Die Jugend liebt die Apotheke ...?

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet jüngere Menschen ein Faible für die Apotheke vor Ort haben? Die Apothekenspitzel:in ist ganz überrascht und rätselt in der dieswöchigen Kolumne über die Gründe, findet das am Ende aber ganz prima.

Nanu, was ist denn da los? Die Jugend von heute – stets vernetzt, digital und mit dem Smartphone verwachsen – pilgert in Scharen zur örtlichen Apotheke, statt bequem online zu shoppen. Das legt eine aktuelle Umfrage von Pharma Deutschland nahe: Derzufolge kaufen 67 Prozent der Deutschen ihre rezeptfreien Medikamente in Apotheken. Das sind rund zwei Drittel. Ob man das für viel oder wenig hält, sei jedem selbst überlassen. Wer mäkelt, dass das ein bisschen dürftig sei, sollte sich noch mal rasch vor Augen führen, dass es inzwischen auch andere Wege gibt, an Hustensaft und Kopfschmerztabletten zu gelangen. Ich finde die 67 Prozent ganz in Ordnung. Regelrecht baff macht mich aber ganz was anderes: Denn laut Befragung gehen vor allem die jüngeren Menschen zwischen 18 und 29 Jahren gern in die Apotheke, wenn sie OTC-Ware benötigen: Es sind mehr als drei von vier Personen (77 Prozent) dieser Altersgruppe, die in diesem Fall den Weg zum HV-Tisch suchen.

Kann mir das irgendjemand erklären?

Wie kommt's? Haben wir hier etwa eine Generation von Nostalgikern, die sich nach der guten alten Zeit sehnen, als der Gang zur Apotheke die einzige Möglichkeit war, an Medizin zu gelangen? Erinnern sich diese jungen Menschen mit Tränen in den Augen an die Geschichten von Eltern und Großeltern über die netten Gespräche mit dem Apotheker um die Ecke? Sind Influencer am Werk, und der ein oder andere Instagram-Star empfiehlt seinen Followern die Apotheke per Selfie und Hashtag als neuen Hipster-Hotspot? Läuft im Hintergrund gar eine Tik-Tok-Challenge „Wer trifft am Tag die meisten PTA?“. Nö – glaube ich nicht. Aber kann mir das bitte jemand erklären?

Zwischenzeitlich frage ich mich, ob man die Methodik und damit die Glaubwürdigkeit der Umfrage infrage stellen muss. Das Ergebnis klingt für mich nämlich im wahrsten Wortsinn unglaublich. Ist das also tatsächlich das echte Verhalten der jungen Generation, oder haben wir hier eine kuriose Ausnahme erwischt, eine Art statistischen Ausreißer? Vielleicht haben die Befragten „Apotheke“ gewählt, weil es einfach vertraut klang und sie im Moment des Anklickens nicht an den letzten Amazon-Kauf dachten. Vielleicht haben die Teens und Twens auch nur entdeckt, dass der WLAN-Empfang in den Apotheken besser ist als gedacht und lassen sich von diesem Vorzug in unsere heiligen Hallen locken…

Spaß beiseite und lassen wir auch mal die Skepsis weg. Nehmen wir die Ergebnisse mal für bare Münze. Was könnte also wirklich dahinterstecken? Vielleicht hat die Pandemie uns doch stärker zurück zu den Wurzeln gebracht als gedacht. Nach Monaten, eigentlich Jahren, des Social Distancing und des Eingesperrtseins in digitale Welten ist der freundliche Austausch mit dem Lieblingsmenschen aus der Apotheke möglicherweise zu einem kleinen Lichtblick im Alltag geworden. Die persönliche Hinwendung, das verständnisvolle Nicken, der aufmunternde Zuspruch – das sind Erlebnisse, die in der Online-Welt eher rar gesät sind. Die Jungen sagen es laut Befragung ja selbst: Es ist die persönliche Beratung und die Expertise, die sie in die Apotheke zieht.

Die Jungen mögen uns – das ist gut für die Zukunft!

Und dann gibt es noch die Faktoren Nähe und Bequemlichkeit. 32 Prozent der jungen Apothekenkäufer gaben an, dass sie einfach den Komfort schätzen, schnell zur nächsten Offizin gelangen zu können. Das mag jetzt ein Ausdruck der Mobilität sein, der sich junge Menschen erfreuen. Sie sind in der Regel fit und beweglich, können noch Auto – pardon: Fahrrad und ÖPNV – fahren und zur Not per pedes kommen.  Gerade in Ballungsräumen ist die nächste Apotheke ja nicht sehr weit entfernt und wenn eine Befindlichkeitsstörung nach Behandlung schreit – gut, dann geht es eben flott ab in die Apotheke, statt sich vor den Rechner zu setzen und Paracetamol und Co. beim Versender zu ordern, der das Ganze erst am nächsten Tag (wenn es gut geht) liefert. So verbissen digital ist die Generation Z dann doch nicht, als dass sie nicht sähe, dass der gute, alte analoge Einkauf in der Offizin nicht noch schneller Linderung verschaffen könnte. Ich finde diese Einstellung irgendwie charmant.

Bei allem Spekulieren über Ursachen und Beweggründe, das Verhalten der Jungen zeigt uns etwas wirklich Tolles: Die Apotheke vor Ort wird nachgefragt, wird gebraucht, hat Zukunft! Das sollten sich vor allem jene hinter die Ohren schreiben, die uns ständig erzählen wollen, dass die klassische Offizin ein Auslaufmodell ist. Jetzt zeigen ausgerechnet diejenigen – die Jüngeren nämlich – die immer als Kronzeugen dafür angeführt werden, dass alles Hergebrachte und Bewährte komplett überflüssig wird, dass es für die Apotheke weiterhin Bedarf gibt.

Ich finde, das ist eine schöne Vorlage für unsere Verbände. Ich hoffe, sie machen was draus!