Weihnachtsfeier: Auf der Menükarte fehlt Wertschätzung
Ende Oktober gekündigt – und im Dezember plötzlich „nicht mehr im Team“: Eine Kolumne über Weihnachtsessen, Wertschätzung und die Frage, wer am Jahresende wirklich dazugehört.
„Du bist ja dann nicht mehr im Team“
Die Teeküche ist wie so oft unser inoffizieller Besprechungsraum. Zwischen Wasserkocher, Kaffeeflecken und halb aufgegessener Lebkuchenpackung werden die Themen besprochen, die es nie in offizielle Meetings schaffen.
Ich sitze gerade da, sortiere nebenbei BtM-Rezepte, als meine Kollegin Lea fragt: „Sag mal, Marie … freust du dich schon auf die Weihnachtsfeier?“
Ich schaue hoch. „Warum fragst du?“.
Weihnachtsessen als Symbol der Wertschätzung
Lea verdreht die Augen und lacht – dieses Lachen, das einen halben Tick zu laut ist, um wirklich entspannt zu sein. „Ich hab‘ ja Ende Oktober gekündigt. Und dieses Jahr bin ich halt nicht mehr zum Weihnachtsessen eingeladen. Es ist jetzt nicht weltbewegend, ich heul deswegen nicht ins Kopfkissen“, fügt sie schnell hinzu. „Aber ich frag mich schon: Ist das normal?“
Ich denke kurz nach. In den meisten Teams, die ich kenne, ist das Weihnachtsessen so etwas wie der offizielle „Danke-fürs-Jahr“-Moment. Einmal Essen gehen, ein bisschen zu viel Nachtisch, eine leicht sentimentale Rede vom Chef oder der Chefin – das Jahresabschlussritual.
„Also da, wo ich vorher war“, sage ich, „wurden die Leute auch eingeladen, wenn sie schon gekündigt hatten. Gerade wenn sie zehn Monate (!) des Jahres noch mitgearbeitet haben. Ich finde, das ist doch genau der Punkt: ein Dank für die geleistete Arbeit.“
Lea nickt heftig. „Genau das!“, sagt sie. „Wer drei Viertel des Jahres da war, sollte dazukommen. Beim Weihnachtsgeld sieht man’s ja auch ein: Das kriegt man anteilig. Warum nicht wenigstens ein Abendessen als Geste der Wertschätzung? Und das Absurde ist“, fährt sie fort, „während meiner Elternzeit hab‘ ich schon mal gekündigt – und da wurde ich eingeladen. Gleicher Chef. Anderes Jahr, andere Laune?“
„Hast du ihn denn gefragt, wie er es diesmal meint?“
Formale Grenzen vs. gelebte Gemeinschaft
„Ich wollte nicht direkt zu ihm gehen“, gibt sie zu. „Also hab‘ ich meine Lieblingskollegin vorgeschickt. Die hat ihn beim Thema Weihnachtsessen gefragt – so ganz nebenbei, du kennst das. Und er meinte nur: ‚Nee, leider nicht. Sie ist ja dann nicht mehr im Team.‘“
Sie imitiert seine Stimme, zieht bei „nicht mehr im Team“ die Augenbrauen hoch, dieses berühmte Chef-Gesicht, das zwischen bedauernd und verlässlich genervt schwebt. Dann wird Lea wieder ernst.
„Sie hat mir das danach erzählt und meinte: ‚Das tut mir so leid.‘ Und ich stand da und dachte: Okay. Zehn Monate Abfederung des Personalengpasses, Ärztetelefon, Vertretungsdienst, Inventur und Notdienst zählen offensichtlich nur so lange, wie ich formell auf der Gehaltsliste stehe.“
Ich lehne mich an die Arbeitsplatte. „Ich verstehe ja, dass Chefs irgendwann irgendwo eine Grenze ziehen wollen“, sage ich. „Aber manchmal fühlt sich diese Grenze eben sehr kleinlich an. Ein Weihnachtsessen ist ja nicht nur ein Kostenfaktor. Es ist ein Symbol.“
Viel Einsatz für nichts
Lea nickt. „Ja. Und das Verrückte ist: Ich hätte sogar Verständnis, wenn man sagt: Wer im März kündigt, ist beim Weihnachtsessen im Dezember vielleicht nicht mehr dabei. Da liegt einfach viel Zeit dazwischen, man ist längst im neuen Job, im neuen Team. Aber Ende Oktober? Das ist im Grunde dasselbe Jahr, derselbe Stress, dieselbe Grippewelle, dieselben Personallöcher und Urlaubszeiten, die man gestopft hat. Weißt du, was mich daran am meisten nervt?“, fragt Lea schließlich. „Dieses ‚nicht mehr im Team‘. In dem Team war ich, als ich im Frühjahr drei Samstage hintereinander eingesprungen bin. Im Team war ich, als jemand krank wurde und ich ungeplant Spätdienst gemacht hab. Im Team war ich, als ich wegen Personalengpass sogar 20 Minuten mit dem Auto angefahren bin, um nur 2,5 Stunden (!) auszuhelfen. Aber für einen einzigen Abend mit Nudeln, Hauswein und einer halblustigen Rede bin ich es dann plötzlich nicht mehr?“
Ich muss lachen, weil ich genau weiß, wie sich das anfühlt – und gleichzeitig ist mir gar nicht zum Lachen. „Vielleicht ist das auch so ein Missverständnis zwischen Betriebswirtschaftlicher Auswertung (BWA) und Bauchgefühl“, murmele ich. „Auf dem Papier ist es logisch: Du bist nicht mehr angestellt, also gehörst du formal nicht mehr dazu. Aus Sicht von uns im HV ist es: Du hast mit uns das Jahr gewuppt, also gehört dir auch der letzte Abend.“
Mein Plädoyer für mehr Dankbarkeit am Jahresende
Abends zuhause denke ich noch mal über unser Gespräch nach. Gerade diese Kleinigkeiten machen oft den Unterschied, ob man ein Team wirklich als Gemeinschaft erlebt – oder nur als zufällige Ansammlung von Menschen, die zur gleichen Zeit im gleichen Kassensystem eingeloggt sind. Was kostet uns mehr – ein zusätzliches Weihnachtsmenü oder eine Kollegin, die das Jahr über alles gegeben hat und sich am Ende trotzdem wie ein Häkchen in der Personalliste fühlt?
Ich für meinen Teil habe entschieden: In meiner idealen Apotheke würde jemand wie Lea immer noch mit am Tisch sitzen. Auch wenn der Vertrag schon gekündigt ist. Weil Dankbarkeit nicht mit dem Beschäftigungsverhältnis endet – sondern mit der Art, wie wir miteinander umgehen.
AMIRA fragt: Wie wird es in eurer Apotheke gehandhabt? Steht schon euer Plan für die Weihnachtsfeier? Schreibe deine Erfahrungen in die Kommentare!