Wochenrückblick: Vertrag auf Eis, Lauterbach schlägt wieder Alarm, Blutdruck & Kinderwunsch

Die WHO wollte in Kürze einen Pandemievertrag präsentieren, doch daraus wird vorerst nichts. Zum ersten Mal sind zwei Generationen gleichzeitig auf Pflege angewiesen: die Babyboomer und deren Eltern. Das und mehr liest du in unserem Wochenrückblick.

WHO-Pandemievertrag gescheitert

Die internationalen Verhandlungen über ein Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind nach zwei Jahren ohne Einigung vorerst beendet worden. Die 194 Mitgliedsländer hatten gehofft, den Pakt in dieser Woche bei der Jahrestagung der WHO in Genf zu verabschieden. Das Abkommen sollte zukünftiges Chaos wie während der Corona-Pandemie verhindern und sicherstellen, dass alle Länder rechtzeitig mit Schutzmaterial, Medikamenten und Impfstoffen versorgt werden. WHO-Schätzungen zufolge sind während der Corona-Pandemie bis zu 20 Millionen Menschen gestorben, fast jeder Mensch auf der Welt war demnach in irgendeiner Weise von den Auswirkungen des Virus betroffen. 

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus betonte, dass die Welt weiterhin ein Pandemieabkommen brauche und vorbereitet sein müsse. Hilfsorganisationen und ärmere Länder befürchten jedoch, dass der Vertrag die Versorgung der Schwächsten nicht ausreichend gewährleistet. In reicheren Ländern stieß das Abkommen auf Widerstand von Pharmaindustrie und Kritikern, die behaupteten, die WHO wolle im Pandemiefall über Lockdowns oder Impfzwang entscheiden. Obwohl die Verhandlungen vorerst ohne Konsens endeten, zeigten sich Diplomaten und der WHO-Chef zuversichtlich, dass die Arbeit an dem Abkommen fortgesetzt werden kann. 

Nochmal WHO: Corona senkte Lebenserwartung

Die Corona-Pandemie hatte einen starken Einfluss auf die globale Gesundheitsstatistik, aber nicht übertragbare Krankheiten blieben weiterhin für etwa drei Viertel aller Todesfälle verantwortlich. Laut der neuen Gesundheitsstatistik der WHO entfielen im Jahr 2019 rund 74 Prozent der weltweiten Todesfälle auf ischämische Herzkrankheiten, Schlaganfälle, Krebs, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, Alzheimer und andere Demenzerkrankungen sowie Diabetes. Während der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 stieg dieser Anteil bei Todesfällen, die nicht auf eine Corona-Infektion zurückzuführen waren, auf etwa 78 Prozent.

Die Folgen der Corona-Pandemie waren deutlich spürbar. Im Jahr 2020 war Covid-19 die dritthäufigste Todesursache weltweit, 2021 war sie sogar die zweithäufigste. Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate sank die statistische Lebenserwartung bei Geburt. Im Jahr 2021 betrug sie 71,4 Jahre, was einem Rückgang von 1,8 Jahren im Vergleich zu 2019 entspricht. Dieses Niveau wurde zuletzt 2012 erreicht, die Lebenserwartung war seitdem stetig gestiegen. Diese Berechnung bezieht sich auf die durchschnittliche Lebenserwartung und nicht auf die individuelle Lebenserwartung eines 2021 geborenen Kindes. Bis Mai 2024 wurden der WHO weltweit rund sieben Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet, wegen der hohen Dunkelziffer schätzt die WHO die tatsächliche Zahl der Corona-Toten weltweit auf etwa 20 Millionen.

Ein weiteres großes Problem ist das Übergewicht. Im Jahr 2022 waren mehr als eine Milliarde Menschen über fünf Jahren weltweit von starkem Übergewicht, also Adipositas, betroffen. Zudem waren 37 Millionen Kinder unter fünf Jahren übergewichtig. Gleichzeitig waren etwa eine halbe Milliarde Menschen untergewichtig, und rund 200 Millionen Kinder unter fünf Jahren waren zu klein für ihr Alter oder zu dünn für ihre Größe – ein Nachteil, der ihre Entwicklung lebenslang hemmen kann.

Pflege macht Lauterbach Sorgen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich besorgt über den deutlichen Anstieg der Pflegebedürftigen geäußert. „Demografisch bedingt hätten wir für 2023 nur einen Zuwachs von etwa 50.000 Personen erwartet. Doch tatsächlich ist die Zahl um über 360.000 gestiegen“, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag. „Die Gründe dafür verstehen wir noch nicht genau.“ Lauterbach sprach von einem „akuten Problem in der Pflegeversicherung“.

