Umsonst studiert
Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sorgen bei Apothekerinnen und Apothekern für Unmut. Werden Approbierte bald überflüssig? Eine Apothekerin aus Nordrhein-Westfalen hat uns von ihren Zukunftsängsten berichtet.
So hat sich Laura Gehrmann* ihre Berufslaufbahn als Apothekerin nicht vorgestellt. „Das Studium war sehr hart, ich habe sogar unter gesundheitlichen Folgen gelitten. Dann hat man noch drei Staatsexamen, bis man dann endlich Apothekerin ist. Und jetzt so was“, sagt die 36-Jährige, die ihren echten Namen öffentlich nicht kundtun möchte. Ihr große Sorge: „Was passiert, wenn das neue Gesetz von Karl Lauterbach in Kraft tritt? Darf ich mich dann beim Discounter als Kassiererin bewerben? Ich habe umsonst studiert“. Aktuell arbeitet Gehrmann als angestellte Apothekerin in Teilzeit und übernimmt außerdem freiberuflich Vertretungsdienste.
Nein zum Apothekenreformgesetz
Geplant sind im Gesetzentwurf unter anderem, dass die Präsenz von Apothekerinnen und Apothekern in den Apotheken reduziert sowie Ausstattung und Öffnungszeiten der Apotheken eingeschränkt werden. Erfahrene PTA können bzw. sollen dann bei Fragen eine Apothekerin oder einen Apotheker telepharmazeutisch hinzuziehen, die approbierte Kraft muss dann nicht vor Ort sein. Apothekerinnen und Apotheker sind daher wegen der Gefährdung ihrer Arbeitsplätze und der erheblichen Verschlechterung der Arzneimitteltherapie und Patientensicherheit besorgt. Für den Bundesgesundheitsminister hingegen sind das unverzichtbare Maßnahmen, um die Vor-Ort-Apotheken auf dem Land zu erhalten.
„Uns hat man gesagt, dass wir immer einen Job finden und gesuchtes Personal sind. Wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, ist meine Sorge, dass wir Apothekerinnen entlassen werden, weil wir eben teurer sind als die PTA. Und erfahrene PTA gibt es ja viele, also meine Kolleg:innen sind 30 Jahre und teilweise sogar schon länger in der Apotheke. Möglicherweise bin ich ihnen dann irgendwann noch untergeordnet, wenn Approbierte nicht mehr zwangsläufig als Leitung benötigt werden. Bei Lauterbachs Plänen weiß man nie so ganz“, so Gehrmann. „Ich verstehe einfach nicht, wie es Apotheken ohne Apotheker geben soll.“
Apotheker verschwinden auch von Werbung und Beipackzetteln
Viele Arzneimittel dürfen innerhalb und außerhalb der Fachkreise beworben werden. Bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise musste bis Dezember 2023 gemäß § 4 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) der Text „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ angegeben werden. Der Apothekerberuf wurde explizit genannt und sorgte für eine gewisse Sichtbarkeit. Doch das ist Vergangenheit. Der Passus wurde geändert, nun heißt es „(…) und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“.
Den Pflichttext in dieser Form gibt es nicht mehr. (Screenshot Pharma Deutschland)
„Das zeigt ja auch wieder, wie wertlos diese Berufsgruppe geworden ist, dass man sogar im Beipackzettel verschwindet und allen anderen gleichgestellt wird“, kommentiert Gehrmann. „Die Ausbildung einer PTA ist nicht vergleichbar mit einem Studium. Sonst bräuchte man nicht zu studieren und jede PTA wäre Apothekerin.“ Sie fragt sich: „Unser Stand geht verloren. Dann könnten sie genauso schreiben ,Fragen Sie in ihrer Arztpraxis nach‘. Die medizinischen Fachangestellten können nach dieser Logik dann doch auch alles beantworten.“
Weg von der öffentlichen Apotheke
Die Apothekerin macht sich, unabhängig von der aktuellen Situation, schon seit längerem Gedanken, wo sie beruflich noch unterkommen könnte. „Ich bin in der öffentlichen Apotheke hängengeblieben“, gibt sie zu. Eine Tätigkeit in einer Krankenhausapotheke wäre für sie zwar auch eine Option. Doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei dann aus ihrer Sicht nicht möglich. „Viele Fort- und Weiterbildungen und Stellenangebote sind in Vollzeit, wie soll ich das mit einem kleinen Kind vereinbaren?“, sagt sie. Mit dem Wunsch, alles unter einen Hut zu bringen wollen, ist sie nicht die einzige. Es ist bekannt, dass es vielen Müttern mit dieser Herausforderung ähnlich geht.
Sie spielte sogar mit dem Gedanken, Lehrerin zu werden: „Mein Mann ist Biologe und unterrichtet jetzt Chemie an einer Realschule“, erzählt sie. Sie habe es schonmal versucht, sich als Quereinsteigerin zu bewerben. „Die zuständige Behörde teilte mir aber mit, dass ich mit meiner Hochschulausbildung nicht qualifiziert genug sei, den Schülerinnen und Schülern Chemie beizubringen – obwohl sich die Chemie durch das komplette Pharmaziestudium durchzieht. Aber mein Mann hat Biologie studiert und hatte deutlich weniger Chemie im Studium. Der darf das und ich nicht. Ich verstehe nicht warum“, wundert sich Gehrmann.
Unzufriedenheit prägt Arbeitsalltag
Von ihrem Berufsstand und den aktuellen Entwicklungen ist die Apothekerin sehr enttäuscht. „Pharmazie würde ich nie wieder studieren wollen“, sagt sie. „Warum auch? Wenn noch nicht mal meine Anwesenheit gebraucht wird? Wozu soll ich mir den ganzen Stress des Studiums antun, bei mickriger Bezahlung und fehlendem Ansehen? Es gibt genug andere Studiengänge, die man studieren kann und am Ende sogar noch ein höheres Ansehen hat“, so Gehrmann. Auch ihrem Kind würde sie nicht empfehlen, Pharmazie zu studieren.
Ihre berufliche Laufbahn hat die Apothekerin für sich schon entschieden: „In zehn Jahren sehe ich mich keinesfalls mehr in der öffentlichen Apotheke.” Auch wenn das neue Gesetz „nicht so schlimm“ sein sollte wie erwartet und ihre Anwesenheit „doch“ gebraucht werde: „Lieferengpässe, Rabattverträge, Ansprüche der Kundschaft, geringe Bezahlung – ich kann einfach nicht mehr“, gesteht sie. Sie ergänzt: „Das einzige Positive war bislang immer, dass man eine sichere Stelle hatte und überall einen Job fand. Das gibt es aber nicht mehr, bald muss man sich seinen Job hart erkämpfen und wird nicht einmal würdig bezahlt. Warum soll man sich das antun?“.
*Name von der Redaktion geändert