Ausprägung von Allergien: Diese Rolle spielt das Alter

Die Allergiesaison ist in vollem Gange, die Nachfrage nach Antihistaminika groß. Dabei treten Allergien quer durch die Bevölkerung auf und können auch im späten Alter Beschwerden verursachen. Welche Besonderheiten gibt es?

In den letzten Jahrzehnten ist in westlichen Industriestaaten die Zahl der Menschen mit Allergien teils um das Zwanzigfache angewachsen, berichtet der Allergieinformationsdienst. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen. In Deutschland ist Heuschnupfen die häufigste Allergie, etwa 12 Millionen Menschen leiden daran. Zum Anteil der älteren Allergiker gibt es derzeit keine genauen Zahlen. Gibt es Unterschiede in der Ausprägung von Allergien bei jungen und älteren Menschen? Welche Rolle spielen dabei Allergien im Kindheitsalter? Diese und weitere Fragen hat uns Professor Dr. Karl-Christian Bergmann, klinischer Direktor der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF), beantwortet.

Weniger Symptome im Alter

Vorerst dürfte es hilfreich sein, das Wort „Ältere“ zu definieren. Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Mensch zwischen 60 und 75 Jahren ein „älterer Mensch“, zwischen 76 und 90 spricht man von einem „alten Menschen“. „Sehr alte oder hochbetagte Menschen“ haben gemäß dieser Einteilung ein Alter von 91 bis 100 Jahren. Kann das Alter eine Rolle bei der Ausprägung der Allergie-Symptome spielen?

Geht es nach Professor Bergmann, ja: „Es ist die bisherige Erfahrung, dass Allergien grundsätzlich mit zunehmendem Alter in ihrer Häufigkeit und in der Stärke der Symptome abnehmen. Es ist das frühe Kindes- und Jugendalter, in dem die häufigste Allergie, der Heuschnupfen, auftritt. Dies gilt auch für das allergische Asthma. Doch auch ab dem 60. Lebensjahr können noch neue Allergien auftreten.“ Daneben würden im Kindesalter deutlich häufiger Allergien gegen Nahrungsmittel (zum Beispiel gegen Kuhmilch, Hühnerei oder Erdnuss) auftreten.

Kindheitsallergien können zurückkehren

Dem Experten zufolge ist es in den letzten circa zehn Jahren klinisch auffällig, dass in die Allergiesprechstunde auch ältere Personen kommen, die über Heuschnupfensymptome klagen. „Der Arzt wird sicher nachfragen, ob nicht bereits im Kindesalter ein Heuschnupfen bestand. Dies kann bejaht werden, wird aber in manchen Fällen auch verneint. Warum nun auch in reiferen Jahren noch ein Heuschnupfen auftritt, muss in den meisten Fällen unklar bleiben“, so der Experte. Gelegentlich könne eine Ortsveränderung der Auslöser sein, wenn man beispielsweise von einem küstennahen Ort in das Binnenland zieht, wo häufiger Birkenpollen oder Gräserpollen auftreten. Dies betreffe sowohl die häufigste Allergie, den Heuschnupfen, als auch beispielsweise allergisches Asthma.


Professor Dr. med. Karl-Christian Bergmann arbeitet am Institut für Allergieforschung (IFA) der Charité – Universitätsmedizin Berlin und ist Klinischer Direktor der ECARF. Zu seinen klinischen Schwerpunkten gehören Immunologie, Allergologie und Pneumologie. (Foto: ECARF)

Bezüglich der Kindheitsallergien fügt Professor Bergmann hinzu: „Menschen, die als Kind einen Heuschnupfen oder eine andere Allergie zum Beispiel in Form von Asthma hatten, können durchaus nach vielen Jahren völliger Beschwerdefreiheit trotz weiterem Allergenkontakt erst im höheren Alter wieder Beschwerden entwickeln.“ Die Ursache dafür sei unbekannt. Allgemein besteht zudem der Konsens, dass die Beschwerden einer Allergien im hohen Alter auch weniger werden oder ganz verschwinden können.

Unterschiede in der Ausprägung und den Therapien

In der klinischen Erscheinung eines Heuschnupfens bei über 60-Jährigen sieht der Experte keine wesentlichen Unterschiede gegenüber jüngeren Personen, am ehesten sei bei Älteren der Juckreiz in der Nase und im Auge weniger stark ausgeprägt. Zur Therapie kommen häufig Antihistaminika in Tablettenform zum Einsatz, wie auch aus dem Apothekenalltag bekannt. „Diese wirken sowohl bei Menschen unter als auch über 60 Jahren.“  Der Allergologe gibt aber zu bedenken: „Allerdings werden die meisten Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten bei Personen unter 60 Jahren gemacht, deshalb sind Daten über die Wirkung bei Senioren häufig unzureichend“. Aus diesem Grund fördere ECARF Studien von Personen, die älter als 60 sind. 
Eine Pollenallergie kann, im Gegensatz zu den symptomatisch wirkenden Antihistaminika, auch ursächlich mit einer sogenannten spezifischen Immuntherapie (früher: Hyposensibilisierung) behandelt werden. Diese sei an keine Altersgrenze gebunden: „Auch Personen über 60 oder über 70 Jahre reagieren positiv, das heißt die Therapie führt zum Erfolg“, so der Experte.

Höheres Risiko: Senioren in Großstädten

In den Städten beginnt der Pollenflug früher als auf dem Land, was ebenfalls auf die dortige höhere Temperatur sowie Wärmeverdichtung zurückzuführen ist. Zudem sensibilisieren sich Menschen in Großstädten häufiger gegen Baum- und Gräserpollen als in Kleinstädten und Dörfern. „In Großstädten haben alle Erwachsenen und sicher auch Senioren ein höheres Risiko zu Entwicklung von spezifischen Antikörpern gegen Pollen, das heißt, es sind signifikant mehr Menschen in Großstädten sensibilisiert gegenüber Kleinstädten oder einer dörflichen Umgebung und auch das Auftreten von Symptomen. Eine Allergie ist in Großstädten häufiger“, erklärt der Experte. AMIRA berichtete kürzlich darüber.

Die Ursache für das häufigere Auftreten einer Sensibilisierung in Großstädten ist Professor Bergmann zufolge nicht sicher geklärt. Fördernde Faktoren seien aber wahrscheinlich Dieselpartikel, Feinstaub und möglicherweise auch Stickoxide, die die Bildung von IgE-spezifischen Antikörpern fördern. Daneben könnte auch die Hygienetheorie eine Rolle spielen, nämlich in dem Sinne, dass die bakterielle Belastung in Großstädten geringer ist als in kleinen Städten oder in Dörfern. Gemeint sei damit sowohl die Anzahl als auch die Verschiedenheit der Bakterien, mit denen die Menschen in Kontakt kommen.