Als Ursache für den „explosionsartigen“ Anstieg vermutet Lauterbach einen „Sandwich-Effekt“. „Neben den sehr alten, pflegebedürftigen Menschen kommen nun die ersten Babyboomer, die ebenfalls pflegebedürftig werden“, erklärte der Minister. Zum ersten Mal seien zwei Generationen gleichzeitig auf Pflege angewiesen: „Die Babyboomer und deren Eltern.“

AMIRA fragt: Den „Sandwich-Effekt“, der über 300.000 Pflegebedürftige innerhalb eines Jahres produzierte, den konnte man im Ministerium, in dem es vor Fachleuten, Statistikern und Demographie-Experten nur so wimmelt, nicht vorhersehen? Könnte es noch andere Ursachen für die blitzartige Steigerung geben? Habt ihr eine Idee, welche das sein könnten?

Bayrische Apotheker bringen neues Fertigarzneimittel heraus

Zwei Apotheker aus Bayern, Johannes Albrecht und Sebastian Vonhoff, haben ein neues Fertigarzneimittel für orale Glucose-Toleranztests namens Glucex auf den Markt gebracht. Ihr Unternehmen, die Glucex Pharma GmbH, hat das Produkt in Zusammenarbeit mit den Leipziger-Arzneimittel-Werken entwickelt, um den Bedarf nach dem Vertriebsende des zuvor verfügbaren Accu-Chek Dextrose O.G-T. im Sommer 2020 zu decken. Das Produkt basiert auf der Standardzulassung mit Glycerol, für die Lagerung und Logistik ist Hommel Pharma zuständig. Nach Verzögerungen bei behördlichen Genehmigungen sei der Glucex-Test nun verfügbar und der Vertrieb könne starten, wie das Unternehmen mitteilte.

Apothekensterben in Sachsen

Die Zahl der Apotheken in Sachsen geht nach Angaben der dortigen Apothekerkammer weiter zurück: „In einigen Regionen wie Bautzen, Görlitz oder dem Vogtland müssen Patienten bereits längere Wege zur nächsten Apotheke in Kauf nehmen“, erklärte Göran Donner, Präsident der Landesapothekerkammer, am Dienstag. Besonders Eltern kleiner Kinder und ältere Menschen spüren die Verschlechterung der Versorgungssituation deutlich. Die Schließungen betreffen sowohl ländliche Gebiete als auch Städte. Während es 2011 noch 1002 Apotheken in Sachsen gab, sind es derzeit nur noch 895. In den letzten sieben Jahren haben 90 Apotheken in Sachsen dauerhaft geschlossen, was einem Rückgang von fast zehn Prozent entspricht. Mit 22 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegt Sachsens Apothekendichte bereits deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 32. Ursachen für die zahlreichen Schließungen sind unter anderem Inflation, steigende Personal- und Energiekosten, Lieferengpässe sowie eine hohe bürokratische Belastung. Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbandes, kritisierte: „Wenn die Politik nicht sofort handelt und wirtschaftliche Planungssicherheit schafft, um die flächendeckende Versorgung zu sichern und zu stärken, wird die Zahl der Apothekenschließungen weiter zunehmen.“ 

Studie: Blutdruck hat Auswirkungen auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung

Eine große Studie von Wissenschaftler:innen aus China und der Universitätsmedizin Mannheim zeigt, dass der Blutdruck den Erfolg der künstlichen Befruchtung beeinflusst. Dabei wurde festgestellt, dass ein höherer systolischer Blutdruck (SBP) zu Beginn der Schwangerschaft, selbst wenn er als normal gilt, die Chancen auf eine erfolgreiche Geburt verringert. Der diastolische Blutdruck (DBP) zeigte keine ähnliche Korrelation. Höhere SBP- und DBP-Werte waren jedoch mit erhöhten Risiken für Fehlgeburten, Schwangerschaftsdiabetes und Schwangerschaftshypertonie verbunden. Frauen mit Hypertonie hatten eine 5,4 Prozent niedrigere Geburtenrate im Vergleich zu Frauen mit normalem Blutdruck. Die Studie berücksichtigte die Werte von über 73.000 Frauen, die sich erstmals einer In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) unterzogen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Blutdruckrichtlinien für Frauen mit Kinderwunsch möglicherweise überdacht werden sollten.

