.“

Bundes-Klinik-Atlas ist online

Ende vergangener Woche stellte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den neuen „Bundes-Klinik-Atlas“ vor. Dieses Portal soll Patientinnen und Patienten leicht verständliche Informationen über Krankenhäuser in ihrer Nähe bieten. Für bundesweit 1700 Standorte sind nun Daten zu Fallzahlen, Behandlungserfahrung, Fachärztinnen und Fachärzten, Pflegekräften sowie Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe verfügbar. Prompt kritisierte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das Portal als irreführend und unnötig. „Es gibt keinen Bereich im Gesundheitswesen, der in der Qualität so transparent ist wie die Krankenhäuser“, sagte DKG-Chef Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Seit über zwei Jahrzehnten würden im online zugänglichen Deutschen Krankenhausverzeichnis Informationen über Personal, Fallzahlen, Qualitätsdaten und Komplikationsraten veröffentlicht. Der neue Atlas bringe keine neuen Erkenntnisse, sondern verursache lediglich mehr Aufwand und Bürokratie für die Krankenhäuser.

Der Klinik-Atlas soll eine umfassende Reform begleiten, die grundlegende Änderungen bei der Finanzierung und einheitlichen Qualitätsvorgaben umfasst und die das Kabinett bereits auf den Weg gebracht hat. Kliniken müssen für das Transparenzverzeichnis zusätzliche Daten melden, wie ein dazu beschlossenes Gesetz vorsieht. Die Klinikbranche hat kürzlich ihr eigenes Online-Verzeichnis erweitert. Das seit 2002 bestehende „Deutsche Krankenhaus Verzeichnis“ bietet nun mehr Suchfunktionen. Lauterbach betonte mehrfach, dass mehr Transparenz dringend nötig sei. Etwa ein Drittel der Krebspatienten werde nicht dort behandelt, wo optimale Ergebnisse zu erwarten wären. Der neue Atlas soll gezielte Vergleiche zwischen den Angeboten in einer Region ermöglichen, um Patientinnen und Patienten sowie ihren Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidung für eine geeignete Klinik zu helfen. Die Daten werden vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen aufbereitet, das beim Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen angesiedelt ist.

Antimikrobielle Resistenzen: WHO fordert mehr Forschung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ihre Liste der gefährlichsten Bakterien, gegen die existierende Medikamente oft nicht mehr wirken, aktualisiert. Am Freitag der Vorwoche rief sie in Genf dringend dazu auf, mehr in die Entwicklung neuer Antibiotika zu investieren, um die Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen (AMR) zu stoppen. Laut WHO tragen AMR weltweit zu rund fünf Millionen Todesfällen jährlich bei, besonders bedrohlich sind Erreger, die sich in Krankenhäusern verbreiten. Bei jedem Einsatz von Antibiotika können resistente Bakterien überleben und sich weiter verbreiten, was insbesondere dort geschieht, wo Antibiotika häufig eingesetzt werden.

An oberster Stelle der Prioritätenliste steht wie schon 2017 das Bakterium Acinetobacter baumannii, das vor allem immungeschwächte Patienten in Krankenhäusern gefährdet. Es kann Lungenentzündungen, Wund- und Weichteilinfektionen, Harnwegsinfekte, Sepsis und Meningitis verursachen. Ebenfalls höchste Priorität für die Forschung haben bestimmte Enterobakterien, die ebenfalls häufig in Krankenhäusern vorkommen und ähnliche Infektionen auslösen können. Neu in der höchsten Kategorie ist Mycobacterium tuberculosis, der Hauptverursacher von Tuberkulose.

Seit 2017 sind zwar neun neue Antibiotika auf den Markt gekommen, aber laut WHO-AMR-Spezialist Hatim Sati handelt es sich meist um Modifikationen bestehender Medikamente, gegen die Bakterien schnell wieder resistent werden können. Wenige dieser neuen Antibiotika sind zudem gegen multiresistente Bakterien wirksam, die gegen verschiedene Medikamente unempfindlich sind.

Das Problem besteht darin, dass Antibiotika gegen multiresistente Bakterien nur als letztes Mittel eingesetzt werden, was den Markt klein und wenig lukrativ für Pharmafirmen macht. Ein weiteres Problem ist der Preis neuer Medikamente, die in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen oft nicht verfügbar sind, obwohl das Resistenzproblem dort besonders groß ist.

Etwas entspannter ist die Situation nach WHO-Angaben bei Pseudomonas aeruginosa, einem weiteren Krankenhauskeim, dessen Resistenz in jüngster Zeit etwas gesunken ist. Insgesamt umfasst die Liste 15 Pathogene, für die dringend neue Medikamente benötigt werden.

Deutschland fällt bei Lebenserwartung zurück

Deutschland zählt in Westeuropa zu den Ländern mit der niedrigsten Lebenserwartung und fällt weiter zurück. Eine jetzt veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung zeigt, dass sich der Abstand zu anderen westeuropäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten vergrößert hat.

Im Jahr 2000 betrug der Unterschied zur durchschnittlichen Lebenserwartung bei Geburt in Westeuropa etwa 0,7 Jahre. Bis 2022 hat sich dieser Abstand auf 1,7 Jahre vergrößert. „Der Beginn der 2000er-Jahre markiert einen Wendepunkt in der Dynamik der Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland“, erklärt Pavel Grigoriev, Erstautor der BiB-Studie. Seitdem wächst die Sterblichkeitslücke zwischen Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern stetig.

