Kleine Riegel, große Frage
Ein Dialog aus der Offizin: Ist das Naschen von Kundenproben erlaubt? Oder ist das im neuen Team schon keine Bagatelle mehr? Die Apothekenspitzel:in berichtet diese Woche vom Umgang mit Kundengeschenken.
Ein hungriger Reflex in der Apotheke
Später Nachmittag, das Licht kippt golden durch die Scheibe, irgendwo hinten summt der Kühlschrank und der Scanner piept nur noch sporadisch. Am HV steht eine bunte Probierbox – heute Mini-Fruchtriegel, neu vom Hersteller.
Nora, PTA und noch nicht lange an Bord, blättert gedankenverloren durch eine Kundenzeitschrift, ihr Magen meldet sich leise. Ohne großes Nachdenken reißt sie einen Riegel auf. Nur ein Happen, ich kipp gleich um, denkt sie. Die PKA Jana beugt sich zu ihr herüber: „Du … äh … hier ist das nicht so gern gesehen, wenn wir uns bei den Kundengeschenken bedienen.”
Ein winziger Moment Stille. Nora läuft rosa an: „Oh, echt? Sorry! Ich wollte niemandem etwas wegnehmen. Bei uns früher war das völlig normal.” Innerlich denkt sie aber „Prima. Super Einstand ... jetzt bin ich erstmal die Neue, die die Proben auffuttert!”
„Teamkiste“ statt Tabubruch
Jana hebt beschwichtigend die Hände und lächelt. „Ich weiß, das gibt’s vielerorts. Aber hier gilt: Was vorne liegt, ist für die Kundschaft. Sonst ist die Box abends leer, und die Kunden hatten nichts davon. Wenn etwas fürs Team gedacht ist, steht’s dran – „Teamkiste“. Und Proben, die wir sogar testen sollen, mit Cremeproben oder Ähnliches, stehen hinten vor dem Labor in Extrakisten. Zeige ich dir nachher gleich.”
Nora überlegt: „Klingt vernünftig. In meiner Berlin-Apotheke gab’s sogar eine EK-Liste im Backoffice für hochwertigere Werbegeschenke, die uns im Team auch gefallen haben – Schlüsselanhänger oder sowas. Einfach eintragen, Einkaufspreis zahlen, fertig. Voll transparent, niemand hatte Bauchweh.” Das ist aber rund zehn Jahre her, in der Zwischenzeit darf und kann niemand mehr so viele Sachen verschenken.
Jana erwidert: „Das finde ich gut. Offene Kommunikation nimmt den Beigeschmack.”
Transparenz hilft allen
„Noch ’ne Frage Jana: Wie ist das mit der Kundenzeitschrift hier? Darf man die eigentlich mitnehmen?”
Jana nickt: „Ja, aber noch nicht gleich, sondern erst Mitte und Ende des Monats, wenn noch genug da sind. Die Stammkunden sind sonst beleidigt, wenn das Fach leer ist. Wenn die neue Ausgabe kommt und noch alte übrig sind, ist’s unkritisch – kurz Bescheid sagen, fertig. Und weißt du, warum wir da etwas sensibel sind? Es gibt in solchen Dingen eigentlich keine ,Bagatellen‘. Auch Kleines ist Eigentum. Ich habe mal von einem Fall gehört: Eine Kassierin im Supermarkt hat einen vergessenen Pfandbon eingelöst – nur ein paar Euro, aber es endete mit Kündigung. Ich erzähle dir das nicht, um dir Angst zu machen – eher als Erinnerung: Besser man hat klare Regeln bei der Arbeit als graue Zonen.”
Warum Klarheit Vertrauen schafft
Nora nickt: „Verstehe. Es ist ja auch für alle entspannter, wenn’s sauber geregelt ist und niemand das Gefühl hat, heimlich etwas wegnehmen zu müssen”.
„Genau. Und wenn wir mal bis 22 Uhr Inventur wuppen, stellt die Chefin ohnehin eine Teamkiste mit Schokoriegeln und Ähnlichem hin, oder bestellt auf ihre Kosten Pizza für alle. So fair ist sie dann schon.”
Der Rest des Abends bleibt riegel- und konfliktfrei. Und die Neue? Fühlt sich plötzlich nicht mehr neu, sondern ein Stück mehr angekommen – in einem Team, das lieber redet als richtet. Und in dem aus einem Mini-Riegel keine große Sache wird, einfach weil die Regeln klar sind: freundlich, fair und ohne Beigeschmack.
AMIRA will’s wissen: Wie läuft es in eurer Apotheke ab? Schreibe deine Erfahrungen in die Kommentare!
Hinweis: Die Kolumne macht über die Weihnachtsfeiertage und zwischen den Jahren Pause – im neuen Jahr ist die Apothekenspitzel:in wieder für dich da!