So viele Drogentote wie nie zuvor

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist stark angestiegen. Im vergangenen Jahr starben 2227 Menschen durch den Konsum illegaler Substanzen, 237 mehr als im Jahr 2022. Das gab der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) am Mittwoch in Berlin bekannt gab. Es handelt sich um die bisher höchste registrierte Zahl. Besonders deutlich war der Anstieg bei Todesfällen im Zusammenhang mit Kokain und Crack, deren Zahl von 507 auf 610 stieg. Heroin blieb weiterhin die häufigste Ursache von Drogentoten, obwohl die Zahl der Todesfälle hier leicht von 749 auf 712 zurückging. Auch die Zahl der Todesfälle durch den Konsum gemischter Substanzen nahm zu. 

Blienert bezeichnete die Zahlen als „erschreckend“ und wies darauf hin, dass sie nun etwa doppelt so hoch wie vor zehn Jahren seien. „Es zeigt sich, dass immer mehr Substanzen vermischt konsumiert werden, dass die Substanzen immer stärker werden und dass alles, was auf dem Markt verfügbar ist, auch konsumiert wird,“ erklärte er. Daher sei es wichtig, „konkrete Fortschritte bei der Prävention und sozialen Hilfe vor Ort“ zu erzielen.

Er betonte die Notwendigkeit von Drogenkonsumräumen in den Regionen, wo sie gebraucht werden. Derzeit gibt es bundesweit 31 solcher Einrichtungen, die einen weniger riskanten Konsum unter kontrollierten Bedingungen ermöglichen – allerdings nicht in allen Bundesländern.

AMIRA fragt: Wie kann man den Drogenkonsum eindämmen, was meint ihr?

Lachgas: Gefährlich – aber noch legal

In letzter Zeit ist Lachgas in den Fokus gerückt. Dabei handelt es sich um ein Narkosegas, das in Deutschland legal verkauft und immer häufiger missbräuchlich gebraucht wird. Der Hype wird auch durch Social Media verstärkt, wo Videos über den Konsum kursieren. Der übermäßige Konsum von Lachgas, ursprünglich als Narkosemittel bekannt, birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken, darunter neurologische Schäden und Atemdepression. In Ländern wie den Niederlanden und Spanien gibt es bereits Verkaufsverbote. Forscher und Politiker fordern ähnliche Maßnahmen in Deutschland, um den Zugang für Jugendliche zu beschränken und Missbrauch zu verhindern. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat bereits angedeutet, strengere Verkaufsbeschränkungen prüfen zu wollen.

Tattoos gefährlicher als gedacht?

Am Mittwoch berichtete „Bild“ über eine schwedische Studie, in der nachgewiesen werden konnte, dass Tattoos gefährlicher seien als gedacht. Demnach untersuchten Forscher der schwedischen Universität Lund, ob es einen Zusammenhang zwischen den immer populäreren Tätowierungen und dem beobachteten Anstieg von malignen Lymphomen gibt. Ergebnis: Egal wie groß es ist – ein Tattoo erhöht das Lymphomrisiko um 21 Prozent. 3000 von rund 12.000 Studienteilnehmern waren im Alter zwischen 20 und 60 Jahren an dem Tumor erkrankt. In einem Fragebogen gaben sie an, ob sie tätowiert waren oder nicht. „Nach Berücksichtigung anderer relevanter Faktoren wie Rauchen und Alter stellten wir fest, dass das Risiko, an einem Lymphom zu erkranken, bei denjenigen, die tätowiert waren, um 21 Prozent höher war“, zitiert „Bild“ Christel Nielsen, außerordentliche Professorin für Epidemiologie an der Universität Lund und leitende Studienautorin. „Die Ergebnisse müssen nun in anderen Studien verifiziert und weiter untersucht werden.“

Die Forschenden spekulieren nun, dass die Tinte eine niedriggradige Entzündung im Körper auslöst, die ihrerseits Krebs auslösen könne. Bereits frühere Studien hätten ergeben, dass Partikel von Tätowier-Tinte und sogar Metall-Nanopartikel aus der Tätowier-Nadel zu den Lymphknoten gelangen können. Ziel der Forschung sei jedoch nicht, vom Tätowieren abzuraten, sondern nur ein sicheres Verfahren zu gewährleisten. Wer Symptome verspürt, von denen er glaubt, dass sie mit der Tätowierung zusammenhängen könnten, sollte sich an seinen Arzt wenden, raten die Forschenden.