Nach der Wiedervereinigung konnte Ostdeutschland den Rückstand gegenüber Westdeutschland und Westeuropa zunächst deutlich verringern, unter anderem durch finanzielle Investitionen in das Gesundheitssystem. Seit der Jahrtausendwende jedoch haben sowohl West- als auch Ostdeutschland gegenüber anderen westeuropäischen Ländern an Boden verloren, so das Wiesbadener Bundesinstitut in einer Mitteilung.

Verschiedene Altersgruppen tragen unterschiedlich zum wachsenden Rückstand bei. Bei Frauen in Deutschland sind vor allem Menschen ab 75 Jahren stärker betroffen als Gleichaltrige im westeuropäischen Ausland. Bei Männern trägt besonders die Altersgruppe zwischen 55 und 74 Jahren zur Lücke bei. Laut der Studie im „Bundesgesundheitsblatt“ ist der Rückstand vor allem durch eine höhere Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erklärbar, bei denen Prävention und Früherkennung verbessert werden müssten.

Die Studie vergleicht Daten aus insgesamt 15 westeuropäischen Ländern, darunter die Schweiz, Österreich, Dänemark, Großbritannien und Finnland.

Auch unsere Apothekenspitzelin hatte sich schon einmal Gedanken über die Lebenserwartung gemacht, allerdings eine andere Ursache für deren Rückgang vermutet.

ferro sanol 30 mg/ml Tropfen wird nicht mehr produziert

Die UCB Pharma GmbH hat in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bekanntgegeben, dass die Produktion von ferro sanol 30 mg/ml Tropfen eingestellt wurde. Grund hierfür ist die Schließung der Herstellungsstätte. Andere Darreichungsformen des Präparats sind nicht betroffen.

Die verbleibenden Restbestände von ferro sanol 30 mg/ml Tropfen sind für begrenzte Zeit noch in Krankenhäusern und Versorgungsapotheken verfügbar. Es wird jedoch empfohlen, eine alternative Therapie anzustreben. Besonders für die Behandlung von Eisenmangel bei Säuglingen (über 2 kg Körpergewicht) besteht ein medizinischer Bedarf an Tropfen. Eine nicht behandelte Eisenmangelanämie kann sich negativ auf die körperliche und geistige Entwicklung der Säuglinge auswirken und die Morbidität und Mortalität erhöhen.

Der Hersteller unterstrich in seiner Mitteilung die Wichtigkeit der Patientensicherheit und fordert medizinisches Fachpersonal dazu auf, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen im Zusammenhang mit ferro sanol 30 mg/ml Tropfen an das Unternehmen oder das BfArM zu melden. Dies soll eine kontinuierliche Überwachung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Arzneimittels gewährleisten.

Erstes Wocheninsulin in Deutschland auf dem Markt

Novo Nordisk plant, Awiqli® (Insulin icodec), das erste Wocheninsulin, „so bald wie möglich“ in Deutschland auf den Markt zu bringen. Die EU-Zulassung erhielt Insulin icodec am 17. Mai 2024. Diese Neuerung dürfte insbesondere Menschen mit insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes Hoffnung geben, da sie damit auf tägliche Injektionen verzichten können. Neben Insulin icodec befinden sich weitere langwirksame Insulin-Analoga in der Entwicklung, darunter Basal-Insulin Fc von Eli Lilly, welches ebenfalls eine wöchentliche Injektion ermöglicht.

Insulin icodec wurde am 21. März 2024 vom Humanarzneimittelausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde (CHMP) zur Behandlung von Diabetes mellitus bei Erwachsenen empfohlen. Es soll hauptsächlich bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden, da es bei Typ-1-Diabetes zu häufigeren hypoglykämischen Ereignissen kommen kann und daher nur bei eindeutigem Nutzen angewendet werden sollte. Awiqli® soll in Fertigpens mit 700 Einheiten pro ml erhältlich sein und einmal wöchentlich subkutan verabreicht werden. Es kann allein oder in Kombination mit oralen Antidiabetika, GLP-1-Rezeptoragonisten und Bolusinsulin angewendet werden. Bei Typ-1-Diabetes ist die Kombination mit Bolusinsulin erforderlich.

Insulin icodec bildet nach subkutaner Applikation ein Depot, das gleichmäßig über eine Woche Insulin freisetzt. Die Halbwertszeit beträgt 196 Stunden. Basal-Insulin Fc von Eli Lilly, ebenfalls in der Entwicklung, hat eine Halbwertszeit von 17 Tagen und ermöglicht ebenfalls eine wöchentliche Injektion.

Überflutungen im Saarland: Apotheken benötigen dringend Sachspenden

Am letzten Wochenende führten Stark- und Dauerregen im Südwesten Deutschlands zu schweren Überflutungen und Erdrutschen, wobei das Saarland besonders stark betroffen war. Viele Apotheken in der Region stehen nun vor großen Herausforderungen, wie die Apothekerkammer Saarland mitteilte. Sie ruft daher zu Sachspenden auf, insbesondere Einrichtungs- und Laborgegenstände würden dringend benötigt. Spendenwillige werden gebeten, sich bei der Kammer zu melden, die die Spendenvermittlung organisiert. Hilfsangebote können zudem auf der Homepage der Apothekerkammer im Stellen- und Apothekenmarkt inseriert werden.

Die Situation erinnert an das Hochwasser im Juli 2021, das Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen schwer traf. Damals fielen innerhalb weniger Stunden teils mehr als 150 Liter Regen pro Quadratmeter, was zu enormen Flutwellen führte. Ein Online-Sachspendenportal, das von der Apothekerschaft gut angenommen wurde, war eine konkrete Maßnahme zur Unterstützung. In Nordrhein-Westfalen waren schätzungsweise 50 Apotheken betroffen, insbesondere im Süden. Die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz meldete damals, dass 18 Apotheken nicht mehr betriebsbereit waren.