Superkräfte wären fein

Wir im neuen Jahr angekommen. Ein bisschen schwermütig schaut unsere Apothekenspitzel:in zurück und gleichzeitig voraus. Wird irgendetwas besser?

Während ich hier an meinem Schreibtisch sitze, dampft neben der Tastatur eine Tasse Tee. Das Jahr 2024 haben wir hinter uns gebracht, 360 Tage des neuen Jahres liegen noch vor uns. Wie immer in den ersten Tagen des Januar schweifen meine Gedanken in die Zukunft. Was werden die verbleibenden 51 Wochen für uns in der Apotheke bringen?

Die nackten Zahlen lesen sich wie eine Sammlung von Hiobsbotschaften: Apotheken schließen, der Festbetrag stagniert, das Wort von der „Arbeitsverdichtung“ ist bei uns gelebte Praxis, die vermaledeite Knappheit einst problemlos verfügbarer Medikamente will einfach nicht verschwinden. Der Personalmangel macht die Sache nicht besser. Ihr wisst das alles. Neulich meinte eine Kollegin scherzhaft: „Wir sind doch eigentlich sowas wie die Superhelden im Film – ständig vor einem Berg fast unlösbarer Probleme, die wir dann doch irgendwie knacken – nur ohne die coolen Kostüme und definitiv unterbezahlt.“ Ist was dran, finde ich. Wir jonglieren täglich mit Lieferengpässen, Dokumentationspflichten, Dienstplanänderungen, da fühlt sich der Arbeitstag schon mal an wie eine Bergtour mit Flipflops. Auch mein Alltag abseits der Offizin ist nicht immer freudvoll, dafür sorgen zum Beispiel die ständig steigenden Preise an der Supermarktkasse oder der Tankstelle – schönen Dank an dieser Stelle schon mal für den erneuten CO2-Aufschlag, der seit dem 1.1. für jeden Liter Sprit fällig ist!

Ob die Lage im laufenden Jahr besser wird?

Wenn ich mir anschaue, womit die Politik, die an vielen Stellschrauben drehen könnte, derzeit beschäftigt ist – mit Wahlkampf nämlich –, dann glaube ich: Auf eine Besserung unserer Situation werden wir noch ein bisschen warten müssen.

Voraussichtlich noch am Abend der Wahl werden wir einschätzen können, wie lange es bis zur Bildung einer Regierung dauert. Diese Findungsphase kann schon mal zwei bis drei Monate dauern, vielleicht noch länger. Als das letzte Kabinett Merkel erstmals zusammentrat, waren gute 170 Tage vergangen, mehr als 5 Monate also. Wenn es also diesmal wieder so lange dauert, dann werden die Probleme der Apotheken entsprechend spät angepackt. Wenn überhaupt. Denn wenn man ehrlich ist, dann rangieren wir in den Apotheken auf der Dringlichkeitsskala so ziemlich unter „ferner liefen“. Ich bin gespannt, ob in den ganzen Politsendungen, Interviews und Diskussionsrunden, die uns bis zur Wahl bevorstehen, die Apotheke überhaupt mal als diskussionswürdiger Punkt angesprochen und verhandelt wird. Ich glaube: Nö, passiert eher nicht.

Ich will nicht (groß) abschweifen, aber kennt ihr den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung? Echt nützlich, weil er einem Orientierung bei der Wahlentscheidung gibt. Ich fänd´s toll, wenn darin auch mal was zu unserem Metier enthalten wäre, etwa eine Meinungsabfrage zu folgendem Punkt: „Apotheken sollen weiterhin bestehen und in ihren Geschäftszielen und -zwecken gefördert werden.“ Antwortmöglichkeiten wie immer „stimme zu/neutral/stimme nicht zu“. Das würde viele Menschen mal die Augen öffnen. Aber auch hier würde ich sagen: Nö, passiert eher nicht. Wir sind zu unwichtig.

Genau deshalb habe ich den Beruf gewählt

Aber trotz allem Gejammer (sorry dafür!) bin ich eigentlich ganz zuversichtlich. Warum? Weil ich jeden Tag sehe, wie unser Team funktioniert. Wie wir uns gegenseitig auffangen, wenn es mal wieder hoch hergeht. Wie wir kreative Lösungen finden, wo eigentlich keine zu sehen sind. Und weil ich spüre, dass wir gebraucht werden.

Neulich kam eine ältere Dame in die Apotheke, ziemlich aufgelöst, weil ihr Blutdruckmittel nicht lieferbar war. Na ja, das ist Alltag, sowas managen wir. Also fanden wir auch in diesem Fall eine Alternative. Als sie ging, drückte sie mir ein Cellophanbeutelchen mit selbstgebackenen Plätzchen in die Hand und sagte: „Wie gut, dass es Sie gibt!“ In solchen Momenten weiß ich wieder, warum ich diesen Beruf gewählt habe.

Doch ein bisschen Superheld?

Am Ende sind wir ja doch ein bisschen wie Superhelden. Nicht wegen irgendwelcher Superkräfte, sondern wegen unserer Motivation, unser Bestes zu geben. Vielleicht nicht jeden Tag, aber ganz schön oft. Wenn die nächste Regierung genau das ebenfalls täte, nämlich öfters ihr Bestes zu geben, dann würde doch gleich alles viel rosiger aussehen fürs kommende Jahr. Für mich bräuchten die neuen Minister:innen nicht mal eine Superhelden-Robe, um ihre Qualitäten und ihr Können aller Welt zu zeigen. Ich fürchte nämlich, die wäre aus dem gleichen Stoff geschneidert, wie des Kaisers neue Kleider …